Mittlerweile gibt es mehr Historienserien als entsprechende Filme im Kino. Für ausführlich erzählte komplexe Geschichten ist das genau das Richtige und auch der Familie Borgia tut es gut. Die ersten Folgen erwecken noch den Eindruck, die Geschichte wäre nur ein weiterer Vorwand für entblößte Körper und Blutfontänen, doch diese Stilmittel verlieren im Lauf der Staffel an Bedeutung. John Domans Rodrigo Borgia lässt sich zwar auch nach seiner Ernennung zum Papst nicht von leidenschaftlichen Techtelmechteln abhalten, die größeren historischen und politischen Zusammenhänge, gelangen jedoch mehr ins Blickfeld als beim Konkurrenzprodukt "Die Borgias", das zeitgleich vom amerikanischen Sender Showtime gesendet wurde.
So scheut man sich auch nicht zu zeigen, was für ein brillanter und skrupelloser Machtpolitiker Alexander auf dem Höhepunkt seines Schaffens war. Sein Einfluss auf die italienische und europäische Politik ist ebenso Thema wie geschichtlich bedeutsame Schachzüge, wie zum Beispiel der Vertrag von Tordesillas, der immerhin in einer kurzen Szene Erwähnung findet. Das alles findet soviel Raum, dass man "Borgia" tatsächlich ein Interesse an der Historie unterstellen kann. Angesichts der teilweise tatsächlich bezeugten päpstlichen Ausschweifungen kann man allerdings umso besser verstehen, warum sich nur wenige Jahrzehnte später der Wittenberger Mönch Martin Luther entschieden gegen das verschwenderische Papsttum der Renaissance wandte.
Nach kleineren Anlaufschwierigkeiten kommt diese erste Staffel spätestens ab der Hälfte richtig in Fahrt und zeigt an stilvoll ausgewählten, wenn auch manchmal etwas steril inszenierten, Schauplätzen ein historisches und doch zeitloses Drama. Hier ist jeder korrumpierbar oder wenigstens in seinen Ansprüchen an sich selbst und das Leben gefangen. Auch Rodrigo, alias Alexander, verliert seinen zeitweise durchschimmernden Idealismus aufgrund seiner Maßlosigkeit. Natürlich wird da auch vereinfacht, zusammengefasst und zurechtgefeilt, was für eine knapp einstündige Folge zu kompliziert wäre, doch im Reigen der noch immer boomenden Genrebeiträge fällt diese Adaption der Geschichte positiv auf.