+++ Meinung +++
Verstörend, bezaubernd oder doch beides? Auf bezaubernde Weise verstörend oder auf verstörende Weise bezaubernd? Egal, denn wie man es dreht und wendet: „The Innocents“ ist einer der besten Filme des Jahres. Der Thriller über unheimliche Vorkommnisse in einer Hochhaussiedlung wurde auf dem Fantasy Filmfest 2021 gefeiert und kam vergangenen Monat von euphorischen Kritiken begleitet in die Kinos – allerdings bloß mit wenigen Kopien, so dass viele Filmfans gar nicht erst in den Genuss kamen, ihn sich anzuschauen.
Glücklicherweise dauert es bis zum Heimkinostart von „The Innocents“ aber nicht mehr allzu lange – und ihr könnt euch den Film sogar schon jetzt für zuhause sichern, u. a. als Limited Edition im Mediabook. Voraussichtlicher Erscheinungstermin ist der 29. Juli 2022, sowohl über den Shop von Verleiher Capelight selbst als auch bei Händlern wie Amazon sind Vorbestellungen bereits möglich. Dass es für einen der wenigen Filme dieses Jahr, für den wir in der Kritik die vollen fünf Punkte vergaben, von uns eine klare Empfehlung gibt, erklärt sich an dieser Stelle wohl von selbst...
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"The Innocents": Gute-Nacht-Spielplatzgrusel
Die jungen Geschwister Ida (Rakel Lenora Fløttum) und Anna (Alva Brynsmo Ramstad) sind neu in eine Hochhaussiedlung gezogen. Während Idas Frust darüber an ihren Eltern abprallt, muss ihre autistische Schwester zunächst als menschlicher Stressball herhalten. Die Dynamik ändert sich, als die Schwestern auf dem Spielplatz neue Freunde finden: die ebenso schüchterne wie freundliche Aisha (Mina Yasmin Bremseth Asheim) und den schnell frustrierten Ben (Sam Ashraf). Bald zeigt sich, dass Aisha über telepathische Kräfte verfügt, dank derer sie mit Anna kommunizieren kann. Ben wiederum entwickelt telekinesische Fähigkeiten. Und aus großer Macht folgt in Kombination mit kindlichem Gemüt alsbald großes Elend...
Die Reaktionen auf „The Innocents“ weisen eine riesige Bandbreite auf. Die meisten Filme, bei denen es derart unterschiedliche Reaktionen gibt, kann man guten Gewissens als „Publikumsspalter“ bezeichnen, da bei ihnen über „Schrott“ oder „Meisterwerk“ diskutiert wird. „The Innocents“ ist da anders: Dass die Regiearbeit des „Thelma“-Autors Eskil Vogt hervorragend ist, ist konsensfähig – man muss in der Presse geradezu mit der Lupe nach Gegenstimmen suchen. Doch das Warum?, das ist erfrischend kontrovers.
Mein FILMSTARTS-Kollege Tobias Mayer berichtete von einem Sitznachbarn, der das Kino verlassen hat, weil es ihm zu viel wurde – und das auf dem Fantasy Filmfest, dessen Publikum doch eher zur hartgesottenen Sorte gehört. Auch meinen Kollegen Christoph Petersen hat „The Innocents“ auf der Psychothriller-Wellenlänge erreicht. Er feiert den Film in seiner 5-Sterne-Kritik als „gnadenlos böse“ und als „ebenso radikales wie niederschmetterndes Meisterwerk“.
The InnocentsReaktionen, die ich vollauf nachvollziehen kann. Wenn beispielsweise in einer Szene ein Dreikäsehoch im Treppenhaus überprüft, ob Katzen tatsächlich stets auf allen vier Pfoten landen, darf einem ruhig das Blut hochkochen. Und Vogts Bildsprache ist streckenweise so nervenaufreibend eisig, dass es einem selbst ohne Tierleid-Eskalation die Kehle zuschnüren kann. Doch hätte man mich nach meinem „The Innocents“-Kinobesuch gefragt, wie ich ihn fand, so hätte meine allererste Reaktion gelautet: „Echt schön!“ Und damit bin ich keineswegs allein auf weiter Flur – „The Innocents“ erreicht mich und einige weitere Fans nämlich voll auf der „Fabel-Funkwelle“.
Denn im Film finden sich neben unbeaufsichtigten Kindern, deren unfertige Moralvorstellungen wiederholt schlimm ausarten, zahlreiche bittersüße oder gar süße Beobachtungen. Es ist ein Werk über die unerklärliche Gefühlswelt, die die Kindheit durchzieht. Das sonderbar beruhigende Gefühl, dass der größte Konflikt der großen weiten Welt nicht über den Spielplatz hinausragt. Und über die schlicht vom Bauchgefühl getragene Kommunikation zwischen Kindern, die dazu führt, dass man sich (zunächst) mag, einfach, weil man gerade am selben Ort ist.
„The Innocents“ ist herbe Kindheitsnostalgie und bezaubernder Horror zugleich – und das muss man einfach gesehen haben, um mitreden zu können! Wie angeregt, interessant und nachdenklich Gespräche über den übernatürlichen Thriller werden können, zeigte kürzlich bereits der FILMSTARTS-Podcast Leinwandliebe:
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