Mit der sogenannten US-Subprimekrise begann im Laufe des Jahres 2007 eine globale Finanzkrise, die mit der Pleite der Bank Lehman Brothers im Herbst 2008 einen vorläufigen Höhepunkt erlebte und sich schließlich zu einer schweren Krise der Weltwirtschaft ausweitete. Die Gründe für die fatale Entwicklung beleuchtete Michael Lewis in seinem Sachbuch „The Big Short – Wie eine Handvoll Trader die Welt verzockte“. Der Autor, der auch die Vorlage zu „Moneyball“ verfasst hat, erzählt davon, wie einige Hedgefonds-Manager auf das Platzen der Immobilienblase wetteten, um das große Geld zu machen, und damit in einem von Gier angetriebenen System auf fruchtbaren Boden stießen. Regisseur und Drehbuchautor Adam McKay („Stiefbrüder“, „Ant-Man“) macht aus der Vorlage nun zwar keine Dokumentation, sondern einen Spielfilm, aber die von Lewis geschilderten Fakten sind so haarsträubend, dass er nichts Wesentliches dazu erfinden muss. Wenn in seinem breit angelegten Panorama eines abgehobenen Universums mit Milliarden jongliert wird, dann sind die Details für den Laien zwar längst nicht immer verständlich, aber eines ist ganz klar: In der Finanzwelt hat der Wahnsinn Methode und eben diesen Wahnsinn entlarvt McKay mit „The Big Short“, einer teuflisch unterhaltsamen, brillant besetzten und zum Nachdenken anregenden Mischung aus Finanzsatire und Wirtschaftskrimi.
Schon im Jahr 2005 schwant dem Hedgefonds-Manager Michael Burry (Christian Bale), dass der Handel mit immer wahnwitzigeren Immobilienfinanzprodukten bald zu einem großen Knall führen wird. Andere New Yorker Banker schenken seinen Berechnungen indes keinen Glauben. Also wettet Burry gegen das Finanzsystem und tätigt bei großen Investmentunternehmen wie Goldman Sachs Leerkäufe von Aktien im Wert von insgesamt 1,3 Milliarden Dollar. Burrys ungewöhnliches Investment weckt das Interesse des Deutsche Bank-Maklers Jared Vennett (Ryan Gosling), der ebenfalls vom erwarteten Kollaps profitieren will und dafür unter anderem den Trader Mark Baum (Steve Carell) umwirbt, der in Anbetracht der Lage ethische Einwände vorbringt. Die Jungbanker Charles Geller (John Magaro) und Jamie Shipley (Finn Wittrock) wittern hingegen bloß das große Geld, als sie an die Informationen gelangen. Als Berater ziehen sie den Ex-Banker Ben Rickert (Brad Pitt) hinzu, der einen brisanten Coup ausheckt.
Adam McKay macht aus „The Big Short“ kein auf wenige zentrale Konflikte konzentriertes Drama wie etwa J.C. Chandor in „Der große Crash – Margin Call“, sondern zeichnet ein umfassendes Porträt des Geldbusiness. Am Anfang steht ein flotter Bilderbogen vom glamourösen Leben erfolgreicher Banker, die seit Ende der 1970er-Jahre immer mehr und mehr Geld scheffeln. Die Collage zum Auftakt lässt Erinnerungen an Martin Scorseses aufgedreht-ornamentale Wall-Street-Satire „The Wolf Of Wall Street“ aufflackern, ehe McKay mit der einsetzenden Haupthandlung eine andere Richtung einschlägt und sich auf oft fast schon dokumentarisch anmutende Weise der geschäftlichen Seite der Vorgänge widmet. Zwar blitzt dabei auch der schon in Oliver Stones „Wall Street“ 1987 aufs Korn genommene Zynismus vieler Banker auf, für die es nur darauf ankommt, wer mehr Geld scheffelt, aber in erster Linie zeigen uns McKay und sein Co-Drehbuchautor Charles Randolph („Love And Other Drugs“) die absurden Seiten eines Systems, das die menschliche Gier geradezu befeuert. Und immer wieder werfen sie auch Seitenblicke auf die Konsequenzen der Krise, auf die einfachen Leute, die im Verlauf der Geldschieberei ihre Häuser und Jobs verlieren.
Allen Nicht-Experten geben die Filmemacher gerade genug Informationen an die Hand, um die großen Zusammenhänge erkennen zu können. Es werden Hintergründe als Texttafel eingeblendet oder als Off-Kommentator eingesprochen, dazu wenden sich Margot Robbie („Focus“) im Schaumbad und Selena Gomez („Spring Breakers“) beim Pokern direkt an die Zuschauer und erklären anschaulich wichtige Zusammenhänge. Gerade diese satirisch zugespitzten Einsprengsel verdeutlichen, wie stark Bankgeschäfte von Psychologie und vom Glauben an das Funktionieren des Systems bestimmt werden: Solange es einen reich machen kann, ist der allemal stärker als alle vernünftigen Einwände. Das erkennt niemand klarer als der von Steve Carell (nach „Foxcatcher“ ein weiterer glänzender Auftritt als Charakterdarsteller) gespielte Mark Baum, der hier als Stimme von Moral und Gewissen auftritt. Wenn er bei einer Podiumsdiskussion die schlimmen Konsequenzen der heraufdämmernden Krise anspricht, die an aktuelle Kursbewegungen gefesselten Kollegen aber nicht hinhören und stattdessen hektisch mit ihren Smartphones und Laptops hantieren, dann ist das eine geradezu programmatische Szene.
„The Big Short“ ist dynamisch inszeniert - allein über die clevere assoziative Montage, die Zusammenhänge herstellt und das Gefühl des Dabeiseins beim Zuschauer verstärkt, ließe sich eine eigene Kritik schreiben -, aber emotionale Resonanz verschafft dem manchmal etwas zerklüftet wirkenden episodischen Geschehen vor allem das famose Darstellerensemble. Neben Carell brilliert vor allem Christian Bale („The Fighter“, „The Dark Knight“) in der Rolle des genialen Hedgefonds-Managers und ehemaligen Mediziners Michael Burry, der den Braten als erster riecht. Lange Zeit steht er mit seinen Prognosen allein auf weiter Flur und verzweifelt mitunter an seiner eigenen Theorie. In einer etwas kleineren Nebenrolle überzeugt Brad Pitt („World War Z“) als ausgestiegener Banker, der wieder ins Spiel einsteigt, obwohl er genau weiß, worauf er sich da einlässt. Ryan Gosling („Drive“) wiederum verleiht dem Geschehen als geldgeiler Banker mit dem richtigen Riecher eine bittere Note. Bei aller Satire und Komik – hier lauert schon mal ein Krokodil in einem verlassenen Swimmingpool – ist keine der Figuren eine bloße Karikatur und so wird „The Big Short“ insgesamt zu einem ernsthaften, geerdeten und kritischen Film mit kleinen Längen.
Fazit: „The Big Short“ ist ein komplexer und exzellent besetzter Finanzthriller mit satirischer Schlagseite.