Ich bin jetzt mit 54 Jahren in diese Serie gestolpert und hab mich ad hoc darin verliebt. Sowohl Marinette als Ladybug und Adrien als Cat Noir wurden sehr facettenreich ausgearbeitet. Die im normalen Leben total schüchterne und sehr selbstkritische Marinette, Tochter von Bäckern, die tagtäglich Probleme damit hat, ihren Alltag unter Kontrolle zu bringen, wird nach ihrer Verwandlung zu Ladybug zu einer mutigen Superheldin, die ihre Gegner mit viel Klugheit bezwingt. Anders verhält es sich mit Adrien, dem feschen Sohn eines Top Modedesigners. Er ist nicht nur seines Vaters Fotomodel, sondern von ihm überbehütet worden und will für sich selbst eigentlich nichts mehr als ein ganz normales Schülerleben. Als Cat Noir ist er nicht soviel anders als als Adrien. Er ist mutig, hilfsbereit, als Superheld aber zumeist auf die klugen Ideen seiner Kollegin angewiesen. Beide Charaktere ergänzen sich und es wird mit den ersten Abenteuern schon klar, dass sie vor allem im gemeinsamen Zusammenspiel erfolgreich sind. Pikant ist dass beide nichts von der Identität des anderen wissen und im Alltag in derselben Schulklasse sitzen. Verschärft wird das noch dadurch dass Marinette in Adrien verliebt ist, Adrien als Cat Noir aber in Ladybug. So stehen sich die beiden Teenager durch ihre Doppelrolle als Schüler/Helden quasi selbst im Weg. Ihre Verwandlung erfolgt nicht einfach so, sondern beiden Helden wurden sogenannte "Kwamis" beigegeben (das wird in der ersten Staffel in den Folgen 11 und 12 gezeigt). Diese kleinen Wesen können die Verwandlung machen, indem sie in die "Miraculous", Ohrringe bei Marinette und ein Ring bei Adrien, schlüpfen und so eins mit den Helden werden. Lässt ihre Kraft nach, ist die Rückverwandlung nur noch eine Frage von wenigen Minuten.
Was die Serie für mich so besonders hervor hebt ist dass auch all die Nebencharaktere und auch die "Bösewichte" (die zumeist gar nicht so böse sind) mit viel Liebe gestaltet sind. Selbst Figuren, die oft nur in einer einzigen Folge auftauchen, haben ihre Geschichte. Die "akumatisierten" Superschurken sind nicht per se Schurken, sondern ganz normale Menschen, die durch eine emotionale Verletzung (meist Missachtung, Eifersucht oder Kränkung) selbst zu Opfern von Hawk Moth wurden. Er bringt sie mittels magisch veränderter Schmetterlinge (den Akumas) in seinen Bann und kann sie mit "Superkräften" ausstatten, die immer mit der jeweiligen Geschichte der akumatisierten Person in Verbindung stehen. Dementsprechend ist der Kampf der beiden Helden Ladybug und Cat Noir weniger ein Kampf gegen die akumatisierten Teilzeitschurken, sondern es gilt den Hort des Akumas (der sich immer in einem dem Opfer wichtigen Gegenstand aufhält) zu finden, in die Hände zu bekommen und den Akuma frei zu setzen, um dadurch auch die Beherrschung der Opfer zu beenden. Ganz interessant ist dass auch Hawk Moth nicht einfach nur böse ist, sondern auch eine Geschichte hat, die nach und nach im Lauf der Serie ans Licht kommt.
Typische Schurkenmotive wie Macht und Geld spielen keine Rolle, es geht vor allem um Emotionen im täglichen Miteinander und die Serie zeigt sehr deutlich, wie man durchaus liebenswerte Menschen, indem man sie emotional verletzt, selbst zu "Tätern" machen kann. Die die ganze Serie durchziehende Lehre ist eindeutig, Empathie, Respekt und Rücksicht sorgen für ein friedliches und freundliches Miteinander. Da die Serie mit Ausnahme weniger Freigaben ab 6 Jahren, ohne Alterbeschränkung ist, ist das ein sehr nützlicher erzieherischer Effekt. Das sehr gut gezeichnete pubertäre Gefühlschaos, das sich nicht nur auf die beiden Helden beschränkt, sondern auch das Umfeld mit einbezieht, erinnerte mich selbst an meine vergangenen pubertären Liebesnöte.
Der strukturelle Aufbau der einzelnen Folgen ist faktisch stets gleich und folgt einem Muster. Im Prolog wird der Alltag der Helden und die Geschichte des "Schurken der Folge" behandelt und endet mit Hawk Moth, der einen Akuma zu seinem heutigen Opfer sendet. Dann beginnt der actionreiche Mittelteil, in welchem der Schurke sein durch die Vorgeschichte motiviertes Unheil anrichtet und der Kampf von Ladybug und Cat Noir gegen ihn, um ihn zu "entakumatisieren". Da gibt es immer mehrere Ansätze, bis die Situation so eskaliert dass beide Helden ihre jeweilige Superkraft einsetzen müssen. Die von Cat Noir ist der Kataklysmus, wodurch er das erste Objekt das er berührt, zerstört. Er wendet diese Kraft nie gegen ein Lebewesen an. Ladybugs Superkraft ist der Glücksbringer, wodurch aus dem Nichts ein hilfreicher Gegenstand geschaffen wird. Zumeist ist das ein Gegenstand aus dem Alltag, der auf den ersten Blick völlig nutzlos erscheint. Ladybug muss dann immer erst durch kluges sondieren der Situation und Umgebung erkennen, wie sie den Gegenstand einsetzen kann. Im Epilog wird dann die Vorgeschichte sowohl der beiden Teenager als auch des akumatisierten Opfers aufgearbeitet.
Ich empfinde mehrere Aspekte der Serie als besonders attraktiv. Die Helden sind im Alltag mit ihren eigenen Problemen behaftet, sie sind keineswegs perfekt und lernen selbst mit ihren Abenteuern dazu. Alle Mitschüler sind in die Serie eingebunden und nicht einfach nur so da, sondern haben auch ihre eigenen Geschichten, wie z.B. die Liebe zwischen der pummeligen kleinen Mylène und dem großen muskulösen Ivan, oder die Verliebtheit von Nino in Marinette. Nino ist auch Adriens bester Freund, Alya dagegen die beste Freundin von Marinette, betreibt einen Fanblog zu Ladybug und versucht alles um hinter die Identität ihrer angehimmelten Heldin zu kommen, ohne zu wissen dass es ihre beste Freundin ist. Was natürlich auch Marinette immer wieder in Nöte bringt. Auch die multikulturelle Gesellschaft von Paris fließt ganz natürlich mit ein, ohne ein wokes Trara darum zu machen. Z.B. ist Marinette die Tochter eines Bäckerehepaares, ihr Vater Franzose, ihre Mutter gebürtige Chinesin. Der oben angesprochene Ivan hat slawische Wurzeln, andere Mitschüler sind farbig. Aber das wird wie gesagt ganz natürlich eingebunden in die Serie, was mir extrem gut gefällt.
Nach meiner Meinung eine für Kinder speziell aber auch für Menschen aller Altersstufen wertvolle und unterhaltende Serie, die mit viel Liebe gemacht worden ist. Mein Respekt an die Macher aus Frankreich, Südkorea, Japan und Italien!