Die FILMSTARTS-Kinotipps der Woche (28. Mai bis 4. Juni)

Film der Woche: "Wer ist Hanna?"

Wer Joe Wrights neuen Film „Wer ist Hanna?“ auf ein Genre festnageln will, wird sich die Zähne ausbeißen. Nicht einmal der Regisseur wollte sich im FILMSTARTS-Interview festlegen. Action, Thriller, Drama, Coming-of-Age, Märchen… Unser Film der Woche ist all das und noch viel mehr. Wright („Stolz und Vorurteil“, „Abbitte“) rehabilitiert sich mit seinem Husarenstück für das schwülstige Obdachlosen-Drama „Der Solist“, mit dem der Brite bösen Schiffbruch erlitt. Hanna (Saoirse Ronan) wächst abgeschirmt von der Außenwelt in der Wildnis Finnlands bei ihrem Ex-CIA-Vater (Eric Bana) auf und wird von ihm zur perfekten Tötungsmaschine hochgezüchtet. Mit 16 Jahren verlässt sie den sicheren Hort, um ihre Erzfeindin Marissa Wiegler (Cate Blanchett) zu eliminieren. „Wer ist Hanna?“ ist ein innovatives Prügelballett, das kongenial Arthouse und Action zusammenmixt und von einem treibenden Score der Chemical Brothers befeuert wird.

"Waste Land"

Lucy Walkers hervorragende Kunstdokumentation „Waste Land“ widmet sich dem Wirken des brasilianischen Materialkünstlers Vik Muniz. Drei Jahre lang begleitete die Regisseurin mit ihrem kleinen Team den Künstler, der Teile einer Mülldeponie in Rio de Janeiro in einem ehrgeizigen Projekt in Kunst transformieren wollte. Walker entfacht eine wahre Bilderflut, die nicht mit dem sozialdokumentarischen Anspruch kollidiert. „Waste Land“ ist intensiv, ambitioniert und optisch ausfeilt. Unser Doku-Tipp der Woche.

"I Phone You"

Ein erfrischendes Filmdebüt legt der Chinese Dan Tang mit seiner romantischen Komödie „I Phone You“ vor. Kein Wunder: Das Drehbuch stammt immerhin von Autorenlegende Wolfgang Kohlhaase („Solo Sunny“), der humorvolle, smart-unterhaltsame Dialogzeilen beisteuert. Die hübsche Chinesin Ling (Jiang Yiyan) reist ihrem Freund Vong (Aaron Hong Le) von China nach Berlin nach. Doch in Deutschland abgekommen, wird Ling erst einmal von Vongs Handlanger Marco (Florian Lukas) abgefangen, in ein Hotel abgeschoben und von ihrem Geliebten ferngehalten. Was dahinter steckt,  erzählt Regisseur Tang in lockerem Stil und mit glänzend aufgelegten Darstellern.

Was sonst noch läuft:

"Der Biber"

Mel Gibson ist durch seine privaten Aussetzer in Hollywood geächtet, aber seine Weggefährtin Jodie Foster, mit der er 1994 zusammen die Western-Komödie „Maverick“ drehte, hält weiterhin wacker zu dem als schwierig geltenden Superstar. Für die Qualität eines Films ist Gibsons Privatleben ohnehin irrelevant. Jodie Foster, die bei ihrem Familiendrama „Der Biber“ neben einer Hauptrolle auch die Regie übernimmt, inszeniert Gibson als schwerst depressiven Walter Black, der über eine im Müll gefundene Biber-Handpuppe erstmals seit langer Zeit wieder kommunikationsfähig wird. Doch wächst diese „Krücke“ beunruhigend schnell zur eigenständigen und ausgesprochen dominanten Persönlichkeit heran. Selbst wenn „Der Biber“ komisches Grundpotenzial aufweist, wächst die Erzählung mehr zu einem traurigen Ehedrama aus und berührt durch starke Schauspielleistungen und einen sensiblen Umgang mit dem schwierigen Thema Depression.

"Pirates Of The Caribbean: Fremde Gezeiten"

Mit „Fluch der Karibik“, „Pirates Of The Caribbean: Fluch der Karibik 2“ und „Pirates Of The Caribbean - Am Ende der Welt“ generierte Star-Produzent Jerry Bruckheimer weltweit knapp 2,7 Milliarden Dollar an der Kinokasse. Aber trotz dieser phantastischen Zahlen machte sich mit Teil 2 und 3 des Piraten-Abenteuers ein leichtes Murren im Publikum breit, dass im Gewirr der ausufernden Handlungsstränge am Ende keiner mehr so richtig wusste, wer eigentlich warum und wofür wohin unterwegs war. Dieser Malus ist in „Pirates Of The Caribbean: Fremde Gezeiten“ behoben. Regisseur Rob Marshall („Chicago“, „Nine“), der Gore Verbinski („Rango“) ersetzt, entschlackt das Franchise mit seiner Erzählung und lenkt sie auf ein eindeutiges Ziel: Alle wollen zum Jungbrunnen! Captain Jack Sparrow (Johnny Depp), die Piraten-Kapitäne Blackbeard (Ian McShane) und Barbossa (Geoffrey Rush), aber auch Blackbeards Tochter, die heißblütige Spaniern Angelica (Penélope Cruz), mischen mit. „Fremde Gezeiten“ ist klassisches Abenteuer-Kino - diesmal auch in 3D.

"Scream 4"

„Was ist dein Lieblingshorrorfilm?“ Eine Antwort auf diese Frage sollte man möglichst immer parat haben… sonst kann’s ungemütlich werden. 1996 revolutionierte „Nightmare on Elm Street“-Regisseur Wes Craven das Horrorgenre mit seiner ironischen Slasher-Orgie „Scream“. Zwei erfolgreiche Fortsetzungen folgten und Gerüchte um einen weiteren Nachfolger hielten sich in Hollywood über Jahre. Doch erst jetzt bringt Wes Craven mit „Scream 4“ ein zeitgenössisches Update in die Kinos, das die Qualität des Originals zwar nicht ganz erreicht, aber trotzdem clever genug ist, um die meisten Nach-Scream-Epigonen ziemlich alt aussehen zu lassen. Im neuesten Sequel kehrt Sidney Prescott (Neve Campbell) nach Woodsboro zurück, um ein Selbsthilfe-Buch vorzustellen – und just in dem Augenblick beginnt eine neue Mordserie in der verschlafenen Kleinstadt…