Schon die ersten Trailer zu „Andor“ ließen mich damals mehr als positiv zurück. Ein sehr ernster Ton und spektakuläre Bilder ließen mich auf eine Serie hoffen, die sich endlich an Erwachsene richtet, düster ist und sich von dem bisherigen Einheitsbrei abnabelt. Nun ist die erste Staffel abgeschlossen und „Andor“ ist genau das geworden, was „Star Wars“ gerade dringend gebraucht hat.
Durch das Erscheinen der Sequels, die eine kreative Bankroterklärung waren und darauf folgenden Serien von Dave Filoni und Jon Favrau navigierte sich Star Wars immer mehr in eine Ecke, die sich einzig auf Nostalgie und Fanservice ausruht. Mit immer weniger Aufwand wurden Serien am Fließband produziert. Qualitativ nahm es dann auch rapide ab. Nicht nur die Optik war in Serien wie „The Book Of Boba Fett“ eher künstlich oder im Falle von „Obi-Wan Kenobi“ sogar extrem hässlich, auch die Aktion war eine Beleidigung, die Serien voller Fanservice und teilweise ohne konkreten Plan aufgestellt.
Mit Tony Gilroy, der auch schon zu weitem Teilen für den besten „Star Wars“-Film seit der Originaltrilogie verantwortlich war, „Rogue One“, ändert sich dies nun schlagartig.
Gilroy scheint nämlich alle Krankheiten, die das Universum in den letzten Jahren befallen haben, erkannt zu haben und systematisch auszulöschen. Alleine die Produktion der Serie verschlang mehr Zeit als alle anderen Serien. Die Sets und Schauplätze waren wieder echt. Zwölf Folgen wurden uns geboten. Der Humor wurde getilgt. Und am wichtigsten, es gibt endlich einen genauen Plan für die Serie und eine klare Vision, die dahinter steht. „Andor“ lässt sich am ehesten mit „Rogue One“ vergleichen, geht aber dennoch ein ganzes Stück weiter, ist komplexer und vielschichtiger. Nie zuvor war ein Werk in diesem Universum besser geschrieben. Für Logikfehler ist kein Platz, jedes noch so kleine Detail ist wichtig für das große Ganze. Jeder Satz hat Gewichtung und eine starke Tragkraft. Die Figuren sind dreidimensional, die Aktion auf den Punkt gebracht. Andor ist für mich ein Meisterwerk! Warum das so ist, kann ich jedoch nicht ohne Spoiler erklären, also ACHTUNG!
Das Handwerk in „Andor“ ist vom Feinsten. Die Sets und Welten sind unfassbar Detailverliebt. Die Kostüme und Masken sehen großartig aus und auch die Welten sind wunderschön designet. Gleich die erste Szene der Serie unterstreicht den gesamten Ton der Serie großartig. In der verregneten Welt von Morlana 1 begibt sich Cassian durch ein Blade Runner ähnelnde Optik in ein Bordell, kurze Zeit später erschießt er konsequent zwei Wachmänner und rückt unseren „Helden“ in ein Licht, welches wir viel zu selten von den Rebellen gesehen haben. Gleich wird hier auch schon klar, Star Wars ist hier nichts mehr für Kinder. Auch im Laufe der Zeit nehmen die Bilder der Schönheit nicht ab. Wenn Tie-Fighter Piloten in ihr Cockpit steigen, vor einem Himmel erfüllt mit bunten Meteoriten, dann sieht das nicht nur schön aus, es bereitet auch eine optisch spektakuläre Aktionszene im „Auge“ über Aldanni vor. Wenn Luthen mit seinem Schiff, der „Fondor“ gegen ein Schiff des Imperiums kämpft, dann ist das nicht nur schön anzusehen, sondern auch logisch extrem gut aufgebaut. Zudem schafft die Musik immer den richtigen Spagat zu schaffen und jede Szene situationsgerecht einzufangen.
Dies führt mich zum Drehbuch und zur Handlung, den noch nie war Star Wars so gut geschrieben! Die Serie baut großartig aufeinander auf, kreiert clevere und starke Monologe. Dies liegt zum einen daran, dass man auf Humor fast vollständig verzichtet und sich einzig auf die Story konzentriert. Die Galaxis ist deprimiert und am Ende. Erstickt in der Tyrannei des Imperiums. Die Welt wirkt greifbar, ihre Figuren komplex und vielschichtig. Jedes Wort wird dabei zu einem späteren Zeitpunkt wieder wichtig. Jede Entscheidung hat Konsequenzen. Dabei stechen auch einzelne Szenen immer wieder stark, auf Grund ihrer Dialoge heraus, sei es ein längerer Monolog von Dedra Meero gegenüber Bix Caleen oder Luthens starker Monolog in Folge 10. Die wahre Stärke des Schreibens wird aber besonders deutlich während einer Partyszene mit Mon Mothma. Umgeben von Feinden, wirbt sie ihren alten Freund Tay Kolma an, ihn immer bittend doch zu lächeln, um kein Verdacht zu schöpfen. „Andor“ hebt die Messlatte extrem hoch und katapultiert das Franchise in eine neue Sphäre.
Der dritte Punkt, weshalb diese Serie ein Meisterwerk ist, ist das Imperium. Diese Fraktion musste in den letzten Jahren extrem leiden und wurde immer mehr zu einem Verein von Witzfiguren, die dumm handeln und uns Zuschauer kaum glauben ließen wie sie die Galaxis beherrschen können. Gillroy ändert dies nun vollständig. Das Imperium ist eine unumstößliche Macht geworden. Soldaten und Offiziere handeln clever, sind grausam und brutal. Das ISB wird dabei zum Schreckgespenst des Imperiums und ihre Methoden, werden uns auf grausame Weise dargeboten. Mentale Folter und Unterdrückung stehen an ihrer Tagesordnung, ein Tie-Fighter, der übers offene Feld fliegt löst ein nie dagewesenes Unwohlsein aus. Und in all dem wieder die cleveren Dialoge des ISB. Manchmal kann man kaum glauben, dass im selben Universum Jedi und Sith existieren sollen... bzw. dass im selben Universum all die anderen Werke spielen. Zeitgleich bekomme ich aber eben hierdurch das Gefühl, dass die Jedi in Episode IV wirklich nur noch ein Mythos sind.
Der vierte Punkt sind die Rebellen selbst. Was in den anderen Filmen immer eine Reihe strahlender Helden war, wird hier dekonstruiert. Die Rebellen sind moralisch verwerflich, haben Grauzonen und schrecken selbst vor großen Gräueltaten nicht zurück. Hier wird eine klare Linie immer weiter verschoben und alles verschwimmt. „Andor“ erinnert dabei weniger an die anderen Werke des selben Universums, sondern viel mehr an die starken Zeiten von „Game Of Thrones“. Style Over Substance zählt hier nicht mehr.
Der fünfte große Punkt sind die Emotionen, die die Serie transportiert. Gerade die Montage am Ende von Folge Drei, mit ihrem Schnitt, der Musik, dem Nonverbalen, machen die Szene zu einem waschechten Gänsehaut Moment. Wenn Mon Mothma unter Tränen ihrer Cousine ihre möglichen Pläne offenbart, dann nimmt uns dies genauso mit, wie sie. Und wenn Kino Loy einen Aufstand anzettelt um aus einem Gefängnis fliehen zu können, dann nimmt uns diese Rede genau so mit, wie die Auflösung dieses Moments. Den am Ende braucht es dann doch nur vier Worte um den Zuschauer endgültig die Tränen zu entlocken. „Ich kann nicht schwimmen“, ist der emotionale Totschlag in dieser Szene und offenbart zugleich die ganze Tragik hinter der Figur Kino Loy.
Dies bringt mich zum letzten großen Pluspunkt: Die Figuren. Während man sich zu Beginn gefragt hat, ob man eine Serie zu Cassian Andor braucht, wird hier eines besseren belehrt. Die Figur wird zum Antihelden. Ist moralisch fragwürdig und trägt den Plot der Serie. Er vermittelt eine neue Perspektive auf die Rebellion. Dennoch sind es unzählige Nebenfiguren, die doch noch mal ein Stück stärker sind, als der ohnehin schon starke Protagonist. Stellan Skasgård als Luthen Rael gehört zu den besten Figuren des gesamten Universums. Diese Figur ist durchtrieben, finster, bereit zur Gewalt und Opferung. Bereit zur Gewalt, nur um einen höheren Zweck zu erfüllen. Er verfolgt Ziele, von denen er selbst weiß dass seine Methoden unorthodox sind. Er weiß dass er das Ende nie miterleben wird. Hinter ihm steckt eine nie dagewesene Tragik. Der zweite große Star ist Genevieve O´Reily als Mon Mothma. Bisher war die Anführerin der Rebellen immer nur eine Randerscheinung. Jetzt wird sie zu einer Protagonistin, die umgeben ist von Feinden und dennoch versucht ein Netzwerk aus Rebellen aufzubauen und zu finanzieren. Das wird nicht nur der Figur gerecht, sondern auch ihrer Darstellerin. Wenn sie, wie oben bereits beschrieben, ihren alten Freund Tay Koma auf einer Party für ihre Sache zu gewinnen, umgeben von Feinden, dann ist das nicht nur gut geschrieben und super spannend, es ist auch extrem stark gespielt. Ähnlich wenn sie Vel offenbart, dass sie plant ihre Tochter zwangszuverheiraten, damit ihre Machenschaften nicht auffallen. Auf einem gleichen Level bewegt sich Denise Gough als Dedra Meero. Die ISB Agentin ist die große Antagonistin der Serie. Dabei erleben wir ihren Aufstieg und sogar ein paar menschliche Momente, ehe sie in einer der besten Szenen der Serie, eine ihrer Sitzungen zu ihrem Vorteil ausnutzt um ihre Position zu stärken. Höhepunkt ihrer Grausamkeit findet sich in einem Verhör mit anschließender Folter, wodurch Meero zu einer der besten und grausamsten Schurken des Universums wird. Syril Karn als Sicherheitsoffizier der Konzerner von Morlana ist dabei gerade zu Beginn und zum Ende der Serie extrem stark, wenn gleich er sich in der Mitte der Serie etwas im Kreis dreht, so ist sein Ende vielversprechend für Staffel 2. Auch die Figur der Vel ist ein echtes Highlight. In der Highsociety geboren, kämpft sie für sie gute Sache, ist wandelbar, komplex und stellt sich gegen jede Struktur ihrer Heimat und Politik. Gleiches gilt für die starken Frauenfiguren der Bix Caleen und Kleya Marki, als angehende Rebellin und abgekühlte Rebellin. Großes Herzstück der Serie wird aber dann vor allem Fiona Shaw als Maarva Andor. Die Tante Petunia Darstellerin, verkörpert Cassians Mutter mit solcher Hingabe, dass sie zum einen die starke Rebellin ist, die trotz ihres hohen Alters bereits ist für das größere Ganze zu kämpfen, zu gleich liefert sie unfassbar viele starke emotionale und zerbrechliche Momente, gerade am Ende von Folge 3 oder in der letzten Folge der ersten Staffel. Das andere Herzstück ist Andy Serkis als Kino Loy. In den Sequels als Snoke verschenkt, bekommt er hier eine neue Chance und wandelt sich in nur drei Episoden vom Unsympathischen hin zum strahlenden Anführer eines Aufstandes. Wenn er die Massen mit „One Way Out“ anfeuert, dann wird dies nicht nur zu einem zukünftig kultigen Zitat der Reihe, sondern sein Satz „Ich kann nicht schwimmen“ wird dadurch nur noch mehr von Tragik untermalt. Wird er das Gefängnis wohl selbst nie lebend verlassen. Natürlich gibt es auch wieder den obligatorischen Droiden in Form von B2-EMO (kurz B), der wieder wunderbar süß in die Welt passt, selbst emotionale Momente liefert und sich am ehesten mit BD-1 aus „Jedi: Fallen Order“ vergleichen lässt. Selbst die Figur Saw Gerrera, der nur in zwei Folgen auftritt, hat hier einen stärkeren Auftritt als in all seinen anderen Werken und bekommt mit Luthen großartige Szenen geschenkt. Auch in anderen Nebenrollen, sei es ISB Chef Major Partagaz bzw. Yularen, Tay Kolma, Linus Mosk, Melshi oder Nemik, die Figuren sind durch die Reihe großartig geschrieben.
Die Qualität von Andor ist unbeschreiblich und hebt Star Wars auf ein neues Level. Es ist die Serie die wir gebraucht haben, aber eigentlich nicht verdient haben. Damit festigt sie sich für mich nicht nur als das beste Werk, welches wir seit der Übernahme von Disney bekommen haben, sie ist für mich, auch auf dem gleichen Level wie die Originaltrilogie. Das mag vielen nicht gefallen, aber ich bin so unfassbar glücklich was wir hier endlich bekommen haben und zeigt auch auf, was noch möglich ist, mit Herzblut und Vision. „Andor“ ist ein wahrer Traum für „Star Wars“!