+++ Meinung +++
Was wäre der Oktober ohne ein paar Killerfilme, um das Warten auf Halloween zu versüßen? Im Kino steht als diesen Appetit stillendes Filmfutter derzeit unter anderem der blutige (und sich durch die Erwartungen des Publikums schlitzende) „Halloween Ends“ zur Auswahl. Wenn es hingegen ein wenig absurder zur Sache gehen soll – sei es zwecks Abwechslung oder weil ihr mit klassischem Horror wenig anfangen könnt –, kommt ihr heute im Free-TV zum Zuge:
In der Serienkiller-Groteske „Monsieur Killerstyle“ kauft sich ein Loser eine Lederjacke und beginnt eine schrille Mordserie, damit sich die Jacke wohlfühlt! Heute, am 19. Oktober 2022, ist „Monsieur Killerstyle“ bei arte zu sehen – und zwar ab 22.55 Uhr. Darüber hinaus könnt ihr den Film auf diversen Streamingportalen abrufen, etwa Prime Video.
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Falls ihr den „superfresh Channel“ bei Prime Video abonniert habt, ist „Monsieur Killerstyle“ sogar ohne Aufpreis im Abo inbegriffen. Alternativ ist die Killer-Komödie bis zum 17. November 2022 in der arte-Mediathek zu finden.
"Monsieur Killerstyle": Dupieux zieht schön schräg vom Leder
Georges (Jean Dujardin) lässt sein bisheriges Leben hinter sich und kauft eine gebrauche Lederjacke im Cowboy-Look. Er bewundert das Teil aus 100% Hirschleder ununterbrochen und steigt in der Provinz ab, wo er die Barkeeperin und Hobby-Cutterin Denise (Adèle Haenel) kennenlernt. Ihr gegenüber behauptet Georges, Regisseur zu sein, der gerade einen bahnbrechenden Film dreht. Das Mastermind hinter Georges fadenscheinigen Lügen und sprunghaften Entschlüssen scheint seine eifersüchtige Jacke zu sein, die ihm eine brutale Abneigung gegen andere Jacken eintrichtert – sowie gegen die Menschen, die in ihnen stecken...
Bereits als Elektromusiker sorgte Regisseur und Autor Dupieux für Diskussionsstoff: Seine mitunter sehr repetitiven Stücke, die er unter dem Pseudonym Mr. Oizo veröffentlicht hat, wurden gefeiert und entnervt gehasst. Als Filmemacher bleibt sich der Franzose treu: Dupieux' Filme sind sehr schlicht, aber folgen einem ganz eigenen, faszinierend-sonderbaren Beat. Sie sind kurz, recht niedrig budgetiert und sonderlich viel passiert in ihnen üblicherweise auch nicht – dafür ist nahezu alles, das passiert, wundersam.
Ist das erfrischend-sinnlos oder verschroben-intellektuell? Womöglich einfach beides, denn diese Sichtweisen lassen sich mit identischer Leichtigkeit rechtfertigen. Auch die Frage, was genau in „Monsieur Killerstyle“ abgeht, bleibt eine Interpretationsfrage, die man genauso gut auswürfeln könnte: Ist Georges einfach ein Ehemann, dessen Mid-Life-Crisis im Eiltempo von neuen, sonderbaren Modevorlieben zum Anbaggern jüngerer Frauen und dann zu Gewaltexzessen schnellt? Rechtfertigt er sein Handeln, indem er sich Gespräche mit seiner Jacke bei vollem Bewusstsein einredet – oder bildet er sich diese Zwiegespräche im Wahn ein?
Ist das der verstörendste Horrorfilm des Jahres? Erste Publikumsreaktionen reichen von Ohnmacht bis Kotzen!Oder befinden wir uns hier in einer sonderbaren Welt und die Jacke ist tatsächlich von Mordlust erfüllt, weshalb sie Georges als ihr Werkzeug nutzt? Die Antworten auf diese Fragen dürften davon abhängen, wonach man sich beim Betrachten von „Monsieur Killerstyle“ sehnt. So, wie sich auch Denise beim Sichten des von Georges gedrehten Schrott-Materials die tollsten und tiefsinnigsten Absichten einbildet. Bloß, dass Dupieux, etwaige Intention hin oder her, wesentlich mehr drauf hat als sein verpeilter Protagonist.
Der hat nämlich überhaupt kein Auge für Ästhetik. Das hat bereits spröden Witz, wenn sich Dujardin mit dämlichem Lächeln und geistlosen Augen selbst betrachtet, wird aber endgültig zur knockentrockenen Farce, wenn er die Kamera in die Hand nimmt und filmt, was ihm vor die Linse kommt. So nichtssagend und unspektakulär Georges Aufnahmen trotz blutig-brachialer Inhalte sind, ist Dupieux' Material von sonderbarem ästhetischen Charme. Und das ist, obwohl in einigen Szenen nahezu gar nichts passiert, von großer Suggestionskraft.
Egal, ob Georges hauchend inhaltsleere, immer gleiche Floskeln in Richtung seines Spiegelbildes brabbelt, oder er mit einer über einem Stuhl hängenden Jacke kommuniziert: Dupieux schafft es, dass man sich vorstellt, was Georges gerade denkt oder welche Ansagen die Jacke ihm via Telepathie macht, sofern man ihr das zutraut. Dupieux weigert sich aber, irgendwann eine unmissverständliche Lösung zu präsentieren. Er lässt sein Publikum lieber wie Freiwild durch die Wiesen der Deutungsansätze wildern.
Das ist absolut konsequent, hat allerdings auch großes Provokationspotential. Allerdings muss man sich nicht dafür entscheiden, empört zu sein. Man kann „Monsieur Killerstyle“ genauso als dadaistische Groteske, schwarzhumorig-spröde Serienkiller-Genreparodie, als schrille Studie über Wirklichkeitsverlust oder als inszenatorische Fingerübung betrachten. Aber ganz egal, was ihr in „Monsieur Killerstyle“ seht: Es ist sicherlich spannender als Georges Filme, kohärenter als die Interpretationen der von Adèle Haenel gewitzt gespielten Denise und würdevoller als Georges Jacke.
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