Mit der „FILMSTARTS-Perle“ gibt euch jeweils am Sonntag ein FILMSTARTS-Redakteur eine ganz persönliche Film-Empfehlung. Das können übersehene, unbekannte oder unterschätzte Werke genauso sein wie Lieblingsfilme und Guilty Pleasures. In jedem Fall sind es ganz besondere Filme, die das Ansehen und das Wiedersehen lohnen.
Von Andreas Staben
Wie viele Filmbegeisterte erstelle auch ich gerne Listen aller Art und vergebe Wertungen. Natürlich ist das Ganze letztlich nicht mehr als eine Liebhaber-Spielerei, aber kaum etwas eignet sich besser, um eine lebhafte Diskussion in Gang zu bringen als eine möglichst individuell geprägte Bestenliste. Die akribisch geführten Statistiken dienen zudem als Gedächtnisstützen und als fernes Echo unterschiedlichster Filmerlebnisse. Ähnlich wie die Stecknadeln, mit der man auf einer Landkarte besuchte Orte, aber auch Traumziele kennzeichnet, dienen uns fremde und eigene Vorlieben als Wegmarken eines persönlichen Reiseführers in die Filmgeschichte. Heute möchte ich euch einen ganz besonderen Leuchtturm vorstellen, einen Film, der auf einigen meiner Listen ganz an der Spitze liegt, der in Deutschland aber nicht sehr bekannt ist. Einen Film, der als Komödie beginnt und dann zum stürmischen Liebesdrama wird. Und das ist längst nicht alles: „Ich weiß, wohin ich gehe“ ist auch noch eine Liebeserklärung an Schottland und die Schotten, hat eine der besten Sturm-Sequenzen aller Zeiten und bringt auf anrührende Weise ein Motto zum Ausdruck, das auch im wirklichen Leben noch eine Chance haben muss, wenn es im Kino so überzeugend lebendig wird: „Freundlichkeit und Güte regieren die Welt, nicht das Geld“ - so hat es Emeric Pressburger formuliert.
Der aus Ungarn stammende Pressburger hat zusammen mit seinem durch das späte Solowerk „Augen der Angst“ etwas berühmteren Partner Michael Powell einige der schönsten Filme der Vierziger und Fünfziger gedreht, darunter mit „Die roten Schuhe“ den besten Ballettfilm und mit „Hoffmanns Erzählungen“ den besten Opernfilm aller Zeiten. Powell und Pressburger sind außerdem neben Steven Spielberg bisher die einzigen Filmemacher, die von mir mehr als einmal meine persönliche Höchstwertung von 100 Punkten erhalten haben. Neben „Ich weiß, wohin ich gehe“, der unter Kennern nur IKWIG! (vom Originaltitel „I Know Where I'm Going!“) genannt wird, ist der unmittelbar davor entstandene „A Canterbury Tale“ das absolute Meisterwerk des britischen Duos, das sich selbst den Namen The Archers gab. Powell und Pressburger teilten sich Regie, Produktion und Drehbuch und schufen Filme, die meist quer zur jeweiligen Mode der Entstehungszeit standen und in keine der üblichen Schubladen passen.
Ich weiß nicht, wohin ich gehe: Wind, Wolken und der (Um)Weg zum Glück.
Die unvergleichliche Art der Archers Fantastisches und Realistisches zu verbinden, absolut glaubhafte Porträts von Orten und Zeiten zu schaffen und zugleich etwas Übernatürliches hinzuzufügen oder einen poetischen Überschuss zu erzielen, zeigt sich nicht nur beim Wechsel zwischen dem farbigen Diesseits und dem in Schwarz-Weiß gehaltenen Reich des Todes in ihrem berühmten „Irrtum im Jenseits“ („A Matter of Life and Death“). Das besondere Talent, das scheinbar Unversöhnliche zusammenzubringen, prägt alle großen Filme der Archers. In „A Canterbury Tale“, der Drama und Krimi, Fabel, Heimatfilm und einiges mehr ist, passiert am Ende gar ein Wunder und dazu läuten die Glocken und klopfen die Herzen. „Ich weiß, wohin ich gehe“ geht dagegen erst einmal mit fröhlichem Spott los:
Joan Webster (Wendy Hiller, Oscar für „Getrennt von Tisch und Bett“) weiß genau, was sie will, nämlich reich werden. Sie ist auf dem Weg auf eine Hebriden-Insel, um dort den millionenschweren Sir Robert Bellinger (oder Mr. Consolidated Chemical Industries) zu heiraten. Er könnte ihr Vater sein, aber das stört sie nicht. Powell und Pressburger lassen keinen Zweifel daran, dass die Gewissheiten der jungen Dame zweifelhaft sind und führen sie als nicht gerade sympathische Komödienheldin ein, der dringend der Kopf gewaschen werden muss. Nachdem Joan einmal auf der Insel Mull angekommen ist, der letzten Station vor dem Eiland Kiloran, auf dem sich ihr Gatte in spe niedergelassen hat, stoppen die Archers die scheinbar Unaufhaltbare: Die Überfahrt ist erst wegen Nebels und dann wegen des Winds unmöglich. Und hier gelingt es der Schauspielerin trotz Joans trotzigen Beharrens auf der gefährlichen Passage nach Kiloran ihren Charme auszuspielen und wachsende Zweifel und Verzweiflung zu vermitteln.
Roger Livesey, Pamela Brown, Wendy Hiller und Captain C.W.R. Knight sind gestrandet.
Powell und Pressburger schaffen es, den Tonfall fast genauso unberechenbar zu wechseln wie das schottische Wetter umschwingt, und ihr Wirken ist ebenso wie das der Himmelsgewalten von größter Selbstverständlichkeit. Nebenbei entlarven sie die falsche Sicherheit des eigenen Filmtitels – denn sie zeigen, dass es im Kino und im Leben gerade dann besonders spannend zugeht, wenn man eben nicht ganz genau weiß, wohin die Reise führt. So wird die unerwartet gestrandete Joan schnell von der besonderen Atmosphäre des entlegenen Ortes gefangen genommen und ist zunehmend irritiert, denn ihre so festen materialistischen Vorsätze werden nachhaltig erschüttert. Sie ist fasziniert von den Einheimischen, vor allem vom Marineoffizier Torquil MacNeil (Roger Livesey), der ein paar Tage Urlaub vom weit von der Westküste Schottlands entfernten Krieg hat. Torquil ist übrigens der verarmte Laird (=Lehnsherr) von Kiloran – und als solcher weigert er sich, die Schwelle eines verlassenen Castles zu passieren, weil auf ihm selbst und seiner Ahnenreihe ein Fluch lasten soll. Der Kontrast zwischen der von solchen Legenden und von der melodiösen gälischen Sprache geprägten Kultur der Inselbewohner (ein Höhepunkt ist das Tanzfest Céilidh, die Sequenz könnt ihr euch unten anschauen) auf der einen Seite und dem unsensiblen Auftreten des nur über das Funkgerät zu hörenden Industriellen, der sich auf Torquils Grund eingemietet hat, zum anderen, wird von Powell und Pressburger ohne jeden Anflug von folkloristischer Oberflächlichkeit oder Schönfärberei ausgespielt.
Bevor es auch in diesem Film kommt, wie es kommen soll, bietet uns Michael Powell noch ein ganz besonderes Spektakel. Der Regisseur hatte schon 1937 mit „The Edge of the World“ ein stürmisches Porträt der Gesellschaft auf einer unwirtlichen Insel und der widrigen Lebensbedingungen dort geschaffen, dessen Naturaufnahmen auch heute noch beeindrucken. In IKWIG! lässt er nun einen Sturm toben und einen Strudel wüten, denen anzusehen ist, dass manche Einstellungen der Natur unter größter Gefahr abgerungen wurden – kein „perfekter“ Sturm wie bei Wolfgang Petersen, aber dafür ein echter, der durch die erzählerische Verknüpfung mit einer Volkssage von wahrer Liebe auch noch poetischen Mehrwert bekommt.
Schauspielerin Tilda Swinton („Michael Clayton“) würde „Ich weiß, wohin ich gehe“ mit auf die sprichwörtliche einsame Insel nehmen. Das ist eine hervorragende Wahl und für alle, die noch keines der einzigartigen Werke von Michael Powell und Emeric Pressburger kennen, ist der in England, in Frankreich und den USA in unterschiedlichen Ausgaben erhältliche Film ein idealer Einstieg: Für mich sind die Archers noch vor David Lean („Lawrence von Arabien“) und Carol Reed („Der dritte Mann“), ja selbst vor Alfred Hitchcock und Charles Chaplin, die Nr. 1 unter den britischen Filmregisseuren.
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