Mit der „FILMSTARTS-Perle“ gibt euch jeweils am Sonntag ein FILMSTARTS-Redakteur eine ganz persönliche Film-Empfehlung. Das können übersehene, unbekannte oder unterschätzte Werke genauso sein wie Lieblingsfilme und Guilty Pleasures. In jedem Fall sind es ganz besondere Filme, die das Ansehen und das Wiedersehen lohnen.
Von Carsten Baumgardt
„Der Weltraum – unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2200. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise, das mit seiner 400 Mann starken Besatzung fünf Jahre lang unterwegs ist, um neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen zu entdecken. Viele Lichtjahre von der Erde entfernt, dringt die Enterprise in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.“ Ich weiß nicht mehr wirklich, womit meine Faszination für das Thema Weltraum und Raumfahrt tatsächlich angefangen hat - mutmaßlich mit Captain Kirk, Mr. Spock & Co., irgendwann in den späten Siebzigern. Natürlich ist „Star Trek: The Next Generation“ noch viel besser als das ursprüngliche „Raumschiff Enterprise“. Die visionäre Sci-Fi-Serie hat mich immerhin dazu veranlasst, 220 Euro für die 49-DVD-Komplett-Box auf den Tisch zu legen. Mein Interessenfokus liegt aber noch mehr auf dem Bereich Raumfahrt – weshalb ich auch schon zwei Mal (1991 und 2008) im legendären Kennedy Space Center in Florida war, wo ich sogar den Start einer Mission live vor Ort verfolgen konnte (was allerdings reiner Zufall und glückliches Timing war). Und nicht umsonst finden sich mit „Apollo 13“, „Contact“ und „Der Stoff aus dem die Helden sind“ gleich drei Raumfahrt-Filme in meinen All-Time-Top-20. Aber um diese oder andere phantastische Werke wie „2001 - Odyssee im Weltraum“, „Solaris“ oder „Sunshine“ soll es in dieser FILMSTARTS-Perle nicht gehen, weil sie ohnehin schon jeder Interessierte kennt. Stattdessen stelle ich euch die atmosphärische Raumfahrt-Dokumentation „Space Tourists“ des Schweizer Filmemachers Christian Frei („War photographer“) vor.
Die Suche nach dem Unbekannten treibt die Menschheit seit Anbeginn ihrer Existenz um. Das gilt zwar nicht unbedingt für Mainstream-Hollywood, weil dort in erster Linie für die breite Masse produziert wird, aber abseits ausgetretener Pfade und Altbekanntem haben Filmschaffende immer wieder die Ambition, ihrem Publikum nie dagewesene Welten zu eröffnen. Mein Lieblingsregisseur Werner Herzog fand eine solche zuletzt in „Encounters At The End Of The World" buchstäblich am Ende der Welt im McMurdo-Sund in der Antarktis, wo er unter Wasser ein seltsam fremdes Universum inszenierte. Christian Frei gelingt mit „Space Tourists" auch ein kleiner Geniestreich, indem er seine originären, teils sensationellen Bilder genau dort sucht und findet, wo sie niemand vermutet... in der Einöde der kasachischen Steppe!
„Space Tourists“ lief erst im vergangenen Jahr in den deutschen Kinos – wovon allerdings kaum jemand Notiz nahm. Genau 1.113 Unentwegte verirrten sich in die heimischen Lichtspielhäuser. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich es auch nicht geschafft habe, den Film auf der großen Leinwand zu sehen. Aber dank ARTE konnte ich diese Lücke vor einigen Monaten im Fernsehen schließen. Bei der ersten Ausstrahlung habe ich zwar die ersten 20 Minuten verpasst, aber vom Rest war ich so begeistert, dass ich mir den Film in der Wiederholung ein paar Tage später gleich noch einmal komplett angeschaut habe.
„Space Tourists“ erzählt vordergründig von der amerikanisch-iranischen Milliardärin Anousheh Ansari. 20 Millionen Dollar investierte die „Star Trek"-Anhängerin, die mit einer Internetfirma in den Neunzigerjahren zu immensem Reichtum kam, um einmal selbst ins All zu fliegen. Diesen Wunsch erfüllte sie sich mit Hilfe der Russen, die im Gegenzug für eine Subventionierung ihrer Raumfahrtmissionen für vieles offen waren. Nachdem Ingenieurin Ansari monatelang als Ersatz für den Astronauten Daisuke Enomoto trainierte hatte, erkrankte der Japaner plötzlich und ein Platz an Bord der Sojus TMA-9 wurde frei. Ansari hob am 18. September 2006 vom Weltraumbahnhof in Baikonur ab, um nach 48 Stunden Flugzeit neun Tage in der Internationalen Raumstation (ISS) zu verbringen. Regisseur Christian Frei beleuchtet das Thema in seiner aus verschiedenen Perspektiven und verzichtet dafür auf eine unkritische Zelebration der Raumfahrt – obwohl ihn zweifelslos die Faszination für die Forschung fern unseres Planeten gepackt hat.
„Space Tourists" ist vielschichtig und überrascht mit Doppelbödigkeit. In einem weiteren Handlungsstrang lässt Frei den weltraumbegeisterten Star-Fotografen Jonas Bendikson das Geschehen kommentieren. Der Norweger ging in dem seltsam anachronistischen Raumfahrt-Fossil Baikonur auf Entdeckungsreise und fing dabei unglaubliche Bilder ein. In der Ödnis Kasachstans scheint die Zeit stillzustehen. Nicht nur die Infrastruktur wirkt antiquiert, auch die Ausrüstung der Kosmonauten scheint den Sechziger- und Siebzigerjahren zu entstammen. Bei diesem permanenten Improvisieren ist es ein Wunder, dass überhaupt jemand im All ankommt. Dieser Gegensatz zwischen der hochtechnisierten Raumfahrt und der veralteten Ausstattung vor Ort übt bereits für sich eine große Faszination aus. Doch was „Space Tourists" aus der Masse von guten Dokumentationen endgültig heraushebt, ist Freis dritter Erzählstrang.
Wahrscheinlich stellen sich wenige Menschen überhaupt diese Frage: Was passiert eigentlich mit den Raketenstufen, die nach dem Start einer Raumfähre abgetrennt werden? Sie verglühen in der Atmosphäre? Mitnichten! Ein Großteil fällt auf die Erde zurück - weshalb die Amerikaner ihren Startplatz für All-Missionen im strategisch günstig gelegenen Florida angesiedelt haben. So stürzen die Trümmerteile einfach in den Atlantik. Bei den Russen sieht das ganz anders aus. Der Weltraumbahnhof Baikonur liegt Tausende Kilometer vom Ozean entfernt. Deshalb krachen die havarierten Überbleibsel der Raumschiffe zumeist in die offene Steppe. Und hier stellt sich Christian Frei an die Seite einer Art einheimischer Untergrundguerilla, die den abgestürzten Schrott illegal zu Geld macht. Mit mehreren alten Armee-Lkw rücken die Männer an und suchen nach den Raketenüberresten, die vom Himmel donnern. Da in der Raumfahrt nur die besten Materialen verwendet werden, lässt sich der hochwertige Schrott prima nach China verhökern. Der Regisseur taucht ein in die bisher nie gesehene Welt der Schrottverwerter und fördert dabei bizarre Bilder zu Tage. Da wird dann auch schon mal ein altes Triebwerk aus sündhaft teurer Speziallegierung zu einem simplen Kochtopf umfunktioniert.
Christian Frei fördert nicht nur erstaunliche Details zu Tage, sondern beweist auch ein untrügliches Gespür für die besondere Stimmung dieses abgelegenen Ortes. Die technikfremde Lagerfeuerromantik, in der eine Truppe professioneller Schrottsammler ein zünftiges russisches Cowboy-Frühstück mit einem Kanten Brot, einer richtigen Marlboro (keine Light-Version) und einem Schluck Wodka aus der Pulle genießt, entwickelt dabei eine geradezu sogartige Atmosphäre. Schnell entsteht der Wunsch, mehr davon zu sehen. Und der Regisseur bedient dieses Verlangen, auch weil er dem Phänomen wahrscheinlich selbst erlegen ist.
Aus einer Dokumentation über Weltraumtourismus wird nach und nach eine kritische Auseinandersetzung mit einem ganz anderen Thema, das zwar weiterhin die Anziehungskraft der Raumfahrt vermittelt, aber den Mythos mit den Geschichten am Boden entzaubert. Diese atemberaubend stimmungsvollen Bilder der Schrottsammler in Aktion strahlen dafür - brillant untermalt von Jazzklängen von Jan Garbarek - pure Poesie aus. Dass die epische Wirkung nicht von dem eigentlich prädestinierten Weltraum ausgeht, sondern von einem Ort, von dem Derartiges kaum zu vermuten gewesen wäre, ist eine wunderbare Überraschung.
Es ist noch nicht lange her, da verkündete US-Präsident Barack Obama eine radikale Rolle rückwärts: Anfang 2010 hatte er das Mars-Missions-Programm noch auf Eis gelegt, doch nur wenig später formulierte er schon ambitionierte Pläne, die er Ende Mai dieses Jahres offiziell vorstellte. Nun ist die Reise zum roten Planet im Jahr 2035 wieder fest im Visier. Die bemannte Landung auf dem Mars wäre für mich als Raumfahrt-Fan schlicht das spektakulärste Projekt der Menschheitsgeschichte. Wer ähnlich denkt und sich die Wartezeit bis dahin sinnvoll vertreiben möchte, dem sei Christian Freis „Space Tourists“ als abseitiger Blick auf die Anziehungskraft der Raumfahrt jedenfalls wärmstens empfohlen.
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