Selbstjustiz im Katzenkostüm
Ein Psychopath, der eine Mordserie mit scheinbar unzusammenhängenden Opfern begeht und die örtliche Polizeistation wie einen Zirkus aussehen lässt.
Dem Protagonisten Haluk Bilginer gelingt es absolut authentisch den an Demenz leidenden Agâh Beyoğlu darzustellen auf
charismatische und schrullige Art. Er trägt auf ganz hervorragende Weise, die gesamte Serie, zusammen mit Cansu Dere als Kommissarin Nevra. Aber auch den restlichen Darstellern gelingt es ihren jeweiligen Charakter dem Zuschauer detailliert näher zu bringen. So lernt man über die Zeit alle immer näher kennen und das alles durch ein gesellschaftskritisches Auge: Alkoholsucht, Frauenfreindlichkeit, Mobbing am Arbeitsplatz, Selbstjustiz und Korruption - viele Themen füllen die Geschichte.
Allerdings verliert die Serie etwas an Tempo durch die Liebe zum Detail der Charaktere, so das man manchmal mit dem an Alzheimer leidenden Agâh, vergisst worum es eigentlich geht in dem Kriminalteil. Natürlich bringt die Krankheit das langsame Tempo mit sich und man sollte sich auch drauf einlassen wollen und etwas Geduld mitbringen. Schnell glaubt man zu wissen, worum es geht, aber die Story hat später noch so einige Überraschungen parat.
Das ganze wird hervorragend von einer großartigen Regie, sowie erstaunlichen Kameraführung in Szene gesetzt. Das Framing, die Schnitte am Ende, die Musik, die Farben - sie alle ergänzen und unterstützen das Setting wunderbar. Das Colorgrading wird als Stilmittel immer passend eingesetzt. Die Dialoge sind in manchen Momenten fantastisch und haben eine starke soziale Botschaft. Es ist eine originelle und einfallsreiche Geschichte, die sich zu einem tief berührenden Schluss aufbaut.
Ab der 10. Folge gewinnt das ganze noch mal Tempo und Haluk Bilginer fährt zur Höchstform auf. Die letzten drei Folgen gehen einem immer mehr unter die Haut mit einigen richtig guten Wendungen und Überraschungen. Die Grausamkeit nimmt ein ungeahntes Ausmaß an. Es wird emotional und hat mich doch ein paar Taschentücher gekostet.
Insgesamt hätte für mich die Serie gut auch auf die Hälfte gekürzt werden können. Das Tempo ist langsam und das Drama bekommt so viel Gewicht, das es mir teilweise zu melodramatisch in der jeweiligen Gefühlswelt war. Der Humor hat mir allerdings über einige Strecken geholfen. Immer wieder kommt es glücklicherweise zu komischen Situationen, die die Schwermut wieder etwas auflockern. Man braucht wirklich etwas Sitzfleisch um die ersten neun bis zehn Folgen mit einigen Längen zu überstehen, aber dann wird man mit einem großartigen Finale belohnt.
Nach dem diese Serie so hoch bewertet ist in div. Kritik-Foren waren meine Erwartungen auch dementsprechend und konnten leider nicht ganz erfüllt werden, da hier das Drama vor dem Thriller/Krimi Anteil im Vordergrund steht.
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Fazit:
Ausgezeichnet - Auch wenn mir das Tempo am Anfang gefehlt hat, bewegt diese außergewöhnliche und vielschichtige Story, die großartig umgesetzt wurde.