Anlässlich der Verleihung des Filmpreises der Stadt Köln besuchte David Lynch im Rahmen der Cologne Conference die Domstadt. FILMSTARTS.de war vor Ort, um zu erfahren, ob er im Gegensatz zu seinem letzten Besuch auch etwas über seine Filme zu sagen hatte.
Ob David Lynch seinen letzten Besuch am Dom in angenehmer Erinnerung hält, darf bezweifelt werden. 2007 war der Kino-Schamane mit einer Entourage dubios gewandter Herren durch deutsche Universitäten gepilgert, um eine ganz spezielle Stiftung zu bewerben – die „David Lynch Foundation for Consciousness-Based Education and World Peace“, unter deren Banner auf dem Berliner Teufelsberg eine „Universität der Unbesiegbarkeit“ errichtet werden sollte. Nicht wenige Studenten und Filmfans im größten Hörsaal der Kölner WiSo-Fakultät meinten bald, selbst Teil lynchesker Inszenierung geworden zu sein, als der Regisseur und Künstler zwischen Esoterik und Pseudowissenschaft von Kraftfeldern reinster Seligkeit plauderte. Die Lehren Maharishi Mahesh Yogis prallten am zu quietschfidelem Leben erwachten Publikum ab: „Werde ich mittels transzendentaler Meditation in der Lage sein, Ihre Filme zu verstehen? Versuchen Sie, uns zu hypnotisieren?“. Antworten auf die großen Mysterien von „Eraserhead“ bis „INLAND EMPIRE“ gab es an diesem Tag keine. Wer hätte es auch anders erwartet? Seit Jahrzehnten wird Lynch erfolglos um interpretatorische Lösungen angefleht. Die Antwort, mit der Filmtheoretikerin Trinh Min-ha gesprochen: „Bedeutung kann weder erzwungen, noch verleugnet werden.“
Doch das scheint einfach nicht zu reichen. Und so ging das ewige Ringen auf der Cologne Conference in die nächste Runde. Ein Meister der transzendentalen Meditation schreckt davor selbstverständlich nicht zurück. Zumal seine diesjährige Reise in die Domstadt keine Mission war – ganz im Gegenteil! Er war hergebeten worden, um den mit 25.000 Euro dotierten Filmpreis Köln für sein Lebenswerk entgegen zu nehmen. Im Museum für angewandte Kunst zeigte Lynch sich von seiner schelmischen Seite und bespaßte seine Audienz mit amüsanten Karriere-Anekdoten. Mögen die Auftritte des Gurus Lynch noch so skeptisch beäugt werden, der Filmemacher Lynch ist und bleibt eine Ikone, deren Schaffensgeschichte immer wieder gerne gehört wird. Die begann im Alter von 14 Jahren mit der Malerei und dabei ist es ihm zufolge auch geblieben: „Für mich macht es keinen Unterschied, ob ich ein Gemälde oder einen Film erschaffe. Mit beiden Herangehensweisen taste ich nach der Welt jenseits sichtbarer Oberflächen.“ An der Dechiffrierung dieser Panoramen des Unbewussten tüftelt die Lynch-Rezeption seit seinem Langfilmdebut „Eraserhead“ – das gehört zur Marke und das wird er sich nicht nehmen lassen.
Immerhin, eine konsistente Motivik scheint auf der Hand zu liegen. Da ist das symbolschwangere Bild einer in die Dunkelheit führenden Straße, das seinen Ausdruck bereits in Filmtiteln wie „Lost Highway“ oder „Mulholland Drive“ findet. Lynch gibt sich ahnungslos: „Die meisten Straßen ähneln einander, so ist das nunmal!“. Nächster Versuch: Wie interpretieren wir die „Straight Story“, dieses erstaunlich lichte Roadmovie, das wie eine Antithese zum für Lynch so charakteristischen Spiel mit zersplitternder Identität wirkt? Verbirgt sich hinter der Geschichte eines alten Kauzes, der seinem kranken Bruder auf einem Rasenmäher entgegenreist, etwa gar ein Loblied auf amerikanische Werte? „Wenn Sie nach Indien gehen, finden Sie dort möglicherweise einen Mann, der einen Bruder hat. Das ist etwas besonderes, so ein geschwisterliches Verhältnis. Man kennt es auf der ganzen Welt!“ Maestro, erhöre uns – ist wenigstens die flache Topographie der von Mr. Straight durchquerten US-Landschaften als Metapher zu verstehen, in welche Richtung auch immer? „Ich bitte Sie! Stellen Sie sich mal vor, mit einem Rasenmäher durch die Alpen zu brettern. Das würde die Maschine einfach nicht packen.“ Der Fürst der Diffusion ist ganz in seinem Element.
Einen Themensprung aus dem Feld der Deutungsarbeit heraus erweist Lynch sich jedoch als gewitzter Entertainer, der leidenschaftlich gerne erzählt. Dass 1987 nicht er für „Blue Velvet“, sondern Oliver Stone für „Platoon“ mit dem Regie-Oscar ausgezeichnet wurde, sei kein Problem gewesen. Gewichtiger war da schon, dass Stone einen Kuss der bezaubernden Elizabeth Taylor empfangen durfte. Was für ein Glück, dass Lynch auf der Aftershow-Party Anjelica Huston über den Weg lief, an den Tisch des Vaters und Humphrey-Bogart-Regisseurs John Huston dirigiert wurde und dort doch noch persönlich auf Frau Taylor traf. Genüsslich zelebriert Lynch die Pointe und spielt den liebestollen Teenager: „Ich klagte ihr das Unrecht und sie winkte mich heran. Ich sage Ihnen, diese Lippen! Welch’ unvorstellbare Tiefe!“ Auch seine Karrierehöhepunkte rechnet er einer glücklichen Fügung an. Ausgerechnet Comedy-Mogul Mel Brooks erkannte und förderte das Talent hinter „Eraserhead“. Ausgerechnet Dennis Hopper, damals aufgrund harter Drogenexzesse in Miskredit geraten, hätte „Blue Velvet“ die notwendige Intensität verliehen: „Er rief mich an und wollte den Psychopathen Frank spielen. Das war die gute Nachricht. Weil er Frank sei. Das war die schlechte!“
Lynch lässt die Dinge geschehen, darauf basiert seine cineastische Philosophie: „Ich plane nicht bewusst. Ich folge den Ideen, die mir zuströmen. Woher sie kommen, weiss ich nicht. Aber ich weiss, dass meine Bilder und Erzählungen nur dann abgeschlossen sind, wenn ich meine Visionen detailliert umgesetzt habe. Meine Drehbücher sind lediglich Stützen, um die Klarheit dieser Ideen am Set zu reaktivieren.“ Gemalt hat er ohne Unterlass, über Ideen verfügt er zur Genüge. 2009 präsentierte er eine Ausstellung im Max Ernst-Museum in Brühl. Wie aber ist es um einen Nachfolger zu Laura Derns One-Woman-Show „Inland Empire“ bestellt? „Ich mache einen neuen Spielfilm, sobald mir eine zwingende Idee kommt.“ Doch das scheint nicht zu reichen, es wird nachgehakt. Dass ein so forscher Vorstoß in die Gedankenwerkstatt des Surrealisten mit einer Antwort belohnt werden würde, hat allerdings niemand wirklich erwartet. Er kennt das Spiel und spielt genüsslich mit. Und damit verlässt der Filmemacher Lynch unter weihevollem Applaus die Bühne, während der Guru Lynch bereits mit den Hufen scharrt. Sein nächstes Projekt: Eine Dokumentation über Leben und Wirken Maharishi Mahesh Yogis.
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