Sie galt als die First Lady des Hollywoodfilms und hatte das schnellste und dreckigste Mundwerk, das sich ein Star im prüden Amerika seit Mae West erlauben durfte: Bette Davis. Anders als bei ihrer platinblonden Zunft- und Zeitgenossin handelte es sich bei der 1,60 Meter großen Davis aber auch um eine sehr renommierte und vielfach ausgezeichnete Charakterdarstellerin mit prägnanten Gesichtszügen. Seit ihrem Hollywood-Debüt Anfang der 1930er Jahre wirkte sie in mehr als hundert Filmen von stark schwankender Qualität mit und wurde vor allem berühmt für ihre Verkörperung komplexer, schwieriger Frauenfiguren, die in der Regel ein tragisches Schicksal ereilt. Mit ihren großen, tiefen Augen und ihrer kleinen, stattlichen Figur avancierte Davis zu einer der berühmtesten Darstellerinnen ihrer Generation und gilt mit ihrem Geschäftssinn und ihren acht Oscar-Nominierungen noch heute als Vorbild für zahlreiche Schauspielerinnen späterer Generationen.
Erste Erfolge am Theater und schmerzliche Erfahrungen in Hollywood
Ruth Elizabeth Davis ist die Tochter eines Anwalts und einer Porträt-Fotografin und wuchs nach der Scheidung ihrer Eltern mit der Mutter und der jüngeren Schwester in New York auf. Das Mädchen aus einer protestantischen Familie mit englischen, französischen und walisischen Vorfahren begeisterte sich erstmals für die Schauspielerei, als sie das Matinee-Idol Rudolph Valentino in dem Stummfilm-Abenteuer „Die vier Reiter der Apokalypse“ (1921) sah. Nach dem Besuch eines Pensionats für Mädchen schrieb sich Davis für mehrere Theaterschulen ein, bekam aber aufgrund ihres forschen Auftretens zahlreiche Absagen. John Murray Anderson’s Theaterschule nahm sie schließlich an und sie wurde zu einer Vorzeigeschülerin. Ihr Debüt am Broadway gab sie 1929 unter dem Künstlernamen Bette, den sie Honoré de Balzacs Stück „La Cousin Bette“ entlieh. Ein Talentscout der Universal Studios sah sie bald bei einer Aufführung und lud sie zu Probeaufnahmen nach Hollywood ein. Doch ein Abgesandter des Studios, der sie vom Bahnhof abholen sollte, lief an ihr vorbei, weil er sie nicht für einen konventionell schönen Filmstar hielt. Als Universal dann noch ihren Namen in Bettina Dawes ändern wollte, platzte Davis ihr Kragen.
Erfolge und Streitereien mit Warner Bros.
Nach mehreren Misserfolgen bei Universal brachte Bette Davis der Wechsel zum Warner Bros.-Studio, wo sie ein Siebenjahresvertrags als Schauspielerin unterschrieb, den gewünschten Durchbruch. Ausschlaggebend hierfür war ihre Vorstellung in der Warner Bros.-Produktion „The Man Who Played God“ an der Seite des damaligen Stars George Arliss. Doch trotz gefeierter Leistungen. wie beispielsweise für ihre Rolle in der RKO-Produktion „Of Human Bondage“ neben Leslie Howard, bekam sie auch bei Warner Bros. nicht die großen Rollen, die sie anstrebte, und musste sich mit Love-Interest-Rollen für etablierte männliche Stars zufrieden geben. Nachdem sie für „Of Human Bondage“ zu allgemeiner Verwunderung nicht für den Oscar nominiert wurde, erhielt sie ihn dann im Folgejahr für die Rolle einer erfolglosen Schauspielerin im Drama „Dangerous“ (1935). Davis betrachtete den Preis damals als Wiedergutmachung für „Of Human Bondage“. Trotz ihrer künstlerischen und kommerziellen Erfolge bekam sie von Studiochef Jack Warner weiterhin kleinere Rollen. Schließlich zog Davis vor Gericht, um aus dem Vertrag entlassen zu werden. Sie verlor jedoch den Prozess und musste weiterhin Filme für ihren verhassten Studiochef drehen.
Die goldenen Jahre
Nach Auftritten in den zwei postklassischen Gangsterfilmen „Der versteinerte Wald“ an der Seite von Leslie Howard und Humphrey Bogart und als geprügelte Prostituierte, die sich mit dem organisierten Verbrechen anlegt, in „Mord im Nachtclub“ gewann Bette Davis ihren zweiten Oscar. Den Preis erhielt sie 1938 für ihre Darstellung einer arroganten Südstaatenschönheit in William Wylers „Jezebel – Die boshafte Lady“ an der Seite von Henry Fonda. Der Erfolg des Films machte Davis zum größten weiblichen Hollywood-Star der späten 30er und 40er Jahre, der von 1939 bis 1943 jedes Jahr eine Oscar-Nominierung als beste Hauptdarstellerin erhielt. Einige der besten Filme aus dieser Zeit sind Edmund Gouldings Liebes-Melodram „Opfer einer großen Liebe“ über eine wohlhabende Frau, die gegen ihren baldigen Tod ankämpft, Michael Curtiz‘ Abenteuerfilm „Güstling einer Königin“ mit Davis als stark geschminkter Königin Elisabeth I. (neben Errol Flynn) und William Wylers Thriller „Das Geheimnis von Malampur“, der zum Kassenhit avancierte. Ab der zweiten Hälfte der 1940er Jahre begann ihr Stern aber aufgrund mehrerer kommerzieller Misserfolge wieder zu sinken, bis sie nur noch in zweitklassigen Filmen zu sehen war.
Das große Comeback und die mageren Jahre danach
Als Claudette Colbert für die Rolle der wortgewaltigen Bühnendiva Margo Channing in Joseph L. Mankiewicz Backstage-Satire „Alles über Eva“ (1950) absagen musste, sprang Bette Davis für ein und erlebte mit ihrer wohl berühmtesten Filmrolle ein großes Comeback. Der Film wurde 14 mal für den Oscar nominiert und erhielt sechs Trophäen, während die ebenfalls nominierte Davis den Schauspielpreis von Cannes gewann. Eine schwere Erkrankung schmälerte das Arbeitspensum der Schauspielerin in den folgenden Jahren erheblich. Bemerkenswerte Davis-Filme aus dieser Zeit sind „Die unteren Zehntausend“ (1961), Frank Capras schwaches Remake seines Klassikers „Lady für einen Tag“ von 1933 und die grotesken Psychodramen „Wiegenlied für eine Leiche“ neben Olivia de Havilland und „Was geschah wirklich mir Baby Jane?“ an der Seite der von Davis verhassten Joan Crawford, wofür es die zehnte und letzte Oscar-Nominierung gab. Ab den späten 60er Jahren war Davis dann nur noch für ihre zahlreichen Fernsehauftritte (einen Emmy gab es für „Heimkehr einer Fremden“, 1979) und raren Filmnebenrollen in drittklassigen Produktionen bekannt.
Bette Davis, der zahlreiche Affären, unter anderem mit ihrem Lieblingsregisseur William Wyler nachgesagt wurden, war insgesamt vier Mal verheirat und hinterließ drei Kinder. Sie starb 1989 in Frankreich an Brustkrebs.