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    Streaming-Tipp: Einer der besten Netflix-Horrorfilme des letzten Jahres, von dem ihr bestimmt noch nie gehört habt

    Im Juli 2021 hat die „Fear Street“-Trilogie auf Netflix bei Horror-Fans für leuchtende Augen gesorgt. Zeitgleich gab es auf der Streaming-Plattform aber noch einen weiteren Genre-Leckerbissen, über den kaum gesprochen wurde: „A Classic Horror Story“.

    Netflix

    +++ Meinung +++

    Mit den drei „Fear Street“-Filmen, die sehr lose auf den gleichnamigen Jugendbüchern von R. L. Stine basieren, hatte Regisseurin Leigh Janiak letztes Jahr einen echten Nerv getroffen. Die Netflix-Teenie-Slasher stehen ganz im Zeichen von Klassikern wie „Freitag, der 13.“ oder „Scream“, allerdings ohne große Genre-Selbstreflexion. Die Trilogie ist (abgesehen vom feministisch-moderneren Ton) eine recht lupenreine Liebeserklärung an dieses „spaßige“ Gemetzel-Kino der 70er, 80er und 90er Jahre. Ein nostalgischer Trip in die Vergangenheit eben.

    Demgegenüber steht der ebenfalls mitten im Juli 2021 auf Netflix erschienene „A Classic Horror Story, der letztes Jahr vielleicht auch wegen der direkten „Fear Street“-Konkurrenz nicht die verdiente Aufmerksamkeit fand. 

    Hier geht es keineswegs so „klassisch“ zu, wie sich der Film auf den ersten Blick gibt. Vielmehr mixen Regisseure Roberto De Feo und Paolo Strippoli eine hochmoderne bild- und soundgewaltige Inszenierung mit einem zeitgemäßen Neuanstrich des Meta-Horrors, der sogar noch ein paar Schritte weiter geht als etwa „Scream“ oder „The Cabin In The Woods“. Nicht nur die Konventionen des Genres, auch dessen Fanboys und Kritiker werden gleichermaßen aufgezogen. Heraus kommt eine rastlose „Peeping Tom“-Variante auf der Höhe der Zeit – sicher nicht ohne Schwächen, aber dafür ganz ohne unnötigen Schnickschnack.

    Darum geht's in "A Classic Horror Story"

    Die schwangere Elisa (Matilda Lutz), der Nerd Fabrizio (Francesco Russo), der grummelige Arzt Riccardo (Peppino Mazzotta) und das extrovertierte Pärchen Sofia (Yuliia Sobol) und Mark (Will Merrick) teilen sich via Carsharing eine Autofahrt gen Süden Italiens. Doch die recht harmonische Reise nimmt ein abruptes Ende, als sie nachts einem toten Tier ausweichen und gegen einen Baum knallen. Am nächsten Morgen wachen sie samt Wohnwagen ganz woanders auf, mitten in einem dichten Wald. Vor ihnen: Eine unheimliche Hütte, die Anzeichen für einen satanistischen Kult birgt. Doch ist wirklich alles so, wie es scheint?

    Eine Liebeserklärung mit Schnappfalle

    Lange Kameraeinstellungen, artistisch ausgefeilte satte Bilder, minimalistisch wummernde und kreischende Klänge: Die stilistische Aufmachung von „A Classic Horror Story“ schlägt voll in die Kerbe des modernen, hyperintensiven Horrorfilms, wie bspw. „The Witch“ oder „The Lodge“. Besonders angetan zu haben scheint es den Machern aber Ari Aster, Regisseur von „Hereditary“ und „Midsommar“. Gerade in der zweiten Hälfte kann man da kaum noch von bloßen Referenzen als vielmehr von regelrechter Imitation sprechen.

    Diese unverblümte Nachahmung liegt jedoch nicht etwa an mangelndem Einfallsreichtum. Es ist die genussvolle Zelebrierung eines brandaktuellen cineastischen Trends („Midsommar“ kam gerade einmal zwei Jahre vorher in die Kinos), nur um das Ganze anschließend zunehmend scharfzüngiger zu hinterfragen. Ganz im Sinne von: Die-hard-Fans von Aster und Co. (wie ich es definitiv einer bin) sollen mal von ihrem hohen Ross runter – ist doch eh alles voneinander geklaut. So verschmelzen beispielsweise auch Szenen aus „Midsommar“ mit solchen des 1974-Klassikers „Blutgericht in Texas“. Die streckenweise extreme Deckungsgleichheit von vordergründig so grundverschiedenen Filmen wird glasklar.

    Einer der Gejagten ist selbst Prototyp des anstrengenden Horrorfans, kommentiert jede ihm bereits aus Filmen bekannte Situation. Und ihn bringen solche Plagiatsvorwürfe natürlich auf die Palme. Dabei schwärmt er doch ironischerweise immer wieder selbst davon, wie unabdingbar viele Tropes für das Genre sind. So bekommen die späteren Opfer (allesamt subtil überspitzte Klischees) jeweils eine emotionale Backstory verpasst – für den obligatorischen Sympathiefaktor, wenn sie dann im Anschluss gemeuchelt werden. Erneut zur Sprache kommen die angeschnittenen Handlungsstränge, wie es sich halt gehört, nicht mehr.

    Jeder bekommt sein Fett weg

    Die bösen Psychos sind Satanisten oder so was. Ihr Motiv? Irgendwas mit satanistischen Ritualen. Wen kümmert's? Es sieht verdammt cool aus und ist schön makaber. Am Ende des Tages haben wir für eine Sache eingeschaltet: Splitternde Knochen und abgetrennte Organe. Da fühlen sich die genre-verabscheuenden Sittenwächter freilich gleich bestätigt. Doch bevor diese auch nur ihren Finger heben können, grätscht „A Classic Horror Story“ erneut dazwischen und sagt: „So what?“ Dass Menschen schaulustig sind und von Abgründigem angezogen werden ist wahrlich nichts Neues. Von „schlechtem Geschmack“ ist allerdings nur die Rede, wenn das Gesehene fiktiv ist. Die Konsequenz, welche der Film zieht, ist entsprechend schwarz.

    Damit schließt sich auch der Kreis. Denn „A Classic Horror Story“ ist im Kern eben keine alberne Parodie, sondern ein das Genre ernst nehmender blutiger Schocker mit einer augenzwinkernden (nur halbernst gemeinten) Botschaft an Möchtegern-Virtuosen und selbstgerechte Nörgler: „Vielleicht einfach mal die Klappe halten“. In einer aberwitzigen Szene wird das buchstäblich umgesetzt, als eine nervtötende Figur mit einer saftigen Backpfeife abgewürgt wird.

    Selbstverständlich ist der Film kein Meisterwerk. Dafür rattert er bei einer Laufzeit von nur 90 Minuten viel zu schnell durch seine zahlreichen Ideen. Aber das traue ich mich eigentlich kaum zu sagen – schließlich hat man auch für diese Kritik bereits einen letzten Seitenhieb vorbereitet, welcher in der Metaebene abermals eine Stufe zurückgeht.A Classic Horror Story“ spielt den Zuschauer clever an eine Wand – und auch wenn ich selbst voll im Fadenkreuz stehe, kann ich nicht anders, als das wertzuschätzen.

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