Kino bewegt – dieser abgedroschene Satz war in den vergangenen Jahren bei keinem anderen Film zutreffender als bei „Joker“ von Regisseur und Drehbuchautor Todd Phillips, der die Herkunftsgeschichte des berühmtesten aller Batman-Gegenspieler als unaufhaltsamen, psychischen Niedergang eines Außenseiters zeigt, gespielt von Oscarpreisträger Joaquin Phoenix.
„Joker“ war ein Überraschungshit, der mehr als eine Milliarde US-Dollar an den Kinokassen einspielte, so viel wie kein anderer Film mit einer US-Altersfreigabe für Erwachsene. Doch „Joker“ erreichte nicht nur sehr viele Zuschauer*innen, er bewegte sie auch. Soll heißen: Er begeisterte viele und verärgerte manche.
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Ab heute könnte die Diskussion nach dem Kinostart von 2019 wieder aufflammen, denn nun ist „Joker“ auf dem weltweit größten Streamingdienst Netflix verfügbar und wird dort von vielen Zuschauer*innen erneut oder zum ersten Mal geschaut werden.
"Joker": Ein Film wie eine Axt
Es gibt keinen anderen Film der vergangenen Jahre, der unter Fans des Mediums (und unter Fans von Comicverfilmungen im Speziellen) für so viele, so kontroverse Diskussionen geführt hat wie „Joker“. Mehrheitlich wurde „Joker“ zwar positiv aufgenommen, sowohl unter professionellen Kritiker*innen, als auch unter Menschen, die sich im Internet über Filme austauschen. Die Seite metacritic listet 33 positive, 16 gemischte und 11 negative Kritiken, der User-Score liegt bei starken 9.0. Allerdings ist dabei die Spaltung groß: Viele von denen, die den Film mögen, lieben ihn – und auf der anderen Seite des Meinungsspektrums ist die Ablehnung enorm. FILMSTARTS-Chefkritiker Christoph Petersen vergab in seiner Kritik nur 2 von 5 Sternen.
JokerDarum ist „Joker“ so umstritten:
Die Diskussionen um die Qualität von „Joker“ zeigen, dass es bei Meinungen zu Filmen eben nicht immer nur um Geschmacksfragen geht, wie manche es gerne behaupten, oder darum, wie gut sich eine Interpretation einer bekannten (Comic-)Figur ins Gesamtwerk fügt. Gerade die Kontroverse um „Joker“ macht vielmehr deutlich, dass es stattdessen um die Einstellung zu sehr kontroversen Fragen geht wie zum Beispiel diesen:
Was macht eine gute Gesellschaftskritik aus? Ist „Joker“ also ein guter Film, weil Todd Phillips zeigt, dass die fortwährende Erfahrung von Ablehnung, so wie sie der Komiker und spätere Joker Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) erlebt, einen Menschen brechen und zum gefährlichen Außenseiter machen wird? Oder geht Phillips in seiner Darstellung dieser Gesellschaft viel zu oberflächlich vor?
Was ist eigentlich gutes Schauspiel? Spielt Joaquin Phoenix gut, weil er sehr ausdrucksstark ist, oder spielt er schlecht, da es seiner Darstellung des zunehmend verweifelten Arthur an Nuancen fehlt?
Wann ist die Darstellung einer psychisch belasteten, erratischen Figur gelungen? Braucht es Erklärungen dazu, warum jemand seelisch zerbrochen ist und sich (selbst)zerstörerisch verhält, so wie wir sie in „Joker“ u. a. durch Arthurs Einsicht in seine Krankenakten bekommen, oder sollte es erzählerische Leerstellen geben, die die Zuschauer*innen selbst mit ihren Gedanken und Erklärungen füllen?
Hat der Film eine womöglich schädliche Botschaft? Werden also nur gesellschaftliche Missstände offengelegt oder steckt auch der Aufruf drin, dass die westliche Weltordnung gewaltsam abgeschafft gehört?
Heute ebenfalls neu: "Iron Sky 2"
„Iron Sky 2“, der ebenfalls ab heute bei Netflix zum Abruf bereitsteht, wurde deutlich weniger kontrovers diskutiert als „Joker“ – und das obwohl es dort um Nazis geht. Allerdings lädt „Iron Sky 2“ als bewusst trashig gestaltete Sci-Fi-Komödie eben sehr dazu ein, dass man ihn nicht sonderlich ernst nimmt. Es geht um Nationalsozialisten, die gegen Ende des Zweiten Weltkriegs zum Mond aufbrechen, um dort eine Basis zu errichten. 2018 bereiten die Exil-Nazis unter Führung von Mondführer Kortzfleisch (Udo Kier) dann eine Invasion der Erde vor.