Depperte Terroristen: Verharmlosung oder Geniestreich?
von Christoph Petersen & Jan Hamm ▪ Sonntag, 17. April 2011 - 21:00

In unserem Pro/Kontra-Special streiten sich die FILMSTARTS-Redakteure Jan Hamm und Christoph Petersen zum Kinostart von "Four Lions", ob es wirklich eine gute Idee ist, Terroristen als Knallchargen darzustellen oder ob es nicht viel sinniger wäre, gleich ihre ganze Ideologie ad absurdum zu führen.

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Terroristen sind keine Witzfiguren!

 

Von Jan Hamm

 

Die Protagonisten der Terroristen-Klamotte „Four Lions“ wären gerne Löwen, sind aber bloß islamistische Suizid-Bomber. Bloß? Ja, bloß! Denn diese Gestalten muss bestimmt niemand fürchten, so bescheuert wie sie hat sich schließlich noch niemand beim Jihad angestellt. Eher jagen sie sich selbst in die Luft, als dass sie auch nur einen Ungläubigen erwischen würden. Im Westen lachen wir inzwischen über alles, selbst über Adolf Hitler wurde in „Der große Diktator“ in den USA schon herzhaft hergezogen, als der Führer in Europa noch Millionen von Menschen vergaste. Mit seiner Gratwanderung zwischen purem Slapstick und präziser Faschismus-Analyse gelang Charlie Chaplin ein Meisterstück politischer Satire. Da lachte die Welt zu Recht. Aber reicht es auch schon aus, ein paar vertrottelte Jihadisten zu zeigen, die sich aus purem Unvermögen selbst in die Luft sprengen? Welche Einsichten erlaubt diese Herangehensweise denn schon? In „Four Lions“ wird nicht wie in „Der große Diktator“ eine verquere Ideologie parodiert, stattdessen entpuppt sich der Film als Slacker-Komödie, deren Protagonisten nur deshalb mit Sprenggürteln herumrennen, weil sie nichts Besseres mit sich anzufangen wissen.

 

Die depperten Terroristen aus "Four Lions" suchen nach Ungläubigen zum Wegbomben.

 

Das ist meilenweit entfernt von einer ergiebigen Auseinandersetzung, sondern eine satte Trivialisierung und unangebrachte Verharmlosung. Dabei hat die britische Komiker-Garde Monty Python mit „Das Leben des Brian“ doch längst vorgemacht, wie man Terrorismus humoristisch entkleidet. Die Volksfront von Judäa scheitert hier nämlich nicht in erster Linie deshalb so grandios an ihrem Umsturzversuch, weil sie nur aus Vollpfosten bestünde (was natürlich nichtsdestotrotz der Fall ist), sondern weil sie immer wieder an der klaren Ausformulierung der eigenen Ideologie scheitert:

 

 

Sich über Menschen lustig zu lachen, die sich selbst in die Luft jagen, um andere gezielt ins Verderben zu reißen, ist nicht erhellend, sondern schlicht zynisch. Mit der Behauptung, Terroristen seien eben bloß zu debil, um es besser zu wissen, wird der Schrecken ihrer Taten bagatellisiert. Statt die Möglichkeit zu nutzen, die Widersprüchlichkeiten islamistischer Radikalität aufzudecken (immerhin wird im Koran vom Heiligen Krieg genauso gepredigt wie vom Respekt gegenüber Andersgläubigen), beschränkt sich Regisseur Chris Morris in „Four Lions“ lieber auf eine oberflächliche Sketchparade. Was geht einem Al-Qaida-Schergen bloß durch den Kopf, wenn er zum Erreichen seines Ziels auf ein von der CIA gesponsertes Waffenarsenal zurückgreifen muss? Ein guter Filmemacher hätte mit solchen Widersprüchen gespielt. Bei jemandem, der die bittere Ironie und satirischen Steilvorlagen nicht erkennt, kommt hingegen so etwas heraus:

 

 

Uwe Bolls „Postal“ ist keinen Skandal wert. Dafür ist die selbstverliebte Provokation viel zu plump und durchschaubar geraten. Chris Morris spielt inszenatorisch freilich in einer ganz anderen Liga – trotzdem ist „Four Lions“ ebenso unergiebig zynisch und damit verzichtbar wie „Postal“. Einfach nur zu Lachen hilft nicht, wir müssen dabei immer auch einen klaren Blick für die Bedrohungen und Absurditäten unserer Zeit beibehalten. Diesen lassen „Four Lions“ und seine Terroristen-Clowns aber leider konsequent vermissen. Das führt soweit, dass selbst eine keineswegs komödiantisch angelegte Thriller-Serie wie „24“ den scharfsinnigeren Humor beweist. Im Echtzeit-Spektakel um US-Agent Jack Bauer (Kiefer Sutherland) sind die islamistischen Terrorzellen nämlich generell nicht in der Lage, die geopolitischen Auswirkungen ihrer Taten zu begreifen, weshalb sie schlussendlich trotz all ihrer hochtrabenden Revoluzzer-Rhetorik allenfalls Schachfiguren im Machtspiel grauer Eminenzen darstellen. Das ist bitterböse Ironie, die eine Erkenntnis erlaubt, die beim puren Zynismus von „Four Lions“ ausbleibt. Man darf über alles lachen, keine Frage. Aber gerade deshalb sollten wir aufpassen, ob wir mit unserem Humor ernste Probleme mit postmoderner Gleichgültigkeit einfach wegwischen (siehe: „Four Lions“) – oder ob wir durch hintergründige Satire erst damit beginnen, die richtigen Fragen zu stellen (siehe: „Das Leben des Brian“).

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Kommentare

  • Fain5

    Ihr habt vergessen, dass Nazis im Film auch sehr oft als unterbelichtet und hirnlose Dummies dargestellt werden. Und da stört es auch keinen.

  • Fain5

    Zudem ist er ja nicht der erste Film, der "Terroristen" in guter Slapstickmanier aufs Korn nimmt:

  • Mr.Red

    Seit Jahrzehnten wird sich doch über die Arabisch-Aussehenden-Terroristen lustig gemacht. Es werden einfach nur jetzt ein paar Details Zeitgemäß geändert.
    Daraus zu schließen ist ganz einfach, ja warum nicht. Es wird sich über alles lustig gemacht. Die Russen oder andere Ost-Block Staaten müssen sich auch damit abfinden, sehr sehr oft als Schurken abgestempelt zu werden :D

  • Luphi

    Was soll denn die Diskussion jetzt überhaupt? Über Hitler und die Nazis werden auch Witze gemacht. Stört das einen? Mich jedenfalls nicht. Gerade über solche Personen muss man sich lustig machen.

  • Bjoerg

    also ich freue mich sehr auf four lions, habe mich schon beim trailer totgelacht... über inglourious basterds konnten wir doch auch alle lachen, da wurde hitler auch als lachfigur dargestellt...

  • TheBale

    Mich beschäftigt viel mehr, ob das Wort "deppert" in Deutschland tatsächlich verwendet wird?

  • Quickmix

    Top Entertainment Movie!

  • Brayne

    Humor ist wie Musik. Was der eine als legendär gut bezeichnet, geht dem anderen völlig ab. Warum sollte man nicht über arabische Terroristen lachen? Vor dem 11. September gab es sie auch schon. Und als damals James Cameron´s "True Lies" rauskam, hat sich auch niemand darüber aufgeregt. Jeden Tag sterben auf der Welt Unschuldige durch die Hand böser Menschen. Und diese Tatsache soll auch weder verharmlost noch vergessen werden. Doch wenn wir sagen würden, dass die filmische Veralberung von fiktiven bösen Menschen generell pietätlos gegenüber realen Opfern ist, dann müssten wir mit dieser Diskussion schon bei den Trottelgangstern aus "Ladykillers" ansetzen. Denn dieser Komödien-Klassiker erzählt quasi die gleiche Geschichte wie "Four Lions", nur in einer wesentlich kleineren Dimension.

  • scorch

    @Jan Hamm: es ist doch mittlerweile bewiesen, dass mindestens genauso viele aus reiner Langweile Selbstmordattentäter werden/sind als durch Religion motivierte! von daher ist der Ansatz im Film, dass die Typen aus reiner Langweile und weil sie nichts besseres zu tun haben, auch völlig gerechtfertigt; außerdem geht es in dem Film ja auch darum, zu zeigen, dass die geschürte Angst dur Terroristen völlig fehlgeleitet wird!

  • Laotse

    @scorch: Es ist bewiesen, dass sich Menschen aus Langeweile in die Luft jagen? Hast du den ein oder anderen Link zu einer dementsprechenden Story; oder ein Beispiel einer solchen Story?

  • anaxander

    "Lachend die Wahrheit sagen!"
    Humor ist die beste Waffe!

  • Magellan

    Terroristen sind Dreck und verdienen kein Forum in denen die Hintergründe beleuchtet werden. Die präzise Darstellungen der Anschlagsplanung und Ausführung verhöhnt die Opfer und erzeugt ein "Mitfühlen" und "Nachvollziehen" mit den Tätern! Dislike!

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