Nachdem die erste Staffel den Spagat zwischen Biopic, Kostümfilm und persönlichem Drama recht gut hinbekam, setzt der Nachfolger zumindest erzählerisch oft mehr auf die Konventionen royaler TV-Kost. So steht gleich zu Beginn eine Eifersuchtsgeschichte im Raum, während Prinz Alberts Begeisterung für die Errungenschaften von Naturwissenschaften und Technik untergeht. Als Rache für sein augenscheinliches Interesse an einer anderen schlauen Dame wendet sich Victoria wieder dem inzwischen pensionierten Lord Melbourne (Rufus Sewell) zu, inklusive aller möglichen Streits und Verwirrspielen.
Da gerät auch der anfangs noch recht bedrohlich wirkende Afghanistan-Konflikt in Vergessenheit, über dessen wahres Ausmaß sich die Königin schlecht informiert fühlte. Zusätzlich sorgt eine neue Oberhofmeisterin, die Herzogin von Buccleuch (Diana Rigg, alias Olenna Tyrell aus "Game of Thrones") für knarzigen Humor und einen Generationenkonflikt nach Schema F. Etwas ernster wird es, als in einer nächsten Folgen gleich drei Nebenfiguren, die zumindest für Victoria und Albert eine gewisse Bedeutung hatten, das Zeitliche segnen.
Neben dem üblichen Familiendrama in Gold und Seide werden viele Ereignisse der damaligen Zeitgeschichte recht knapp behandelt. Freilich stehen gemäß Erwartungshaltung des Publikums nach wie vor die aus Victorias Tagebüchern exzerpierten persönlichen Erinnerungen der Königin und das Leben im Palast im Vordergrund. Obwohl der Hungerskatastrophe in Irland immerhin eine im Vergleich zum Rest relativ drastische Folge gewidmet wird, scheint keines der jeweiligen Ereignisse wirklich Spuren zu hinterlassen.
Nicht einmal die zu dieser Zeit längst um sich greifende industrielle Revolution und die wirtschaftlichen Veränderungen durch den Bau von Dampfschiffen und Eisenbahnstrecken machen sich bemerkbar. Als größte Neuerung führt Prinz Albert unter höflichem Applaus der Dienerschaft ein WC im Palast ein, das war's dann aber auch schon.
Gleich nach der Irland-Folge macht das Königspaar übrigens einen sehr unterhaltsamen Ausflug in die schottischen Berge. Zwischen Highlandern und lokalem Brauchtum wird es derart humoristisch und romantisch, dass alle anderen Konflikte schnell vergessen sind. Das ist nach aller Düsternis ein ganz netter Lichtblick, allerdings zugleich ein Phänomen, das sich durch die gesamte Serie zieht. Ein Konflikt mit den Webern wird durch einen prächtigen Ball gelöst, durch dem das Gewerbe wieder ordentlich Kundschaft hat. Währenddessen protestiert die einfache Arbeiterschaft, die Victorias noble Geste als dekadentes Gehabe missversteht, lautstark vor dem Schloss. Das macht ihre Majestät kurz nachdenklich, weitere Auswirkungen zeigen sich kaum.
Reichlich Drama also, aber eher wenig Geschichte. Victorias starkes Temperament steht ihr gelegentlich im Weg, ansonsten wirkt sie eher wie ein zu bemitleidendes Opfer der Umstände. Im Herzen Vordenkerin und Querkopf, in Wirklichkeit Inbegriff der "guten alten Zeit". Die Konfrontation mit eigenen Fehlentscheidungen, wie sie noch in Staffel 1 vorkam, oder mit denen ihrer Regierung spielt kaum noch eine Rolle. In Sachen Ausstattung und ganz großen Gefühlen wurde noch eine große Schippe auf die erste Staffel draufgelegt, alles andere verkommt trotz reichlich vorhandener Themen zum Hintergrundgeräusch.