Zwei Jahre bevor David Ayer mit seinem Comic-Blockbuster „Suicide Squad“ gehörig auf die Nase fallen sollte, inszenierte er den Kriegsfilm „Herz aus Stahl“, der in der Nacht von 13. auf 14. Juni 2021 um 00.15 Uhr auf RTL ungeschnitten ausgestrahlt wird.
In in unserer offiziellen FILMSTARTS-Kritik konnte sich „Herz aus Stahl“ üppige 4 von 5 Sternen verdienen. Im Fazit von Christoph Petersen wird David Ayers Film dabei treffend als „intensiv-klaustrophobische Genre-Action und vehement fatalistisches Anti-Kriegs-Pamphlet“ beschrieben, was die gleichermaßen irritierende wie hochgradig wirkungsvolle Widersprüchlichkeit im Film auf den Punkt bringt.
Krieg als betäubender Blutrausch: Darum geht es in "Herz aus Stahl"
Im April des Jahres 1945 starten die Alliierten im Zweiten Weltkrieg ihre finale Offensive, um Nazi-Deutschland endgültig zur Kapitulation zu zwingen. Mit von der Partie ist auch ein Sherman-Panzer, der von seiner Besetzung Fury getauft wurde. Der fünfköpfige Trupp an Bord des Kettenfahrzeugs wird dabei angeführt von Don „Wardaddy“ Collier (Brad Pitt), der zusammen mit seinen Männern seit mehreren Jahren gegen die Deutschen kämpft.
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Inzwischen stehen die Amerikaner tief im Herzen von Nazi-Deutschland und stoßen auf erbitterten Widerstand. In seiner Verzweiflung hat Adolf Hitler den totalen Krieg ausgerufen und alle Männer, Frauen und Kinder an die Front berufen. Die blutjunge Schreibkraft Norman Ellison (Logan Lerman) wird dem Kommando von „Wardaddy“ zugeteilt und sieht sich einem Grauen ausgesetzt, indem es nur noch um das Überleben geht…
Keine Helden, sondern nur Opfer des Krieges
Wenn man einmal von „Suicide Squad“ und „The Tax Collector“ absieht, dann hat es David Ayer in der Vergangenheit in treffsicherer Regelmäßigkeit zustande gebracht, eindringliches Genre-Kino in Szene zu setzen. „Herz aus Stahl“ schlägt ebenfalls in genau diese Kerbe, allerdings beweist der „Training Day“-Autor in diesem Fall ein für ihn überraschend spannendes Gespür für Ambivalenzen.
Man muss sich das nur einmal durch den Kopf gehen lassen: Wie soll der psychische Zustand einer Gruppe von Soldaten wohl aussehen, die seit mehr als 3 Jahren damit beschäftigt ist, gegen die Nazis in Nordafrika, Belgien, Frankreich und nun in Deutschland zu kämpfen? In der ersten Szene, wenn Brad Pitt einen deutschen Kavalleristen bestialisch absticht, bekommen wir die blutige Antwort geboten.
Nachdem er seine Messerklinge mehrfach in den regungslosen Körper seines Feindes gerammt hat, scheint er innerlich zu erstarren. Eine Sequenz, die sich in ähnlicher Form mehrfach wiederholt und verdeutlicht, dass „Wardaddy“ und seine Männer (ebenfalls hochkarätig besetzt mit Shia LaBeouf, Michael Pena und Jon Bernthal) zwar vom Krieg gezeichnet, aber noch nicht gänzlich verroht sind.
Es sind die Restbestände der Menschlichkeit, die David Ayer in „Herz aus Stahl“ erforscht. Im Prinzip begleiten wir diesen Trupp über eine Laufzeit von 130 Minuten dabei, wie sie genau das tun muss, was sie verabscheut. In ihrer Alternativlosigkeit allerdings haben sie sich dazu entschieden, das Beste zu leisten, was ihnen möglich ist – gemeinschaftlich. David Ayer ist es dabei daran gelegen, Brad Pitt und Co. nicht zwangsläufig als Sympathiefiguren zu zeichnen.
Ein Krieg, der von Kindern geführt wird
Am meisten kann sich der Zuschauer natürlich erst einmal mit Milchbubi Norman identifizieren, der in ein grausames Kriegsgetümmel gestoßen wird, obwohl seine Ausbildung darauf ausgelegt war, 60 Worte in einer Minute zu tippen. In seinen überforderten Augen spiegelt sich all der Schrecken und die Überforderung, die der Zweite Weltkrieg auf diesen jungen Mann, der eigentlich noch ein Kind ist, ausübt.
Ohnehin porträtiert „Herz aus Stahl“, wie die Gefechte der letzten Tage des Zweiten Weltkrieges vermehrt von Kindern respektive Jugendlichen geführt wurden. Immer wieder sehen sich „Wardaddy“ und seine Kameraden dem Beschuss von Minderjährigen ausgesetzt. Damit spiegelt David Ayer gewissermaßen die Situation, die Norman innerhalb des Panzers erlebt und überträgt sie auf das oftmals anonyme Feindgebiet.
Der Vorwurf, dass es sich bei „Herz aus Stahl“ um ein pathetisches Heldenepos handeln würde, ist dementsprechend deutlich zu kurzgefasst. Verfolgt man den Film aufmerksam, dann entdeckt man in den Figuren nichts Heroisches. Stattdessen ist David Ayers Film von Desillusion, Schmerz, Verwahrlosung und Angst durchdrungen. Viele der Soldaten hier halten sich einzig und allein an dem Kameradschaftsgedanken fest. Keine Rechtfertigung, aber ein Rettungsanker, um nicht dem Wahnsinn zu verfallen.
Nicht bloß ein Film, sondern eine körperliche Erfahrung
Schelte bezog „Herz aus Stahl“ erwartungsgemäß auch für seine fehlende historische Akkuratesse. David Ayer allerdings versteht seinen Film nicht als adäquate Geschichtsstunde, sondern setzt hier eine körperliche Erfahrung in Szene, die sich wirklich gewaschen hat. Audiovisuell ist „Herz aus Stahl“ ein echtes Brett. Wenn Hochgeschwindigkeitsgeschosse unaufhörlich sirren und Körper zerplatzen, dann ist man mittendrin statt nur dabei.
Die actionorientierten, exzellent fotografierten Frontkämpfe, inmitten von Rauchschwaden, Trümmern, abgetrennten Gliedmaßen und Schlammwüsten, gewinnen ihre Intensität aber vor allem dadurch, dass Ayer sich dabei immer wieder in das beengte Innere des Sherman-Panzers zurückzieht und den Horror des Krieges mit einer fast schon gespenstisch-kammerspielartigen Bedrückung zum Ausdruck bringt.
Außerordentlich wichtig gestaltete es sich folgerichtig, großartige Schauspieler zur Verfügung zu haben, so nah wie sich „Herz aus Stahl“ fortwährend an ihren Gesichtern befindet. Vor allem Brad Pitt und Shia LaBeouf glänzen hier mit einer ungemein nuanciert ausgespielten Präsenz, die sich bei Pitt eher körperlich, bei LaBeouf in leisen Regungen in seiner Mimik veräußert. Allein wegen seiner Darsteller ist „Herz aus Stahl“ unbedingt sehenswert.
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