Meine Kritik bezieht sich auf alle 6 Staffeln der Serie. Daher: Achtung vor möglichen Spoilern!
In der Serie "Die Sopranos" erzählt Regisseur David Chase die Geschichte der Familie Soprano in 6 Staffeln. Anthony "T, Ton, Tony" Soprano scheint ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann zu sein. Er lebt in einer sehr guten Gegend von New Jersey, hat eine 300m² große Villa mit Pool, eine wunderschöne Frau, 2 gesunde Kinder und sehr, sehr, sehr viel Bargeld...eigentlich alles, was man zum Leben braucht. Doch hin und wieder hat er seine Panikattacken und Anfällen von Depressionen. Also beginnt er damit Therapiestunden bei einer Psychiaterin zu nehmen. Als Boss der gegenwärtigen Mafia, kommt das natürlich nicht gut an...
Wer begeisterter Fan von Filmen wie "Der Pate", "GoodFellas" oder "Casino" ist, wird sich hier pudelwohl fühlen. Die Serie sprudelt nur so von Anspielungen und Zitaten. Häufig werden diese Filme auch offen parodiert. Beispielweise sieht Tonys rechte Hand Silvio "Sil" Dante (Steve Van Zandt) Al Pacino nicht nur verblüffend ähnlich aus, er wird auch häufig gebeten Pacino nachzuahmen. Was für einige Lacher sorgt.
Was David Chase Serie jedoch ausmacht und von den anderen abhebt, ist dieser extrem tiefe Einblick in die Psyche einer Mafia Familie. Hier prallen 3 Generationen aufeinander. Tony´s Onkel Corrado "Junior" ist noch ein Mafiosi der alten Schule. Sein Vater war Steinmetz und kam direkt aus der "alten Heimat" (Italien). Woher er noch die alten Werte besser versteht. Wogegen Tony in 2. (bzw. 3. Generation), die italienischen Werte und das Familienbewusst gutheißt, aber weder italienisch spricht- noch jemals dort war. Sein Sohn Anthony Junior und seine Tochter Moedow rücken noch weiter weg von diesen Werten. Daher kommt zum Beispiel für Anthony "A.J." auch keine Karriere bei der Mafia in Frage. Die altgedienten Recken müssen sich auch mit der modernen Zeit auseinander setzen. Zwar beginnt die Serie schon im Jahre 1999 an, dennoch kommt vieles für sie zu plötzlich. Kinder werden schneller erwachsen, DVD, Handy, Computer, kaum Bargeld und die geringe Wertschätzung für die Familie. Einer der wichtigsten Szenen ist jedoch, als 2 der Familie einen Kaffee-Laden um Schutzgeld erpressen wollen, dieser aber ablehnt, da "jede einzelne Bohne durch den Scanner geht". Wir, bzw. die Mafia wird aber nicht nur mit den technischen Fortschritt über 6 Staffeln beklagt, sondern auch mit internen Problemen. Tony´s Neffe 2. Grades Chris ist Tony loyal ergeben, möchte aber unbedingt die Karriereleiter erklimmen und innerhalb der Familie "aufsteigen". Er genießt innerhalb der eigenen Reihen sehr viel Wertschätzung, verliert sich jedoch mit der Zeit in Drogen und Wutausbrüchen. Aber Konflikte mit der konkurrierenden Familien (aus Brooklyn) sind vorprogrammiert. Wie Anfangs schon erwähnt, besucht Tony eine Psychiaterin (Jennifer Melfi). Zunächst gibt er seine wahre Identität natürlich nicht preis und gibt an bei der Müllentsorgung tätig zu sein (was auch indirekt stimmt). In den Gesprächen über 7 Jahre kriegen wir einen unfassbar guten Einblick in das Seelenleben eines Gangsters. Aber auch diese Faszination für diese Leute wird uns perfekt gezeigt. Doktor Melfi will zunächst Tony nicht mehr helfen, mit der Zeit vermisst sie jedoch dieses Kribbeln einen skrupellosen Gangster vor sich sitzen zu sehen. Aber auch anhand aus der materiellen Sicht, wächst die Faszination. Tony und Carmela reden immer und immer wieder davon, welch Glück sie doch haben. Und das ist auch so. Wer kann schon seiner Frau einen neuen Porsche als Wiedergutmachung schenken? Natürlich heißt das David Chase nicht gut und zeigt auch die Schattenseiten dieses "Gewerbe". Während der 6 Staffeln sterben einige Figuren- viele wählen auch den Freitod. Sie wählen ihn, weil sie mit dem Druck nicht mehr umgehen können. Ein entkommen aus der Familie ist undenkbar. Man könnte ja zu den FBI oder sonst wo rennen. Auch ein kleiner Fehler (mit der falschen Person geredet), wird als Verrat angekreidet und man landet schnell bei den Fischen.
Neben den tiefen Blick auf seelischer Ebene, bietet die Serie auch sehr viele interessante Figuren. Alle nehmen sind sehr fein gezeichnet und nehmen in den 7 Jahren (1999-2006) einen Wandel durch. Entweder altersbedingt, oder durch Erfahrung. Man schließt einige Figuren ans Herz- andere will man eher tot sehen. Wer nun meine liebste Figur ist, weiß ich nicht. Die Entscheidung fällt mir zu schwer. Wer es aber nicht ist, ist Tony.
Die Sopranos zu schauen, war für mich ein wundervolles Erlebnis. Selten solch einen intimen Einblick in dieser Szene erhalten. Trotz all den positiven Worten, ist die Serie für mich kein Übermeisterwerk.
Grund dafür ist der technische Bereich. Insbesondere mit dem Schnitt konnte ich mich überhaupt nicht anfreunden. Häufig enden Szenen zu abrupt und es braucht dann wiederum eine kleine Weile, bis man sich in der nächsten zurecht findet. Aber auch vom erzählerischen (besonders Staffel 3), hat die Serie so ihre Schwächen. Nicht selten passieren Dinge, die völlig unwichtig erscheinen- und es auch sind. Gewisse Handlungsstränge werden auch nicht konsequent zu Ende erzählt.
FAZIT: Die Sopranos sollte man unbedingt gesehen haben! Zwar nicht für jedermann (gab schlechte Einschaltquoten), aber insbesondere als Fan des Genres ein MUSS. Dialoge die man rauf und runter zitieren kann, extrem starke Figuren, spannend, tragisch und solch einen intensiven Einblick wird man nicht mehr kriegen.