Die animierte Netflix-Anthologieserie „Love, Death & Robots“ bietet auch in der zweiten Staffel wieder einen abwechslungen Mix aus verschiedenen Sci-Fi-, Fantasy- und Horror-Geschichten, in denen bisweilen auch einige große Fragen angerissen werden. So spaßig und spannend dabei viele der Kurzfilme sind, wirklich subtil geht es eher selten zu.
Umso überraschender ist das Finale von Season 2, in dem etwas andere Töne angeschlagen werden, als man es sonst meist von der Serie gewohnt ist: In der Folge „Der ertrunkene Riese“ philosophiert ein Wissenschaftler durchweg in einem melancholischen Off-Kommentar über einen angespülten Riesen, dessen voranschreitenden Verwesungsprozess und den Umgang der Menschen mit ihm.
Eine wirkliche Handlung wird hier eigentlich nicht erzählt. Stattdessen kommt es vielmehr auf die Stimmung und die angesprochenen Themen an, die wir einmal etwas genauer unter die Lupe nehmen wollen...
Konsum- und Sensationskritik
„Der ertrunkene Riese“ liefert keinerlei Anhaltspunkte dafür, woher der verstorbene Gigant am Strand überhaupt kommt, schließlich ist das auch völlig nebensächlich für das, was die Folge eigentlich zeigen und aussagen soll. Trotz der fantastischen Komponente geht es nämlich um weitaus menschlichere Dinge, von denen sich viele in die gerade mal 13-minütige Folge reinlesen lassen.
Sehr offensichtlich ist dabei der konsumkritische Seitenhieb auf die Sensationsgier und die ausbeuterische Natur der Menschen, was in seiner Aktualität auch deswegen bemerkenswert ist, weil die zu Grunde liegende Kurzgeschichte von Autor J.G. Ballard (nach dem übrigens die Fleischerei am Ende der Folge benannt ist) erstmals bereits 1964 veröffentlicht wurde.
Während dem toten Riesen kurz nach seiner Entdeckung noch mit Erstaunen und Respekt begegnet wird, ist schon bald jegliche Zurückhaltung passé. Zunächst nähern sich die Massen der gigantischen Leiche noch mit vorsichtiger Neugier, bevor sie sie dann regelrecht belagern und letztlich im wahrsten Sinne des Wortes auseinandernehmen. Selbst eine so bahnbrechende Entdeckung büßt für die Schaulustigen schnell an Neuigkeits- und Sensationswert ein.
Je weiter der Körper verwest und so dem Erzähler zufolge auch seine Menschlichkeit und Persönlichkeit einbüßt, desto stärker wird er von Schmierereien überzogen und letztlich durch Amputationen in seine Bestandteile zerlegt (der Gipfel der Ignoranz ist dann wahrscheinlich die Zurschaustellung des abgetrennten Geschlechtsteils in einem Zirkus, das dort zudem auch noch fälschlicherweise als Wal-Penis bezeichnet wird).
Metapher für Vergänglichkeit
Als Ganzes betrachtet lässt sich „Der ertrunkene Riese“ aber am ehesten als poetische Reflektion über das Leben und den Tod selbst verstehen.
Der Gigant in „Love, Death & Robots“ wird von einer aus Mythen bekannten Fantasie-Figur plötzlich zu etwas völlig Realem, nur um am Ende wieder in Vergessenheit zu geraten und erneut zum Mythos zu werden; ein Zyklus, der metaphorisch auf die Vergänglichkeit allen Seins verweist.
Auch wir sind zunächst nicht existent, durchlaufen dann Zeit unseres Lebens – ähnlich wie der Riese am Strand – unterschiedliche Formen, die die Menschen um uns herum auf verschiedenste Weise beeinflussen, und kehren am Ende schließlich in den Zustand der Nicht-Existenz zurück, mit dem kleinen Unterschied, dass wir ganz wie der Riese mal mehr, mal weniger deutliche Spuren in der Welt hinterlassen. Zwar verblassen die konkreten Erinnerungen an den Riesen/einen Menschen, aber Teile von ihm sind noch immer vorhanden.
Die Gedanken über Leben und Sterben und über das, was wir am Ende zurücklassen, waren bereits bei Ballard aktuell und sind es auch heute noch bei „Deadpool“-Regisseur und „Love, Death & Robots“-Produzent Tim Miller, der die Adaption der Geschichte selbst geschrieben und inszeniert hat.