Wenn man zum ersten Mal mitbekommt, sei es in den sozialen Netzwerken oder durch einen Newsartikel, dass Disney-Videokassetten ein kleines Vermögen wert sein sollen, dann wandern die Gedanken erst einmal unwillkürlich in den Keller - und dann beißt man sich in den Arsch, weil die Videokassetten damals alle in einer Hauruck-Aktion entsorgt wurden, um den viel tolleren DVDs Platz zu machen (die dann später wiederrum den Blu-rays gewichen sind).
Aber dann folgen recht bald auch erste Zweifel – Videos von Disney-Zeichentrickfilmen waren ja nun nicht gerade eine Rarität, sondern dürften allesamt zu den meistverkauften Videokassetten überhaupt zählen. Es könnte ja aber auch sein, dass es nur um ganz bestimmte Ausgaben geht, limitierte Sondereditionen oder sowas. Also surft man aus Neugierde einfach mal eine Runde bei eBay und findet da tatsächlich jede Menge Angebote wie diese:
eBay
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9.000 Dollar für eine Videokassette von „Die Schöne und das Biest“ und sogar 10.000 Dollar für eine von „Aladdin“? Da kann man doch schon mal drauf aufbauen. Kein Neuwagen, erst recht kein Porsche, aber zumindest ein guter Gebrauchter; und die Videokassetten moderten in ihrem Karton ja eh nur vor sich hin.
Die „Black Diamond Edition“, die in vielen der Angebote ausdrücklich erwähnt wird, ist zwar tatsächlich eine bestimmte Edition, in der Disney viele Klassiker später noch einmal in einer höherwertigen Version herausgebracht hat, aber sonderlich selten ist die auch nicht. Dann schon eher eine RARE griechische „Pinocchio“-Kassette wie diese – RARE natürlich in Großbuchstaben geschrieben, damit man auch wirklich glaubt, dass sie superselten und deshalb tatsächlich 3.000 Britische Pfund wert ist:
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Das ist doch tatsächlich eine spannende Geschichte, die aus jedem von uns den inneren Goldgräber herauskitzelt – und als die Story vor einigen Jahren noch mal groß die Medien-Runde machte, waren die Preise sogar noch höher. So wird den Lesern sowohl in einem Artikel auf Noizz.de (von Axel Springer) und Bento.de (beim Jugendableger von Spiegel Online gibt es zumindest noch vorsichtige Einschränkungen) vermittelt, dass die aufgerufenen Preise zumindest teilweise auch dem wahren Wert der Videos entsprechen. Aber das ist nicht weniger als ausgemachter Schwachsinn!
Obwohl es in den vergangenen Jahren Hunderte von Angeboten mit Disney-Videos mit geforderten Summen im vier- und sogar fünfstelligen Bereich gab, gibt es nicht ein einziges Video in dieser Preiskategorie, für das dann auch tatsächlich auf eBay geboten wurde. Man kann seine Produkte auf der Auktionsplattform schließlich für einen völlig beliebigen (Mond-)Preis anbieten – ob sie dann auch jemand kauft, ist hingegen eine ganz andere Frage. Deshalb ist eine andere Auswertung auch viel spannender: Für welche Preise wurden zuletzt solche Videokassetten tatsächlich verkauft und nicht nur angeboten! Und da stößt man dann auf solche Auktionen wie diese:
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„Aladdin“ + „Die Schöne und das Biest“, beide noch Originalverpackt und natürlich „Black Diamond Edition“. Zusammen für 30 Tacken plus Versand. Also entweder hat da gerade jemand das Geschäft seines Lebens gemacht und einem ahnungslosen Verkäufer einen echten Rembrandt auf dem Flohmarkt abgeluchst. Oder die Videokassetten sind vielleicht doch gar nicht so viel wert? Spoiler-Alarm: Mit 30 Dollar gehört die Auktion sogar zu den mit den höchsten Preisen, viel häufiger gehen auch schon mal vier bis neun Disney-Videokassetten für zusammen (!) einen einzelnen Euro weg.
Warum genau Anbieter die Videokassetten überhaupt zu einem solch hohen Preis einstellen, wissen wir auch nicht – vielleicht glauben sie wirklich an den Hype, selbst wenn es noch keinen belegten Kauf zu einer solchen Summe gegeben hat. Oder sie glauben einfach an den einen Dummen, der tatsächlich mal einen solchen Betrag für die Befriedigung eines nostalgischen Gefühls auf den Tisch legt.
Oder sie machen sich einfach einen Spaß daraus, eine urbane Legende zu befeuern, die sich trotz der eindeutigen Rechercheergebnisse weiter hartnäckig hält. Schließlich kostet der Spaß kaum etwas, ein erfolgloses eBay-Angebot mit einem Sofortkaufpreis von 15.000 Euro kostet den Einstellenden schließlich nur einen Euro an Gebühren. Die Verkaufsprovision von etwa 200 Euro würde nämlich erst bei einem erfolgreichen Geschäft dazukommen – und die Gefahr ist wie festgestellt absolut minimal.
Tulpen, Bitcoins, Disney-Videos
Und für alle, die jetzt ganz doll traurig sind, dass sie die verstaubten Videokassetten im Kellerregal doch nicht gegen einen blitzenden neuen Porsche eintauschen können, bleibt zumindest die Hoffnung, dass sich die Disney-Spekulationsblase irgendwann doch noch sehr plötzlich und dann ganz gewaltig aufplustern könnte.
Dafür muss man nicht mal bis zur niederländischen Tulpenmanie zu Beginn des 17. Jahrhunderts zurückgehen, es reicht vollkommen, ein Blick auf den absurden Bitcoin-Kurs kurz vor Weihnachten zu werfen. Wenn sich so eine Geschichte erst einmal (in den Medien) verselbstständigt, dann kann es auch mit einmal ganz schnell gehen. Aber drauf wetten sollte man nicht.
Kannibalismus in "Der König der Löwen"? Nach dieser Theorie seht ihr den Film (und eure Kindheit) mit ganz anderen Augen!Dies ist eine Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.
