Ferdinand von Schirach ist berühmt dafür, das rechtliche und moralische Verständnis seiner Leser*innen herauszufordern – im Zentrum seiner Kriminalerzählungen stehen schließlich immer wieder komplexe Fälle, bei denen die zentrale Frage nach der Schuld mit der Ermittlung der Täterin oder des Täters noch längst nicht abgehakt ist.
Jetzt hat der Bestseller-Autor erstmals kein Buch, sondern direkt das Skript zu einer Mini-Serie geschrieben – und auch hier ist längst nicht alles so einfach, wie es zunächst scheint: Die sieben Folgen von „Ferdinand von Schirach – Glauben“ sind schließlich von einem der spektakulärsten, skandalösesten und wendungsreichsten Prozesse der bundesdeutschen Justizgeschichte inspiriert.
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„Glauben“ erzählt die Geschichte eines Verdachts, der in eine gewaltige Prozesslawine ausartet: Als ein Kinderarzt (Falk Rockstroh) bei einem jungen Mädchen Spuren einer Vergewaltigung diagnostiziert, fördern die anschließenden Ermittlungen von Hauptkommissarin Laubach (Désirée Nosbusch) Hinweise auf ein schier unglaubliches Verbrechen zutage: Gefühlt ein halbes Dorf soll an dem systematischen Kindesmissbrauch beteiligt gewesen sein. Am Ende steht ein medienwirksam inszenierter Prozess gegen gleich 25 (!) beschuldigte Frauen und Männer!
Nicht nur in nischigen Internetforen werden die Stimmen lauter, man müsse für die Angeklagten in dem spektakulären Kriminalfall die Todesstrafe wieder einführen. Währenddessen streut Strafverteidiger Schlesinger (Peter Kurth) zunehmend Zweifel an der Schuld seines Mandanten. Zunächst vor allem, weil es eben sein Job ist – aber nach und nach kommt auch ihm bei seinen Ermittlungen ein kaum minder schrecklicher Verdacht…
Die wahre Geschichte hinter "Glauben"
Inspiriert ist „Glauben“ von drei Prozessen, die zwischen 1994 und 1997 stattgefunden haben und als Wormser Prozesse in die deutsche Justizgeschichte eingegangen sind. Damals wurde 25 Menschen vorgeworfen, gemeinsam einen Pornoring mit pädophilen Inhalten betrieben zu haben. Anstoß war damals allerdings nicht die Aussage eines Arztes, sondern eine Scheidungsstreitigkeit, bei der eine Frau ihrem Ex-Mann vorwarf, die gemeinsamen Kinder zu missbrauchen.
Während der Prozesse kam dann allerdings heraus, dass die Missbrauchsschilderungen offenbar nur durch fehlerhafte Befragungsmethoden zustande gekommen sind – den vermeintlichen Opfern wurden die Taten von verschiedenen Seiten regelrecht eingeredet.
Die Prozesse endeten dann auch einhellig mit Freisprüchen – und ein Richter begann seine Abschlussbemerkung mit der Feststellung: „Den Wormser Massenmissbrauch hat es nie gegeben.“
Besonders tragisch: Einige Kinder, die man wegen des vermeintlichen sexuellen Missbrauchs aus ihren Familien genommen hatte, wurden dann in Kinderheimen oder Pflegefamilien tatsächlich Opfer sexuellen Missbrauchs.
"Glauben" hält der Gesellschaft einen Spiegel vor
In einer Zeit, in der – ja auch vollkommen zu Recht – viel darüber diskutiert wird, wie man Täter und Täterinnen in Fällen sexuellen Missbrauchs nicht länger einfach so davonkommen lassen kann, präsentiert Ferdinand von Schirach mit seiner Mini-Serie einen provokanten Gegenpol.
Gerade wenn man sich auf der gerechten Seite wähnt, sollte man höllisch aufpassen, im Kampf für das vermeintlich Gute die Grundsätze des Rechts nicht aus den Augen zu verlieren. Der Zweck heiligt eben nicht immer die Mittel – das ist die kraftvolle und in Anbetracht immer schneller und lauter auflodernder (Online-)Shitstorms wichtige Aussage von „Ferdinand von Schirach – Glauben“.
Die sieben Folgen von „Ferdinand von Schirach – Glauben“ stehen auf RTL+ zum Abruf bereit – und das ist noch längst nicht alles, was euch aktuell Neues auf dem Streaming-Portal erwartet:
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