Mit der „FILMSTARTS-Perle“ gibt euch jeweils am Sonntag ein FILMSTARTS-Redakteur eine ganz persönliche Film-Empfehlung. Das können übersehene, unbekannte oder unterschätzte Werke genauso sein wie Lieblingsfilme und Guilty Pleasures. In jedem Fall sind es ganz besondere Filme, die das Ansehen und das Wiedersehen lohnen.
Von Andreas Staben
Als „Rendezvous mit Joe Black“ im November 1998 in die amerikanischen Kinos kam, waren die Kritiken vernichtend. Die meisten Rezensenten ließen kein gutes Haar an Martin Brests dreistündigem romantischen Drama und trotz Starbesetzung mit Brad Pitt und Anthony Hopkins blieben auch die Einspielergebnisse zumindest in den USA hinter den Erwartungen zurück. So galt der etwa 90 Millionen Dollar teure Film bald als überlange Fehlkalkulation und gigantischer Flop, auch der mit der Kritik beauftragte FILMSTARTS-Kollege hatte einiges zu bemängeln. Ich persönlich dagegen halte „Rendezvous mit Joe Black“ schlicht für einen der schönsten Filme der 90er Jahre und darum ist er meine Perle der Woche.
Schon immer hatte ich eine Vorliebe für das Gefühlskino und für epische Liebesgeschichten – von Klassikern wie Frank Borzages Stummfilm „Seventh Heaven“, „Casablanca“ mit der unvergleichlichen Ingrid Bergman und „Doktor Schiwago“ bis zu neueren Werken wie „Wie ein einziger Tag“. Auch die berühmten Melodramen von Douglas Sirk („In den Wind geschrieben“, „Was der Himmel erlaubt“) haben es mir angetan, wobei deren Ruf zu einem großen Teil auf der Annahme einer ironischen Distanz des Regisseurs zu seinen Figuren und Themen basiert. Mit dieser Zuschreibung kann ich wiederum nicht so viel anfangen, aber sie ermöglicht es auch Zynikern, die Filme toll zu finden. Für mich muss die emotionale Wucht nicht intellektuell abgemildert werden – im Gegenteil. Ich lasse mich gerne ganz auf die großen Gefühle und Sehnsüchte ein, und genau von denen handelt „Rendezvous mit Joe Black“.
Nie sah der Tod besser aus: Brad Pitt als Joe Black.
Der Tod nimmt eine Auszeit
Kitschig, ziellos, unlogisch, langweilig und schlecht gespielt – das sind einige der Einschätzungen zu meiner Perle, die ich in den vergangenen Tagen gelesen habe. Wahrscheinlich beginnen die Probleme schon mit der Keimzelle der Handlung: Der Tod borgt sich den Körper eines frisch Verstorbenen, um das Leben unter den Menschen kennenzulernen. Als Mentor und Reiseführer wählt er sich jemanden, dessen Stunde auch bald schlagen soll und dem er als Gegenleistung einen Aufschub gewährt. Diese aus Mitchell Leisens Film „Death Takes a Holiday“ von 1934 entlehnte Idee ist hier weder der Anlass für ein esoterisches Fantasy-Spektakel noch für eine grüblerische Sinnsuche wie in Ingmar Bergmans „Das siebente Siegel“, in dem der Sensenmann auch auftritt. Sondern sie erlaubt es Martin Brest und seinen Drehbuchautoren Ron Osborn, Jeff Reno, Kevin Wade und Bo Goldman einfühlsam von den grundlegenden Dingen zu erzählen: Familie und Freundschaft, Solidarität und Verantwortung, Leben und Tod – und natürlich von der ganz großen Liebe.
Der Tod schlüpft also in die Haut eines gerade ums Leben gekommen Anwalts (Brad Pitt) und gibt sich spontan den Namen Joe Black. Er offenbart sich dem Medienunternehmer Bill Parrish (Anthony Hopkins), der kurz vor seinem 65. Geburtstag steht und dem ungebetenen Gast das Menschliche nahebringen soll, ehe er ihn ins Jenseits begleiten muss. Bill gibt Joe, der jetzt überall dabei ist, im Büro und gegenüber der Familie als „alten Freund“ aus. Bald findet der seltsame Fremde besonderen Gefallen an Bills jüngerer Tochter Susan (Claire Forlani)... In „Rendezvous mit Joe Black“ wird unentwegt über die Dinge des Lebens gesprochen, für die wir nie Zeit haben und für die uns oft die Worte fehlen, auch die Figuren ringen dabei um den richtigen Ausdruck, zögern und tasten sich heran: Bill will Susan den Glauben an die Kraft der Liebe vermitteln, seine andere Tochter Allison (Marcia Gay Harden) sehnt sich nach seiner Anerkennung und jedes Detail der von ihr geplanten Geburtstagsparty für Bill bekommt plötzlich noch eine weitere Bedeutung. Daneben geht es um den Umgang mit Erinnerungen, um Berufsethik und letztlich darum, was ein gelungenes Leben überhaupt ausmacht.
Ein Lob der Langsamkeit
„Himmlische Längen“ attestierte einst der Komponist Robert Schumann der großen C-Dur-Symphonie seines Kollegen Franz Schubert, die mit einer Spieldauer von etwa einer Stunde das Doppelte des damals Üblichen erreichte. Was andere als ermüdend empfanden, die Wiederholungen und Abschweifungen, erkannte Schumann als meisterhaftes musikalisches Verfahren. Himmlische Längen hat auch „Rendezvous mit Joe Black“. Es ist durchaus ein Statement, dass sich Martin Brest in einem Film, der nicht zuletzt von der Vergänglichkeit, also vom Wesen der Zeit selbst handelt, nicht hetzen lässt: Der Regisseur ist bekannt dafür, dass er sehr viele Aufnahmen von jeder Szene macht, immer auf der Suche nach dem Besonderen. Und genauso hält er es als Erzähler und so halten es auch die Hauptfiguren im Film: Gegen das Gebot der Effizienz und Zielstrebigkeit setzen sie die Maxime der Neugier, der Liebe zu dem, was sie tun. Das wird in einem Handlungsstrang, in dem die Rechenkünstler und Profiteure in Bills Medienunternehmen eine lukrative Übernahme samt Zerschlagung einfädeln wollen, ganz explizit zum Thema und ganz wunderbar idealistisch ausformuliert.
Der Tod als Hausgast: Anthony Hopkins und Brad Pitt.
Zu dieser sorgfältig orchestrierten Erzählung gehört neben einer zum Lebensstil eines Milliardärs passenden unaufdringlichen visuellen Opulenz, die die Handschrift von Kameramann Emmanuel Lubezki („The Tree of Life“) und von Produktionsdesigner Dante Ferretti („Gangs of New York“) trägt, auch, dass Ängste und Zweifel keineswegs ausgeblendet werden. Neben Anthony Hopkins, der den todgeweihten und beruflich mit dem Rücken zur Wand stehenden Erfolgsmenschen mit einer bezwingenden Mischung aus Autorität und Demut verkörpert, glänzt vor allem Jeffrey Tambor in einer wunderbaren Nebenrolle als Allisons Ehemann Quince, der mit allerlei menschlichen Nöten ringt.
Der Geschmack der Erdnussbutter
Brad Pitt ist mit seinen blonden Strähnen und seinem sanften Blick der sicherlich bestaussehende Tod, den man sich vorstellen kann. Er zeigt aber auch sein beachtliches und oft unbeachtetes Talent und spielt die schwer greifbare Rolle mit selbstbewusst kontrollierter Unsicherheit. Immer wieder lässt er die Arroganz eines Allmächtigen aufblicken, zugleich ist in seinen Augen aber ständiges Staunen und zunehmend auch die Sehnsucht nach Heimat und nach Menschlichkeit zu erkennen. Wenn er erstmals Erdnussbutter probiert und die Leckerei ungelenk vom Löffel schleckt oder wenn er die Freuden der Zärtlichkeit entdeckt, wirkt er fast wie ein Außerirdischer, der sich selbst in seiner menschlichen Hülle fremd ist und abgeschaute Gesten imitiert.
Die schönste Szene ist vielleicht der Flirt zwischen Anwalt Brad Pitt und Ärztin Claire Forlani im Cafe gleich zu Beginn und das nicht, weil Brest sie mit einem der schockierendsten Unfälle der Filmgeschichte enden lässt. Mitten im Alltagsstress treffen sich zwei Menschen und begegnen sich tatsächlich. Jedes Wort ist das richtige, in Minutenschnelle ereignet sich das Wunder, das man Liebe nennt oder Seelenverwandtschaft. Hier ist Pitt ein unkomplizierter, überaus charmanter und anziehender Traum von Mann, die Verkörperung romantischer Kino-Sehnsüchte. Und die ebenfalls wunderschöne Claire Forlani (deren Karriere leider nie so recht in Gang gekommen ist) kann nicht anders, als ihn zu bewundern. Wenn sie ihn am familiären Essenstisch vermeintlich wiedersieht, beginnt eine der ungewöhnlichsten Liebesgeschichten: Während sie an ihrer Traumvorstellung festhält und in Joe das Bild des Anwalts liebt, verliebt sich Joe wiederum in sie. Wie diese unmögliche Geschichte zu Ende gebracht wird, ist unvergleichlich schön und traurig zugleich – und wenn Israel Kamakawiwo'ole zum Abspann „Over the Rainbow“ und „What a Wonderful World“ zu einem Song kombiniert, dann ist das ein wahres Glaubensbekenntnis.
Nach „Joe Black“ dauerte es übrigens fünf Jahre, ehe Martin Brest einen weiteren Film realisieren konnte. Seine unverstandene Romanze „Liebe mit Risiko“ (IMDb-Durchschnittsnote: 2,4) mit Jennifer Lopez und Ben Affleck ist hervorragend, erlitt allerdings noch schlimmer Schiffbruch als ihr Vorgänger. Nach früheren Erfolgen wie „Beverly Hills Cop“, „Midnight Run“ und „Der Duft der Frauen“ ist einer der interessantesten Hollywoodregisseure damit seit acht Jahren praktisch arbeitslos. „Rendezvous mit Joe Black“ lässt uns sehen, was wir verpassen: gefühl-, gehalt- und hoffnungsvolles Kino mit Mut zum Anderssein.
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