+++ Meinung +++
Assane Diop (Omar Sy) ist ein äußert geschickter Meisterdieb. Die Hauptfigur des Netflix-Hits „Lupin“ weiß seine Gegenspieler zu manipulieren, sie in falscher Sicherheit zu wiegen und sie im entscheidenden Moment mit einem Ass im Ärmel zu übertrumpfen.
Doch in der wichtigsten Phase seines Rachefeldzugs gegen Pellegrini (Hervé Pierre) macht Assane einen dummen Fehler. Er hatte die Chance, seinen Erzfeind ziemlich sicher zu besiegen, aber entschied sich für eine riskante und nicht nachvollziehbare Alternative.
Vorsicht, es folgen Spoiler zu „Lupin“!
Assanes größter Fehler in "Lupin"
In Episode 4 von „Lupin“ bekommt Assane ein brisantes Video in die Hände, mit dem er Pellegrini ins Gefängnis bringen könnte.
Darauf zu sehen ist der wohlhabende Unternehmer bei einem illegalen Deal mit malaysischen Waffenhändlern, die in Zusammenhang mit einem Terroranschlag stehen, bei dem elf Menschen starben. Wie sich herausstellt, hatte der Großkapitalist seine dubiosen Geschäftspartner betrogen, woraufhin diese die französische Botschaft in Kuala Lumpur sprengten. Das Video ist also ziemlich starkes Druckmittel.
Doch was macht Assane damit? Er trifft eine Entscheidung, die Pellegrini kaum schadet, aber ihn selbst und seine Mitstreiterin Fabienne Beriot (Anne Benoît) umso stärker ins Visier des Feindes rückt.
Zunächst läuft alles rund. Unter dem Usernamen Salvatore813 postet Assane ein Standbild aus dem Video inklusive einer Ankündigung auf Twitter, Pellegrinis illegale Machenschaften aufzudecken.
Der Post verbreitet sich schnell, wird innerhalb kurzer Zeit tausend Mal geteilt und schon bald stehen mehrere Journalisten mit Kameras und Mikrofonen vor der Haustür des Beschuldigten. Mit ein paar geschickten rhetorischen Manövern kann sich der unlautere Geschäftemacher zwar ganz gut rausreden. Doch das richtig belastende Material wurde bisher auch noch nicht gezeigt.
Für Assane wäre es sehr einfach gewesen, Pellegrini endgültig zu Fall zu bringen. Er hätte nur das gesamte Video auf Twitter posten müssen und die ganze Welt hätte sehen können, was für ein verdorbener Mann der selbsternannte Philanthrop wirklich ist.
Doch stattdessen entscheidet sich Assane für einen riskanten und schlichtweg dummen Weg. Der sonst so smarte Gentleman-Gauner geht zu einer Live-TV-Sendung und will das Video dort zeigen. Doch Pellegrini hat ein mächtiges Netzwerk – genau dieses Problem wollte Fabienne ihrem Mitstreiter auch schon beim ersten Treffen klar machen. Natürlich kontrolliert der gemeinsame Feind den Fernsehsender.
Es kommt, wie es kommen musste: Die Mitarbeiter des Senders entfernen die belastenden Szenen aus dem Video und zeigen die bearbeitete Version, um Pellegrinis Unschuld zu demonstrieren. Assane wird attackiert, kann aber gerade so flüchten. Fabienne hat nicht so viel Glück. Sie wird wenig später von einem Auftragskiller ermordet.
Darum ist Assanes Handeln dumm
Eigentlich hat Assane in dieser Situation gleich zwei Fehler begangen. Der erste Fehler war es, zum Fernsehen zu gehen, anstatt einfach das Video bei Twitter hochzuladen. Der charmante Netflix-Dieb begründet seine Entscheidung mit den zwei Millionen Zuschauern, die bei der Sendung regelmäßig zusehen. Doch das ist kein gutes Argument, hatte er doch bereits mit seinem Twitter-Teaser beachtliches mediales Aufsehen erregt und zahlreiche Journalisten vor das Haus von Pellegrini gelockt.
Das komplette Video hätte sicherlich noch sehr viel mehr Menschen erreicht, vielleicht sogar mehr als zwei Millionen. Außerdem wäre es auf diese Weise möglich gewesen, im Verborgenen zu bleiben, anstatt sich wie Assane live im Fernsehen zeigen zu müssen. Ein unnötiges Risiko.
Der noch viel größere Fehler war es aber, keinen Plan B in der Hinterhand zu haben. Offenbar hat Assane keine Kopie des Videos angefertigt, sondern die einzige Version dem TV-Sender übergeben. Solch ein Leichtsinn passt gar nicht zum sonst so vorausschauenden Trickbetrüger. Mit einer Kopie in der Hand hätte Assane das Video nach dem TV-Debakel sofort im Internet hochladen können, um seinen Fehler auszubügeln. Doch da er das nicht getan hat, hat er wohl tatsächlich keine.
Warum mich dieser Fehler in der Netflix-Serie stört
Ich habe nicht per se etwas dagegen, wenn sich Figuren in Filmen und Serien unklug verhalten. Was mich aber bei „Lupin“ stört: Assanes Fehler steht im krassen Kontrast zu seinen sonstigen Handlungen.
Es fällt mir schwer zu glauben, dass er in diese Falle tappen konnte, hat er doch in vorherigen Situationen bewiesen, dass er die möglichen Schachzüge seiner Feinde stets berücksichtigt und ihnen immer einen Schritt voraus ist.
Zwar passt es in die Dramaturgie der Netflix-Serie, dass Pellegrini seinen Kopf aus der Schlinge zieht. Aber ich glaube, die Autoren hätten das sehr viel besser erreichen können.
Denn selbst die Veröffentlichung des unbearbeiteten, belastenden Videos hätte Pellegrini abwehren können, zum Beispiel indem er behauptet, einem Deepfake zum Opfer gefallen zu sein. Aufgrund der ohnehin recht schlechten Bildqualität des Videos wäre dieses Argument gar nicht mal so abwegig.
Das Thema Deepfake kam in „Lupin“ sogar schon mal vor, als Assane den Inspektor Dumont damit erpresste. Da wundert es mich schon, dass die Autoren der Serie nicht weiter mit dieser Idee spielten und stattdessen ein eher unglaubwürdiges Szenario ersponnen, das für mich den Tiefpunkt der bisherigen Folgen darstellt.
So viel zu dem dummen Fehler, den Assane begangen hat. Ich will aber nicht weiter darauf herumreiten. Immerhin war es das einzige, was mich an den ersten fünf Folgen „Lupin“ wirklich gestört hat. Ansonsten bietet die Netflix-Serie durchgehend gute Unterhaltung, einen äußert charmanten Hauptdarsteller, jede Menge Heist-Action und eine gehörige Portion Spannung. Ich freue mich auf Teil 2!
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