Hochglanz vs. Hinterhof - Berlin in den Augen von Hollywood

Das Berlin aus "Wer ist Hanna?" und "Unknown Identity"

Mit Joe Wrights „Wer ist Hanna?“ kommt am 26. Mai nach Jaume Collet-Serras „Unknown Identity“ bereits der zweite Genre-Kracher des Jahres in die deutschen Lichtspielhäuser, der zu wesentlichen Teilen auch in Deutschland gedreht wurde. Genauer gesagt: in der schrecklich-schönen Hauptstadt Berlin. Interessant ist daran weniger der Standort Berlin – im Studio Babelsberg wird schließlich ständig internationales Kino wie zuletzt etwa Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds" oder Roman Polanskis "Der Ghostwriter“ produziert. Bemerkenswert ist vielmehr, dass Wrights Berlin-Impressionen eine direkte Antithese zu denen aus Jaume Collet-Serras Thriller-Sause mit Liam Neeson darstellen. Ein ähnlich starker Kontrast bestand zuletzt zwischen Woody Allens „Vicky Cristina Barcelona“ und Alejandro González Iñárritus „Biutiful“: Allens Barcelona ist eine in warmes Sonnenlicht getauchte und vor satten Farben strahlende Stadt der Leidenschaft, ein Postkarten-Mekka für Allen-typische liebenswürdig-hysterische Käuze. Iñárritus Barcelona ist ein Slum, eine düstere Halbwelt voller Schmerz und Verzweifelung, eine Vorstufe zur Dante’schen Hölle. Und in beiden Filmen war es Javier Bardem, der den zwei Filmemachern als personifizierte Seele ihrer distinguierten Barcelonas zur Seite stand.

Liam Neeson genießt in "Unknown Identity" eine schöne Zeit im verschneiten Berlin... noch!

„Wer ist Hanna?“ und „Unknown Identity“ sind zwar nicht durch eine Personalie verknüpft, bebildern aber ebenfalls zwei extreme Deutungen ein und derselben Stadt. Auch hier wird eine zentrale Frage der Auseinandersetzung mit Großstädten je nach Erzählperspektive eindeutig beantwortet: Würde man da leben wollen? Collet-Serras Vision von Berlin könnte als Tourismus-Prospekt durchgehen. Sein stetiger Strom von Hochglanz-Bildern wird nicht einmal durch den Aufenthalt der Hauptfigur Dr. Martin Harris (Liam Neeson) in der ärmlichen Wohnung seiner unfreiwilligen Weggefährtin Gina (Diane Kruger) unterbrochen. Denn die Behausung der nur knapp über dem Existenzminium lebenden Taxifahrer-Migrantin ist so gemütlich eingerichtet, dass sich dort selbst der hochdekorierte US-Akademiker Harris pudelwohl fühlt. In Collet-Serras Berlin zählt die Persönlichkeit, die den Raum mit Charme und Grazie ausfüllt – dass die Rückseite dieser Filmstadt genau so schick wie ihre Vorderseite ist, dürfte zumindest der Berliner Tourismus-Branche besonders gut an „Unknown Identity“ gefallen haben.

Ein prähistorisches Berlin: Saoirse Ronan in "Wer ist Hanna?".

Im harten Gegensatz dazu steht das Berlin aus „Wer ist Hanna?“, das keinen schönen Schein kennt, das nur aus verdreckt-heruntergekommenen Bahn- und Hinterhöfen zu bestehen scheint und in dessen Herzen eine unheimliche Märchenpark-Ruine liegt. Die Kulisse des 2001 aufgegebenen Spreepark Treptow-Köpenick dient Wright vor allem dazu, Heldenreise und Seelenzustand seiner Protagonistin Hanna (Saoirse Ronan) zu bebildern. Hanna und ihre Nemesis Marissa Wiegler (Cate Blanchett) duellieren sich hier zwischen Hexenhäuschen und Wolfsschlund in einer so unwirtlichen wie unwirklichen Wildnis, die das Action-Drama unserer Alltagswelt ein ganzes Stück weit enthebt – nicht umsonst nennt Wright David Lynch („Lost Highway“), den Papst des Surrealen, als große Inspirationsquelle. Über die Geschichte des Spreepark – Schauplatz eines wirtschaftlichen Desasters – hat Peter Dörfler übrigens den Dokumentarfilm „Achterbahn“ gedreht. Im Juni 2009 traf FILMSTARTS den Regisseur zum Gespräch inmitten dieser mysteriösen Kulisse: zum Interview mit Fotogalerie.

FILMSTARTS vor Ort: Der Spreepark, einer der schönsten Drehorte von "Wer ist Hanna?".

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