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    Married Life
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Married Life
    Von Christian Schön

    Drum prüfe, wer sich ewig bindet. Das heilige Sakrament der Ehe sieht gemeinhin nicht vor, dass sich dem ewigen Bund, der gefühlsmäßigen Schwankungen und Gewöhnungseffekten unterworfen ist, die wahre Liebe in den Weg stellt. Beziehungsweise, die Ansprüche, die die Ehe an die Willigen stellt, fordert in so einem Fall, dass dem Versprechen Treue zu halten, Folge geleistet wird. Doch was tun, wenn nach 20 oder mehr Jahren Ehe, die wirklich echte wahre Liebe im Leben auftaucht, für die man bereit ist, alles, was bisher eigentlich ganz in Ordnung war, zu opfern? Was sich anhört wie die Ausgangskonstellation für eine seichte Liebestragödie aus dem beginnenden 19. Jahrhundert, ist tatsächlich der Grundkonflikt von Ira Sachs „Married Life“. In diesem lässt er die Hollywoodwelt der 50er Jahre wiederaufleben und verbindet den gesellschaftlichen Konflikt geschickt mit einer Mordgeschichte. Nachdem Sachs mit dem Drama „Forty Shades Of The Blue“ 2005 zum ersten Mal in seiner Karriere auf Festivals Erfolg verbuchen konnte, zeigt er sich bei seinem nächsten Werk „Married Life“ schon als routinierter Handwerker. Doch trotz des tadellosen Äußeren krankt der Film im Inneren, um in der Metapher zu bleiben, am Herzen.

    Eigentlich ist alles in bester Ordnung. Harry (Chris Cooper) und Pat (Patricia Clarkson) führen eine gut funktionierende Ehe; Harry ist erfolgreich im Geschäft. Mit einem Satz: Alles könnte für immer so weitergehen. Doch hat Harry sich unsterblich in die sehr viel jüngere Superblondine Kay (Rachel McAdams) verliebt. Eine einfache Scheidung von Pat kommt für Harry allerdings nicht in Frage. Seine Angst, Pat, ohnehin leicht labil, damit zu stark zu verletzen, hält ihn zurück. In dieser Zwickmühle gefangen, offenbart er sich seinem besten Freund Richard (Pierce Brosnan). Als Richard im Verlauf dieses Treffens Kay kennen lernt, hat er nur noch einen Gedanken: Er will mit Kay zusammen sein. Also setzt er nun alles daran, sich zwischen Harry und Kay zu drängen. Sein Plan ist, die Bande der Ehe zwischen Harry und Pat so zu stärken, dass eine Trennung ausgeschlossen ist. Beiden versucht er deshalb ins Gewissen zu reden. Durch Zufall findet er dabei heraus, dass auch Pat einen sehr viel jüngeren Liebhaber (David Wenham) hat. Nachdem nun fünf Parteien im Spiel sind, ist klar, dass einer leer ausgehen muss. Ohne jemanden darüber zu informieren, hat indessen Harry, von der Affäre seiner Frau und den Avancen seines besten Freundes nichts wissend, beschlossen, Pat umzubringen. Währenddessen kommen sich aber auch Kay und Richard immer näher…

    Die Aufmachung des Films, das äußere Kleid, ist eine Hommage an das Hollywoodkino der 40er und 50er Jahre. Bei der Gestaltung wurde dabei bis ins kleinste Detail ein erstaunlicher Perfektionismus angelegt, der keine Kritik zulässt: Cast, Szenenbild, Kostümbild, Soundtrack, Produktionsdesign, es wird sogar in einem fort geraucht. Bei der Besetzung fällt vor allem Pierce Brosnan besonders positiv auf. In seiner Rolle als Richard wirkt er so authentisch aus dieser Zeit, dass er mit seiner charmant aufsässigen Art auch die meisten Lacher auf seiner Seite verbuchen kann. Aber weshalb wird nun, angesichts des Themas, genau diese Zeit zu neuem Leben erweckt? Ein möglicher, sehr nahe liegender Grund ist die persönliche Vorliebe des Regisseurs Ira Sachs. Dieser hat schon mehrfach geäußert, dass seine ästhetischen Vorbilder dieser Zeit entspringen. Doch neben der Dimension erhebt sich sogleich auch die politische. Der extreme Konservativismus der wirtschaftlichen Blütezeit, lässt durchaus Parallelen zur heutigen Situation zu. Doch verlangt dieser Vergleich beim Publikum einigen guten Willen, um letztgenanntes Argument als wirklich ausschlaggebend gelten zu lassen. Ein solcher Vergleich hinkt vor allem deswegen, weil der Film völlig ungebrochen das Bild der vergangenen Zeit beschwört, so dass der Versuch einer Aktualisierung mehr der Gewohnheit, Filme so lesen zu wollen, entspringt.

    Wie schon kurz angedeutet, wartet „Married Life“ mit einer Starbesetzung auf. Neben dem erwähnten Pierce Brosnan (Mord und Margaritas, James Bond 007 - Stirb an einem anderen Tag, James Bond 007 - Der Morgen stirbt nie), der, nachdem er als James-Bond-Darsteller ausgedient hat, im Bereich der leichten Unterhaltung seine Erfüllung zu finden scheint, sind hier wahre Größen zu bestaunen: Oscarpreisträger Chris Cooper (American Beauty, Capote, Adaption) sind die raren spannenden Momente im Film zu verdanken, da er im Vergleich zu den anderen Figuren, dem Ehemann Harry ein wenig mehr psychologische Tiefe verleiht. Ähnlich wie Brosnans Richard wirken die Frauenfiguren Pat und Kay wie aus einem Film der Goldenen Ära entsprungen. Patricia Clarkson (Lars und die Frauen, Good Night, And Good Luck) schafft dabei die schauspielerische Grätsche, sowohl die kränkliche, aber treue Ehefrau als auch die wilde Liebhaberin zu verkörpern. Die wohl interessanteste Gestalt wird jedoch von Rachel McAdams (Die Hochzeits-Crasher, Die Familie Stone, Red Eye), alias Kay, gespielt. Sie ist die Unberührbare, die Geliebte, die Unschuldige, der gebrochene Engel, die Femme Fatale, Objekt der Begierde und ihrem Wesen nach ganz passiv, und wirkt damit ein wenig wie die frühe Marilyn Monroe. Dem allem zugute kommen die ausgefeilten Dialoge mit viel Wortwitz und Situationskomik.

    Um nicht zu sehr der Lobhudelei zu verfallen, sei an dieser Stelle nicht unterschlagen, dass dem Film, trotz allem handwerklichen Geschick von allen Seiten, ein Makel anhaftet. Gute Geschichten beruhen meist auf dem Schema, dass der Held mehr und mehr auf einen Punkt zusteuert, an dem er eine Entscheidung treffen muss, die alles Weitere bestimmt. Je mehr Konflikte sich um seine Gestalt versammeln, desto spannender und emotionsgeladener wird der Moment der Entscheidung. In „Married Life“ wird man in dieser Hinsicht auf zweierlei Weise enttäuscht: Zum einen fehlt dieser Held, mit dem man sich als Zuschauer identifizieren kann. Ein richtiger Einstieg in die Story wird im Grunde genommen verwehrt. Die Figuren sind keine Charaktere, sondern im wahrsten Sinne Figuren auf einem Spielfeld. Alles läuft zu automatisiert, in engen Bahnen ab. Zwar lebt der Film zu einem gewissen Teil auch von dieser oberflächlichen Leichtigkeit, die daraus entsteht. Jedoch geht damit auch eine Unterkühltheit einher, die „Married Life“ nicht wirklich gut steht. Das zweite, wichtigere Problem betrifft den Moment der Entscheidung, der, kurz gesagt, nicht vorhanden ist. Alle Beteiligten handeln nur fremdbestimmt; reagieren auf äußere Gegebenheiten, ohne dem etwas entgegen zu setzten. Normalerweise bleibt so ein Verhalten auf wenige Figuren beschränkt. Im klassischen Kino wäre wahrscheinlich die blonde Kay die erste Wahl gewesen. Aus dem Kontrast, der so entsteht, heben sich der Held und seine Taten vom Rest der Handlung ab.

    Um den impliziten Vorwurf der Langeweile ein wenig zu mildern, sei dem Drehbuch attestiert, dass im Ganzen gesehen die einzelnen Stränge der Erzählung durchaus klug zusammengeführt sind. Sogar am Rhythmus, mit dem erzählt wird, gibt es nichts zu makeln. Damit aber ein großes Werk aus einem Guss entstehen kann, gehört eben mehr dazu als bloß gutes handwerkliches Geschick. Leichte Unterhaltung, wenn auch keine packende, bietet „Married Life“ so in jedem Fall. Dazu ist diese optisch brillant dargeboten und darstellerisch ein Genuss.

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