"Brautalarm": Darum sind Frauen die besseren Proleten!

Von Christoph Petersen & Stefan Geisler

Bisher galt schlechtes Benehmen in Hollywood als rein männliches Privileg. Während man(n) nach einer durchzechten Nacht ohne sonderlich schlechtes Gewissen in seinem Erbrochenen aufwachte, kam so ein Verhalten – zumindest im Kino – für eine Frau auf keinen Fall in Frage. Jetzt, wo Leinwand-Junggesellenabschiede dank dem gigantischen Erfolg von „Hangover“ schwer angesagt sind, ist es jedoch ausgerechnet Macho-Produzent Judd Apatow („Beim ersten Mal“, „Nie wieder Sex mit der Ex“), der mit der von ihm produzierten Komödie „Brautalarm“ die bisherigen Grenzen einreißt. Plötzlich sind es Frauen, die mit hanebüchenen Flatulenz-Attacken die Lacher ernten und hilflose Männer mit dummdreisten Anmachsprüchen bedrängen. Und das Beste daran: „Brautalarm“ reicht vielleicht nicht ganz an „Hangover“ heran, aber zumindest das Sequel „Hangover 2“ steckt die weibliche Variante locker in die Tasche und sichert sich so den Titel als lustigste Gross-Out-Komödie des Jahres.

Während uns "Brautalarm" wirklich positiv überrascht hat, waren wir von "Hangover 2" eher enttäuscht.

In der Erfolgsserie „Gilmore Girls“ war sie noch die knuddelig-liebenswürdige Köchin Sookie St. James, in „Brautalarm“ verkörpert Komikerin Melissa McCarthy nun hingegen die brachiale Brautjungfer Megan, die als schlagfertige Geschäftsfrau genügend Geld angehäuft hat, um sich jetzt nur noch ihrem liebsten Hobby zu widmen: der Männerjagd. Ohne jede falsche Scham schmeißt sie sich im Flugzeug an ihren Sitznachbarn ran, den sie für einen Air-Marshal hält, egal wie oft er auch beteuert, er sei sicher nur ein ganz normaler Passagier. McCarthy stiehlt so zwar praktisch jede Szene, in der sie auftritt, trotzdem bleibt die eigentliche Attraktion „Saturday Night Live“-Heroine Kristen Wiig, die außerdem noch das Drehbuch zu „Brautalarm“ beigesteuert hat. Es ist zugleich fürchterlich und urkomisch, ihr dabei  zuzusehen, wie sie sich als mit den Hochzeitsvorbereitungen und ihrem eigenen Leben total überforderte Trauzeugin immer tiefer in ein Meer der Peinlichkeiten hineinmanövriert und schließlich sogar aus Trotz eine metergroße Keksdekoration anknabbert.

Wenn die Braut im Hochzeitskleid nach dem Besuch eines mexikanischen Restaurants mit fragwürdigen Hygienemaßstäben mitten auf der Straße vor Schaulustigen auf den Boden kackt, scheint eigentlich alles über einen Film gesagt. Aber offenbar sind Frauen nicht nur im Alltag, sondern auch auf der Kinoleinwand eher zum Multitasking fähig als ihre männlichen Kollegen. Denn selbst wer „Hangover 2“ noch ganz lustig fand, wird wohl kaum behaupten, mit den Charakteren sonderlich mitgefühlt zu haben. Bei „Brautalarm“ ist das anders. Da können die Heldinnen in der einen Szene dem tiefsten Toiletten-Humor frönen und trotzdem interessiert sich das Publikum in der nächsten noch dafür, was in den Figuren gerade vorgeht. Gross-Out-Gags und Freundinnen-Komödie in einem – bei „Brautalarm“ geht zusammen, was eigentlich gar nicht zusammen gehen kann.

Bei einem US-Einspielergebnis von 162 Millionen Dollar bei einem Budget von gerade einmal 32,5 Millionen ist „Brautalarm“ die Box-Office-Überraschung der Saison. Und Hollywood wäre nicht Hollywood, wenn ein solcher Erfolg nicht Begehrlichkeiten wecken würde. Also ist gerade jeder Studio-Chef fieberhaft damit beschäftigt, die nächste weibliche Proleten-Hit-Comedy aufzutun. Die besten Chancen hat dabei wohl die für 2013 angekündigte Komödie „The To Do List“ mit Rachel Bilson, Bill Hader und Andy Samberg, in der Aubrey Plaza („Parks And Recreation“) eine High-School-Schülerin spielt, die das Gelübde ablegt, noch vor dem College jede erdenkliche Sexpraktik zumindest einmal ausprobiert zu haben. Das Drehbuch von Maggie Carey ist schon seit 2009 im Umlauf, die Umsetzung scheiterte bisher allerdings immer daran, dass die Autorin darauf besteht, selbst die Regie zu übernehmen. Doch in der Ära nach dem Erfolg von  „Brautalarm“ scheint diese Bedingung wohl kaum noch einem Studio als erwähnenswerter Hinderungsgrund…

"Brautalarm" startet am 21. Juli 2011 in den deutschen Kinos.