Ich bin immer sehr skeptisch, wenn ich schon ein Buch (bzw. hier in dem Fall sogar drei) gelesen habe und dann bekannt wird, dass der Stoff verfilmt wird. Umso mehr noch bei Science-Fiction-Romanen, denn sie enden nur allzu oft in bildgewaltigen CGI-Schlachten und dafür dünner Handlung.
Bei der Trisolaris-Trilogie von Liu Cixin war ich sogar _noch_ skeptischer: Seine Bücher sind nämlich "mehr Science als Fiction" und man muss daher schon selber leicht wissenschaftlich angehaucht sein, um sich von ihnen begeistern zu lassen. Wie also soll sowas denn massentauglich filmisch umgesetzt werden, ohne nicht irgendwo "in der Mitte" mit etwas zu enden, was den Hardcore-Science-Fiction-Fans nicht wissenschaftlich genug-, der Popcorn-Fraktion dafür aber immer noch zu kompliziert ist?
Ehrlich gesagt habe ich mit der Netflix-Serie daher auch hauptsächlich nur aus Neugier angefangen, weil ich sehen wollte, wie David Benioff, D. B. Weiss und Alexander Woo diesen aus meiner Sicht eigentlich unverfilmbaren Stoff umsetzen.
Und ich muss sagen: Hut ab, sie haben das sogar erstaunlich gut hinbekommen! Zumindest die jetzige erste Staffel von "3 body problem" (welche den Stoff von Liu Cixins erstem Buch "Die drei Sonnen" mit Teilen seines dritten Buches "Jenseits der Zeit" verwebt) ist spannende Unterhaltung geworden, die sich zwar die ersten drei, vier Folgen erst mal ziemlich viel Zeit lässt, die komplexe Story und ihre vielen Protagonisten zu entwickeln. Aber das ist gar nicht mal schlecht, denn wer die Bücher nicht kennt, braucht wohl auch ein wenig Anlauf, um in der Geschichte anzukommen. Und ab Folge fünf nimmt das Erzähltempo dann auch rasant zu und macht Lust auf mehr..
-Worum geht es überhaupt?
Die chinesische Wissenschaftlerin Ye Wenjie wird in den 1960er Zeiten der chinesischen Kulturrevolution in ein geheimes Militärprojekt hineingezwungen. Dort empfängt sie Signale von einer außerirdischen Zivilisation vom Sternensystem Trisolaris. Obschon hochentwickelt, sind diese auf der Suche nach einer neuen Heimat, weil ihre eigene immer wieder von Naturkatastrophen zerstört wird. Durch ihr persönliches Schicksal zutiefst gefrustet, nimmt Ye Wenjie Kontakt mit den Trisolariern auf, damit diese sich die Erde als neue Heimat erwählen, sich auf den Weg zu ihr machen, um die Menschheit auszulöschen und den Planeten für sich zu übernehmen. Weil die Alienanreise aber über 400 Jahre dauern wird, baut Ye Wenjie eine Art "5. Kolonne" auf, um mit den Trisolariern in Kontakt zu bleiben und ihnen die Übernahme des Planeten zu erleichtern.
Dann springt die Handlung in die Jetztzeit, in der dieses Komplott offenbar wird und die Menschen sich zum Widerstand gegen den übermächtigen Gegner formieren.
Die Serienmacher bedienen sich notwendigerweise einiger Freiheiten und Tricks, um die ursprüngliche Romanhandlung massentauglicher zu machen. So wird die Erzählung recht schnell von China nach London verlegt. Und mit den "Oxford 5" führen die Drehbuchautoren fünf Millenials sogar als Hauptfiguren neu in den Plot ein: Fünf Freunde, die zusammen in Oxford studiert haben und allesamt auf die einer oder andere Weise in den Kampf gegen die Trisolarier hineingezogen werden.
Das macht die Geschichte dann zwar in der Tat "verdaulicher", biedert sich aber der Netflix-Zielgruppe "junge Erwachsene" auch ziemlich stark an -für meinen Geschmack ein wenig _zu arg_, denn durchzog die Bücher allesamt eine extrem düstere Grundstimmung, so neigt die erste Staffel in ihren schwächeren Momenten eher einem "buddy-movie" zu: Hier will Netflix gleichzeitig irgendwie alles sein: best-friends-Epos, Romanze, Science-Fiction-Thriller, ideologisch erhobener Zeigefinger gegen Klimawandel, philosophisches Kammerspiel und noch vieles mehr. -Sorry, aber das gerät dann natürlich notwendigerweise etwas zu flach.
Trotzdem: Die Serienmacher haben einmal mehr ein Händchen für die Adaption komplexer Stories bewiesen. Die wissenschaftlich ausgeklügelten Ideen von Liu Cixins Romanen dürfen funkelnd zur Geltung kommen und auch die großen philosophischen Fragen seiner Bücher werden gut thematisiert: Dürfen (oder müssen gar) sich Wissenschaftler in einen Krieg einbringen? Soll man einer Sache dienen, die einem selbst ebensowenig nutzt wie der Gesellschaft auf kurze Sicht, nur um der geringen Chance halber, der Menschheit in über 400 Jahren von heute an _vielleicht_ helfen zu können?
-"Food for thought" sozusagen für all diejenigen, die am Ende der Popcorntüte auch noch ein wenig über das nachdenken wollen, was sie da gerade gesehen haben.
Schauspielerisch gesehen reden wir über zwar ordentliche Leistungen, aber eben auch keine Oscar-reifen Darstellungen. Am besten gefällt mir Lian Cunningham, der seine Rolle des strippenziehenden Regierungsbeauftragten Thomas Wade perfekt austariert in der Schwebe hält: Gleichermaßen arroganter und kaltschnäuziger Besserwisser wie eben auch brillanter Denker weiß man eigentlich nie, ob man ihn jetzt mögen oder hassen soll, aber man erfreut sich immer an seinen schnoddrigen Wortgefechten, die er mit absolut jedem in seinem Dunstkreis beginnt.
Fazit: Spannende Figuren, klasse "Science"-Fiktion, clevere Romanadaption (wenn auch mit ein bisschen zuviel buddy-movie-Einschlag). Man erhofft sich am Ende der ersten Staffel jedenfalls deren Fortsetzung.
Und, kleiner End-Spoiler:
Wenn es denn tatsächlich zu einer Fortsetzung kommt, bin ich persönlich sehr gespannt darauf, ob die Drehbuchautoren den Mut haben werden, dem düsteren Ende des dritten Romans zuzustimmen. Oder eben massengeschmacktauglich stattdessen lieber ein Happy-End in die Story zu schreiben..