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    Findet Dorie
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Findet Dorie
    Von Carsten Baumgardt

    Wer ein stattliches Budget von 200 Millionen Dollar investiert (ohne Marketingkosten) wie bei „Findet Dorie“, der muss sich schon ziemlich sicher sein, dass am Ende des Tages ein satter Betrag wieder eingespielt wird - schließlich steigt meist das Risiko, je länger man mit der Fortsetzung eines Megaerfolgs wartet. „Basic Instinct 2“, „Men In Black 3“ oder aktuell „Independence Day 2“ kamen zu spät und floppten an der Kinokasse. Zwar gibt es auch Ausnahmen wie „Jurassic World“, aber selbst hausintern gibt es für die Macher bei Disney-Pixar mit dem hinter den riesigen Erwartungen zurückgebliebenen Prequel „Die Monster Uni“ ein warnendes Beispiel und bis zur Premiere ihres Sequels zum oscargekrönten 2003er Superhit „Findet Nemo“ (weltweite Einnahmen: 937 Millionen Dollar) zogen immerhin buchhalterisch bedenkliche 13 Jahre ins Land - die Kinder, die nach „Nemo“ einen Clownfisch zum Geburtstag wollten, sind inzwischen erwachsen. Aber Regisseur Andrew Stanton und seine Mitstreiter beim 3D-Animationsabenteuer „Findet Dorie“ wissen ganz genau, was sie tun: Fast unmerklich bringen sie ihre Themen samt der sanft-unaufdringlichen Botschaft zu den Werten von Familie, Freiheit und Freundschaft auf einen zeitgemäßen Stand und beeindrucken darüber hinaus mit tollen, sympathischen Figuren und einer entwaffnenden Emotionalität.

    Die erfolgreiche Suche von Clownfisch-Vater Marlin (Stimme: Albert Brooks) nach seinem verlorenen Sohn Nemo (Hayden Rolence) liegt schon einige Zeit hinter ihnen, aber die vergessliche Paletten-Doktorfisch-Dame Dorie (Ellen DeGeneres), die Marlin einst unterstützt hat, muss immer noch ohne ihre Eltern auskommen. Dorie leidet unter hartnäckigem Kurzzeitgedächtnisverlust. Manchmal vergisst sie schon am Ende einer Unterhaltung, worüber am Anfang geredet wurde. Trotzdem gibt Dorie die Suche nach ihren Eltern Charlie (Eugene Levy) und Jenny (Diane Keaton) nicht auf, bei der sie von Marlin und Nemo begleitet wird. Als sich dem Doktorfisch immer wieder kurze Erinnerungsfetzen an die Morro Bay in Kalifornien ins Gedächtnis brennen, machen sich die Freunde auf den gefährlichen Weg. Sie landen beim Marine Life Institute, einem Meerestierpark, wo kranke Ozeanbewohner gesundgepflegt werden. Der einheimische Oktopus Hank (Ed O’Neill) bietet sich als Parkführer an…

    Die allerwichtigste Zutat eines Filmvergnügens für die ganze Familie hat Regisseur Andrew Stanton, der zwischenzeitlich für „WALL-E“ seinen zweiten Oscar gewann und 2012 mit „John Carter“ ein aufsehenerregendes Realfilmdebüt absolvierte, auch in den langen Jahren nach „Findet Nemo“ nicht vergessen: viel Herz! Das zeigt sich schon im Prolog mit Baby-Dorie und ihren Eltern. Der kleine Doktorfisch leidet bereits unter dem prägnanten Kurzzeitgedächtnisverlust im „Memento“-Stil und wird in dieser durchaus traurigen Sequenz praktisch zum Waisenkind. Das Publikum kann emotional sofort „andocken“, zugleich werden auf überaus einfache und effektive Weise die Grundsteine für die Handlung bis zum Finale gelegt. Die Stimmung wird dabei nur ganz kurz eingetrübt, denn Dorie ist eine dauerhaft fröhliche Person, die einfach jeder mögen muss. Und schon allein dadurch dass die beliebte „Findet Nemo“-Nebenfigur hier zur Protagonistin aufsteigt, während der damalige Titelheld und sein Vater Marlin weniger Leinwandzeit erhalten, bekommt „Findet Dorie“ etwas erzählerische Frische.

    Nachdem sich die Dreier-Combo Dorie, Marlin und Nemo auf ihre Reise begeben hat, kommen bei flottem Erzähltempo immer mehr neue Figuren hinzu. Und die sind Volltreffer. Besonders der siebenarmige Oktopus Hank ist eine echte Bereicherung, seine sensationellen Chamäleon-Tarnfähigkeiten bescheren dem Film seinen besten Running Gag: Wenn Gefahr oder Entdeckung droht, dann wächst Hank auf aberwitzige Weise mit seiner Umgebung zusammen. Das bringt immer wieder Lacher. Auch Belugawal Bailey (Ty Burrell), dessen Navigationsecho gestört ist, und der kurzsichtige Walhai Destiny (Kaitlin Olsen), sind als Sidekicks gut gewählt – auch sie sind liebenswert und sorgen für amüsante Situationen. Die Drehbuchautoren Stanton und Victoria Strouse („Tinker Bell“) lassen sich aber nicht nur bei der Figurenzeichnung einiges an verrückten Details einfallen: Wenn plötzlich die Stimme von „Alien“-Ikone Sigourney Weaver („Avatar“) als Intercom-Sprecherin des Meeresparks („Hello, I’m Sigourney Weaver …“) ertönt, um Hinweise für die Besucher durchzusagen, dann wird dieser (selbst-)ironische akustische Auftritt zu einem komischen Dauerbrenner und die Tiere nehmen immer wieder Bezug auf Weaver, die zu einer Art göttlicher Stimme des Parks avanciert.

    Für einen echten Bösewicht gibt es in dieser Geschichte keinen Platz, dafür geraten die Wassertiere gelegentlich in brenzlige Situationen außerhalb ihres Elements, was für ein wenig nicht allzu bedrohliche Spannung sorgt. Langweilig wird es trotzdem nie, vor allem fürs Auge gibt es jede Menge Staunenswertes zu entdecken, denn die makellosen, farbenprächtigen 3D-Animationen sprühen vor Detailreichtum. Generell befinden sich Bildgestaltung, Design, Ton, Schnitt und die Musik von Thomas Newman („American Beauty“, „Die Verurteilten“) bei „Findet Dorie“ auf allerhöchstem Niveau, wie wir es von Pixar gewohnt sind. Etwas irritierend ist auf den ersten Blick nur der Titel des Films selbst, denn nach Dorie wird hier ja gar nicht gesucht. Vielmehr geht es in erster Linie darum, ihre Eltern zu finden – es müsste also eher „Findet Dories Eltern“ heißen, aber das klingt zugegebenermaßen sehr umständlich und die Analogie zu „Findet Nemo“ ist natürlich verführerisch. So muss man sich für „Finding Dory“ schon eine schwer übersetzbare Bedeutung im übertragenen Sinne zurechtlegen, aber wer sagt, dass der Film eben auch von der (Selbst-)Findung Dories und ihres wahren Ichs handelt, der liegt sicher nicht falsch,

    Fazit: Andrew Stantons „Findet Dorie“ ist ein rührender Animationsfilm für die ganze Familie – Herz, Humor und eine perfekte technische Umsetzung verbinden sich zu einem tollen Filmerlebnis.

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