Es schien, als würde Saul Goodman (Bob Odenkirk) im Finale von „Better Call Saul“ doch noch einmal allen ein Schnippchen schlagen. Verhaftet von der Polizei und angeklagt für seine Beteiligung an den Verbrechen von Walter White (Bryan Cranston) und Co. rechnet ihm der Staatsanwalt vor, dass ihn eine lebenslängliche Freiheitsstrafe plus 190 weitere Jahre erwarten kann. Doch Saul verhandelt und verhandelt und soll am Ende nur für etwas mehr als sieben Jahre in den Knast – auch noch in das Luxusgefängnis seiner Wahl, Golfplatz inklusive.
Doch beim Gerichtstermin, als es nur noch darum geht, das Strafmaß vor einer sich aufgrund der lächerlich geringen Höhe verwundert die Augen reibenden Richterin offiziell zu machen, packt Saul neu aus. Er widerruft seine Aussage, dass er nur unter Todesangst White und Co. half und schwingt sich zu dem Mann auf, ohne dessen Hilfe das ganze Drogengeschäft niemals gelaufen wäre.
Was steckt hinter dem Sinneswandel? Wird Saul jemals das Gefängnis verlassen? Warum spielte H.G. Wells Klassiker „Die Zeitmaschine“ so eine wichtige Rolle? Und an welche Szenen erinnern die letzten Momente mit gemeinsamer Zigarette vor karger Betonwand? Wir erklären es euch!
Saul Goodman wird für immer im Gefängnis bleiben
Dass Saul seinen Deal nicht bekommen hat, merken wir schon daran, dass er exakt in das Gefängnis gesteckt wird, welches er unbedingt vermeiden wollte. Dort erfahren wir gen Ende noch, dass er nun zu insgesamt 86 Jahren verknackt wurde. Vielleicht komme er wegen guter Führung noch raus, erklärt er. Es ist ein Scherz. Denn dazu wird es nicht kommen.
Das US-Rechtssystem sieht zwar eine Reduktion von Strafen wegen guter Führung vor, doch das reicht nicht, um ihm zu Lebzeiten zu helfen. Selbst bei bester Führung und maximaler Ausschöpfung dieser Regelung wird Saul für gut 70 Jahre im Knast bleiben – und so lange wird er nicht mehr leben. Es gibt also nahezu keine Chance, dass er jemals entlassen wird. Die einzige (unwahrscheinliche) Möglichkeit wäre eine Begnadigung.
Der Sinneswandel: Ein letztes Mal Jimmy McGill sein!
Doch warum ist Saul nun im Gefängnis? Warum hat er seine Aussage so radikal geändert? Weil er doch noch einmal ein Mensch wurde und seiner einzigen großen Liebe geholfen hat!
Die Macher führen uns dabei ganz großartig erst einmal in die entgegengesetzte Richtung. Wenn Saul Hank Schraders Witwe Marie (Betsy Brandt) gegenübertritt und sich in ihrem Angesicht selbst als weiteres Opfer von Walter White inszeniert, scheint Jimmy McGill endgültig Geschichte zu sein – und Saul Goodman einen neuen Tiefpunkt erreicht zu haben. Er blickt einer Frau ins Auge, die durch White alles verloren hat, und stellt sich allen Ernstes auf eine Stufe mit ihr.
Der Film, der die Fans von Bud Spencer und Terence Hill erzürnt hat, kommt dank Netflix jetzt auch nach DeutschlandDoch als ihn im Anschluss die Nachricht von Kims (Rhea Seehorn) Schuldeingeständnis erreicht, brodelt es in ihm. Der alte Jimmy, dem es nicht nur ums Geld ging, der einen anderen Menschen lieben konnte, ist doch noch nicht ganz weg. Und so ändert er seine Aussage, um die Frau zu schützen, die er liebt. Nur wenn er komplett auspackt, kann er dafür sorgen, dass man ihm abnimmt, auch allein für den Tod von Howard Hamlin (Patrick Fabian) verantwortlich zu sein.
Es ist ein großartig geschriebener Moment, weil in ihm so viel steckt. Es bricht wieder Jimmy durch, der nun bereut – sogar viel mehr, als er müsste. Sein Anwalt weist ihn einmal darauf hin, dass das jetzt gar kein Verbrechen mehr ist, was er gesteht, doch er muss sich auch die Sache mit seinem Bruder (Michael McKean) von der Seele reden. Gleichzeitig ist aber auch Saul Goodman noch da. Er genießt sein eigenes Geständnis, feiert es, wie er noch ein letztes Mal einen Gerichtsraum mit seiner Show dominiert … und überspielt so sogar seine eigene Rolle noch, in dem der Narzisst sich als wahres Mastermind der ganzen Drogenoperation beschreibt.
Saul Goodman wird ihn für immer verfolgen
Brillant ist der darauf folgende Gefangenentransport. Jimmy glaubt, sein Alter Ego Saul Goodman hinter sich gelassen zu haben. Hat er zu Beginn der Aussage vor Gericht noch auf den Namen Saul Goodman bestanden, will er nun wieder Jimmy McGill genannt werden – und sogar die Gegenseite nutzt nach einer Korrektur bei ihrer auf der Tonspur langsam verblassenden Argumentation wieder seinen Geburtsnamen.
Doch im Transport erkennt ein anderer Mithäftling ihn aus seinen TV-Spots. Am Ende singt der ganze Bus seinen Slogan „Better Call Saul“ und später im Gefängnis nennen ihn alle Mithäftlinge nur Saul. Wir sehen zwar nur, dass er seine erworbenen Back-Kenntnisse als Cinnabon-Manager in der Gefängnisküche einsetzt, doch wir können uns denken, dass auch sein altes Handwerkszeug weiter zum Einsatz kommt und er seine Mithäftlinge juristisch berät. Für sie ist er schließlich Saul Goodman. Das Monster, welches er erschaffen hat, wird er nicht mehr los.
Er hat nicht die Zeitmaschine von H.G. Wells
In der finalen Staffel kam mehrfach das Buch „Die Zeitmaschine“ von H.G. Wells vor. Wir sahen es bei der Räumung von Sauls Anwesen durch das FBI und auf seinem Nachtisch in der gemeinsamen Wohnung mit Kim. Im Finale sehen wir nun, dass sein Bruder das Buch besessen hat. Es ist also wohl eine Hinterlassenschaft von Chuck – und symbolisiert das Bereuen alter Taten.
Gleich zwei Mal wird dies in Dialogen gespiegelt. Sowohl mit Mike (Jonathan Banks) wie auch mit Walt spricht Saul darüber, wie es wäre, eine Zeitmaschine zu haben. Während Mike darüber redet, den Moment zu korrigieren, als er ein korrupter Cop wurde und sich Walt an die Zeit erinnert, als er sein später erfolgreiches Unternehmen verließ, scheint auch Saul kurz über Reue zu reden.
Doch er öffnet sich in beiden Gesprächen nicht. Statt zu sagen, dass er den Moment korrigieren würde, als er Saul Goodman wurde, erzählt er mal wieder eine Geschichte. Er spricht darüber, wie er viel Geld verdienen könnte oder eine kleine Knieverletzung vermeiden würde. Er kann gegenüber diesen Menschen nicht bereuen – das geht nur gegenüber Kim.
Kurzer Einschub: Übrigens ist diese Szene auch gleichzeitig ein toller Epilog zu „Breaking Bad“, weil sie noch mal aufzeigt, wie Walt tickt. Der kann selbst in diesem Moment keinen eigenen Fehler eingestehen und einsehen, dass er selbst aus eigenem Antrieb eine dumme Entscheidung getroffen hat, sondern fabuliert eine Geschichte herbei, dass er manipulativ dazu gebracht wurde, seine eigene Firma zu verlassen.
Die Zigarette: Erinnerung an den Serienauftakt
Nur gegenüber Kim kann Saul also noch Jimmy sein. Vor ihr im Gerichtsraum bricht es aus ihm heraus und mit ihr im Gefängnis kann er die Maske „Saul Goodman“ auch für einen Moment vergessen. Wenn beide an der Wand im Besuchsraum lehnen und sich eine Zigarette teilen, ist dies nicht nur eine Reminiszenz an die vielen gemeinsamen Raucher-Abende auf ihrem Balkon, sondern vor allem an die allererste Episode von „Better Call Saul“.
Nach einem Wutausbruch, bei dem er einen Mülleimer demoliert, trifft Jimmy auf die in der Tiefgarage rauchende Kim. Sie teilen sich eine Zigarette, lehnen dabei an einer ähnlich kargen Wand wie nun hier im Gefängnis. Schließlich geht sie, während Jimmy zurückbleibt. Am Ende wiederholt sich diese Szene aus der allerersten Folge im Gefängnis. Kim geht nun in ihr neues Leben, sie wird in ihrer neuen Berufung in einer Rechts-Hilfsorganisation für Frauen, die Gewalt erfuhren, Menschen zur Seite stehen. Er bleibt zurück – im Gefängnis, wo er für alle nur Saul Goodman ist.