Zwei Fremde wachen in einem Bett auf und stellen fest, dass sie aneinandergenäht wurden. Das ist die Prämisse von „Zwei“, dem jüngsten Netflix-Thriller aus Spanien – jenem Land, das mittlerweile nicht nur für atmosphärisches Spannungskino bekannt ist, sondern mit Serien wie „Haus des Geldes“ und Filmen wie „Der Schacht“ auch schon so manche Netflix-Hits hervorbrachte. Ob das knapp einstündige Horror-Kammerspiel an diese Erfolge anschließen kann?
Eines gleich vorweg: „Zwei“ geht ohne Abspann gerade einmal 65 Minuten. Falls ihr mit dem Horror-Thriller also nichts anfangen könnt, raubt er euch immerhin nicht allzu viel Zeit. Auch wenn der Spielfilm mit seiner Mini-Laufzeit sogar kürzer als so manche Episoden aktueller Serien ausfällt, wären ein paar (zusätzliche) Straffungen dem Spannungsbogen wohl zuträglich gewesen. Völlig vermurkst ist „Zwei“ am Ende zwar nicht, Potenzial verschenkt der Film aber dennoch viel zu viel.
"Saw" trifft "Escape Room" trifft...
Mit Sara (Marina Gatell) und David (Pablo Derqui) werden in „Zwei“ die Wege zweier Menschen gekreuzt, die auf den ersten Blick nichts gemeinsam haben: der ärmliche Gigolo, der für alles im Leben kämpfen musste und die wohlhabende Dame, der es an nichts fehlte. Aber es soll ohnehin nicht um ihre ach so großen Unterschiede gehen, sondern um das Einzige, das sie zu verbinden scheint – und das ist diese verdammte Naht, die ihre beiden Körper zu einem werden lässt.
Eingesperrte Menschen, die gequält werden? Klingt fast ein wenig nach Folter-Horror wie „Saw“ (während das Zusammennähen ein wenig Erinnerungen an „The Human Centipede“ weckt). Als dann aber die ersten kalkuliert platzierten Hinweise auf die Hintergründe der Geschehnisse auftauchen, könnte man auch in Richtung „Escape Room“ denken. Müssen die beiden etwa Rätsel lösen, um freizukommen? Nein. Und es ist auch nicht wie in „Oldboy“, in dem der 15 Jahre lang grundlos eingesperrte Oh Dae-Soo eines Tages einfach frei gelassen wird. Wir wollen an dieser Stelle natürlich noch nicht zu viel verraten, aber eines hat „Zwei“ mit dem koreanischen Rache-Meisterwerk gemeinsam: einen finalen Twist.
Der kommt nämlich durchaus überraschend und dürfte so manche Zuschauer*innen ordentlich vor den Kopf stoßen. Doch selbst die stärkste Wendung am Ende rettet einen Film nicht, der bis dahin so vor sich hin plätschert.
Ein paar fiese Ekel-Momente und das war's
Der Film scheitert von Anfang an daran, zumindest eine der beiden Hauptfiguren als Sympathieträger zu etablieren. Klischeehaft ist David ein Mann, den nichts aus der Ruhe bringt, während die vermeintlich fest im Leben stehende Sara zu Panikanfällen neigt. Frauen eben.
Diese ebenso plumpe wie traditionalistische Rollenverteilung wirkt sowas von überholt und sorgt eher für unfreiwillige Komik statt für Spannung. Und das ist gerade deswegen so schade, weil die Grundidee bester Stoff für ein beklemmendes Kammerspiel wäre – das aber eben auch nur dann funktioniert, wenn man mit den Figuren mitfiebert, mitleidet und hofft, dass sie irgendwie heil aus der Sache rauskommen. Genau das tritt allerdings nur vereinzelt auf. Und zwar dann, wenn's eklig wird.
Die verstörendsten Filme aller ZeitenWenn sich Sara und David etwa voneinander abstoßen und auf schmerzhafte Weise erfahren, dass sie eben nicht bloß zusammengeklebt wurden, lässt einen das kurzzeitige Anreißen von Fleisch und Haut schon mal zusammenzucken. Und auch beim Versuch der beiden aufzustehen, dürfte so manche*r die Hände vorm Gesicht zusammenschlagen. Ganz zu schweigen von einer nicht minder verstörenden Fingernagelszene. Dass Netflix den Film ab 16 empfiehlt, ist dennoch angemessen. Der Ekel spielt sich hier vor allem im Kopf ab, in dem das Schreckensszenario individuell weitergesponnen wird. So richtig gesplattert wird hingegen nicht. Wer empfänglich für diese Art Horror ist, dürfte hier aber einige der unerträglichsten Filmmomente des Jahres erleben.
Regisseurin Mar Targarona zielt hier offenbar ganz bewusst auf alles ab, was Menschen allgemeinhin einen kalten Schauer über den Rücken jagt (fehlt eigentlich nur noch eine Clownszene). Am Ende bleiben aber eben auch nicht mehr als ein paar flüchtige Schockmomente – doch die allein genügen eben nicht, um auch tatsächliche Spannung aufkommen zu lassen und einen Spielfilm über die komplette Laufzeit zu tragen. Auch wenn es nur 65 Minuten sind.
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