+++ Meinung +++
Zombies haben in der Geschichte des Films schon sehr viel durchgemacht. Sie waren eine schleichende Bedrohung, grauenerregende Metaphern auf zwei Beinen, willkommene Ausrede für haptische Splattereffekte, Kanonenfutter, Witze, RomCom-Helden und einschüchternde Hindernisse. Kurzum: Wer viele Filme über Untote schaut, hat längst einen wilden, langen Ritt durch Genres, Looks und Tonalitäten durchgemacht.
Aber ich wette, dass die wenigsten von euch schon durch das in Pastellfarben erstrahlende (und stimmungstechnisch total verstrahlte) Seabrook gesaust sind. Einen Ort, an dem Zombies und Menschen einst in Argwohn aneinander vorbeilebten, bevor sie lernten, einander zu akzeptieren, während sie Showtunes, tanzbaren Pop, humoristische Elektro-Dance-Music und seichten Rap von sich geben.
Klingt seltsam? Das ist es! Und unverschämt unterhaltsam obendrein! So unterhaltsam, dass es bereits zwei Filme über die stets wie im Energy-Drink-Koffeinschock agierenden Menschen und Zombies aus Seabrook gibt, und derzeit ein dritter gedreht wird. Der sich unter anderem an „Hamilton“ bedienende Mittelteil dieser einmaligen Trilogie ist diesen Monat endlich, über ein halbes Jahr nach seiner deutschen TV-Premiere, auf Disney+ gelandet. Ich sag euch: So einen Film wie „Z-O-M-B-I-E-S 2“ erlebt man nicht alle Tage!
Das ist der Plot von "Z-O-M-B-I-E-S 2"
Der Football spielende Zombie Zed (Milo Manheim) und die menschliche Cheerleaderin Addison (Meg Donnelly) haben im zurückliegenden Semester sprichwörtlich Brücken gebaut: Innig kämpften sie dafür, dass an ihrer neuerdings integrativen Schule Vorurteile abgebaut werden. Doch nun muss das Pärchen feststellen, dass der Einsatz für Gerechtigkeit kein kurzer Stepptanz, sondern ein schweißtreibendes Langzeitprojekt ist.
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Einige Menschen machen unmissverständlich klar, dass sie Zombies nur nach außen hin erdulden, ihre Aversion gegen sie aber nicht ablegen wollen. Unter den Zombies entstehen derweil Meinungsverschiedenheiten darüber, ob sie durch die Zusammenarbeit mit den Menschen nicht nur Fortschritte machen, sondern auch hohe Preise zahlen müssen.
So befürchtet Zombieaktivistin Eliza (Kylee Russell), dass die Zombies ihre kulturelle Identität hintergehen, indem sie von Menschen erdachte, einseitige Integrationskonzepte unkritisch absegnen. Dass zu allem Überfluss Addisons bigotter Cousin Bucky (Trevor Tordjman) beste Chancen hat, neuer Schulpräsident zu werden, zeichnet noch düstere Zukunftsaussichten für die Zombie-Teenager der Stadt. Und dann wird auch noch ein Keil zwischen Zed und Addison getrieben. Denn die Werwölfe von Seabrook, von denen die Menschen das Land geklaut haben, kehren aus ihrem bewaldeten Asyl zurück und fordern vom Rest der Bevölkerung Buße.
Während Addison völlig von den Werwölfen begeistert ist und sich nichts sehnlicher wünscht, Teil ihrer Kultur zu werden, muss sich der sonst so gemütliche und offenherzige Zed erstmals der Erkenntnis stellen, dass auch er von schädlichen Vorurteilen geprägt ist …
Kitschig, quietschig, clever, Camp
Die Oberfläche: Schrill, schrill, schrill. Die Figuren: Hibbelig, albern, zappelig. Die Themen: Individuell gehegte, negative Vorurteile. Systematischer Rassismus. Die Notwendigkeit, die kolonialistischen Fehltritte früherer Generationen geradezurücken. Der diffizile Balanceakt zwischen Anpassungsfähigkeit, Aufgeschlossenheit gegenüber fremden Traditionen und Selbstleugnung. Sowie das Finden der nicht minder schwammigen Grenze zwischen löblich-engagiertem Interesse an fremden, kulturellen Gepflogenheiten und anmaßender kultureller Aneignung. Ja, ihr habt richtig gelesen! All das spielt in diesem teils pastell-, teils neonfarbenen Kaugummi-Pop-Musical voller EDM-Beats eine Rolle.
Die Autoren David Light & Joseph Raso beißen ungeheuerlich viel ab – und bauen somit den (ebenfalls auf Disney+ abrufbaren) Vorgänger konsequent aus. Der zeichnet eine verquere Kinder-Comicwelt, die eine aufbauende, doch simplifizierte Toleranzbotschaft vermittelt.
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Das Sequel nimmt eine selbstkritischere Position ein, analysiert den Ausgang des Originals, und sagt: „Es wäre schön, wenn es so leicht wäre – aber dem ist nicht so.“
Das ergibt einen nahezu unvergleichlichen Mix: In „Z-O-M-B-I-E-S 2“ treffen eine Optik, die wirkt als hätte jemand radioaktiv verstrahlten Energydrink über 50er-Jahre-Haushaltswerbeplakate geschüttet, und campige Performances auf … nun ja, die oben genannten Themen. Das dürfte eigentlich nicht funktionieren.
Aber die Art, wie Light und Raso in ihrem Sequel die Thematik vertiefen, ist vollauf respektabel – und wohl einzigartig. Welche anderen Filme mit einer kindlich-vereinfachten „Alle sollten sich verstehen, egal wie sie aussehen!“-Botschaft erhalten bitte einen Nachfolger, der auf systembedingte Komplikationen und historische Ungerechtigkeiten deutet, um zu sagen, dass man diese Probleme beseitigen muss, bevor die Idylle des Originals machbar wird?
Noch erstaunlicher wird die Leistung von „Z-O-M-B-I-E-S 2“ dadurch, dass es den Autoren und Regisseur Paul Hoen dennoch gelingt, erneut eine schräge, durchgeknallte Filmwelt zu gestalten. Statt einen didaktischen, moralinsauren Familienfilm zu verantworten, oder das junge Kernzielpublikum durch zu komplexe Dramatik zu verlieren, zünden sie mit ihren spaßigen Figuren, unberechenbaren Ideen und ihren augenzwinkernden Dialogen ein Feuerwerk des „Was fällt denen noch alles ein?!“-Filmemachens, bei dem beispielsweise eine Wahlkampfveranstaltung zum Schulpräsidenten mal eben in ein „Hamilton“-eskes Rap Battle ausartet …
"WTF" auf gute Weise
Die wahre Trumpfkarte dieses Films (und seines Vorgängers) ist letztlich, dass er zweigleisig funktioniert: Regie und Cast finden geschlossen die ungeheuerlich diffizile Balance zwischen „Ich spiele mit absoluter Aufrichtigkeit“ und „Was ich hier mache, ist völlig durchgeknallt“.
Die Jungstars nehmen den Stoff (sicherlich auch aufgrund seiner Botschaften) ernst, haben aber Spaß mit der Verpackung dieses Pop-Musicals. Sie durchziehen es mit einer gesunden Dosis Ironie und zeigen kecke Spielfreude an der Absurdität des Ganzen. Daher ist der Film auch für ältere Semester überaus vergnüglich, die ihn nicht mehr wie die Jüngeren für bare Münze nehmen können.
Dabei hilft auch die Visualität des Films, die auf dem ersten Blick vielleicht abschreckend-grell wirkt. Doch sie wird in ihrem Stil-Clash auch erstaunlich konsequent durchgezogen und ist in sich so durchdacht, dass auf Dauer die „WTF ist das?!“-Reaktion einer anerkennenden Faszination weicht. Hinzu kommt, dass Hoen und Kameramann Rudolf Blahacek („Antibirth“) „Z-O-M-B-I-E-S 2“ im kinoreifen Bildformat 2.39:1 gedreht haben, das sie gekonnt einzusetzen verstehen. Genau die Ästhetik, die eine Elektro-Pop-Musicalkomödie mit albern-eingänglichen Liedern und einer erstaunlich nuancierten Weltsicht verdient hat!
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