+++ Meinung +++
„Antebellum“, das Debüt des Regieduos Gerard Bush und Christopher Renz, beginnt mit einer etwa fünfminütigen Kamerafahrt ohne Schnitt – einmal quer über eine Südstaaten-Plantage zu Zeiten des Amerikanischen Bürgerkriegs. Wir sehen ein prächtiges Herrenhaus, genauso wie man es etwa aus „Vom Winde verweht“ kennt – und natürlich die mit dem ikonischen Louisiana-Moos behangenen Bäume. Es herrscht ein geschäftiges Treiben, eine Einheit der Konföderierten macht offenbar gerade Station. Die Kamera gleitet weiter über eine saftige Picknickwiese hin zu den Sklavenunterkünften, wo der Zuschauer Zeuge einer Reihe von unsagbaren Schrecken wird...
Der Auftakt von „Antebellum“ ist ebenso niederschmetternd wie visuell eindrucksvoll – und er hätte wohl vor allem auf einer großen Leinwand seinen vollen Impact entfaltet. Aber weil das nun mal in Zeiten der Pandemie nicht möglich ist, ist der Horror-Thriller in der Zwischenzeit direkt fürs Heimkino erschienen.
Schon der Trailer ist ein Spoiler
Nun ist es nicht ganz so leicht, über „Antebellum“ zu schreiben, ohne zumindest einen der beiden zentralen Twists vorwegzunehmen. Denn schon die bloße Struktur des Films ist eine Überraschung, mit der ein unvoreingenommener Zuschauer, der die ersten 40 Minuten des Films quasi als kaum minder verstörende Weiterführung von „12 Years A Slave“ erlebt, sicher nicht rechnen würde. Wer also einfach nur Bock hat, sich mal wieder richtig von einem Film verblüffen zu lassen, sollte sich also weder den Trailer ansehen noch den Rest dieses Artikels lesen.
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Ich habe mir den Film zwar auf UHD Blu-ray angesehen, aber weil „Antebellum“ wirklich so sehr von seinen zentralen zwei Wendungen lebt, würde ich eher nicht sagen, dass es ein Film ist, den man sich unbedingt öfter ansehen würde. Es sollte deshalb eigentlich auch eine Ausleihe reichen – und zwar dann möglichst in 4K, das sich hier wirklich, wirklich lohnt, dabei aber zumindest als Stream gar nicht mal extra kostet:
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Wer jetzt doch weiterliest, tut das wie gesagt auf eigene Gefahr (auch wenn wir den großen zweiten Twist natürlich auf gar keinen Fall spoilern werden) – hier gibt es erstmal den Trailer:
Also ja: Nach 40 Minuten springt „Antebellum“ – zunächst ohne weitere Erklärung – in die Gegenwart. Janelle Monáe, die wir gerade noch als gedemütigte Sklavin Eden gesehen haben, spielt fortan die Bestseller-Autorin und Bürgerrechts-Aktivistin Veronica. Auch Veronica hat mit Rassismus zu tun, etwa wenn sie im Hotel von der Concierge herablassend behandelt wird, obwohl sie eine der teuersten Suiten des Hauses bewohnt.
Aber Gerard Bush und Christopher Renz belassen es nicht dabei, uns einfach nur zu zeigen, dass sich in den Jahrhunderten weniger in den Köpfen der Menschen geändert hat, als man vielleicht gehofft hätte ...
... stattdessen treiben sie diese Idee mit einer weiteren erstaunlichen Wendung auf die Spitze, bei der man gar nicht anders kann, als sofort an den Twist-Großmeister M. Night Shyamalan („The Sixth Sense“, „Unbreakable“) zu denken. Diese zweite Wendung ist nicht nur unglaublich perfide – sie wird das Publikum auch wie mit einem Axthieb einmal in der Mitte spalten: Ist das nun ein genialer Kommentar zum heutigen Amerika? Oder ist das einfach nur ausbeuterischer Quatsch?
Auf diese Frage gibt es eher keine klar richtige oder falsche Antwort, aber auf jeden Fall geben wird es nach dem Film Diskussionen – und die sind aktuell angebrachter als je zuvor, wenn man bedenkt, dass erst vor wenigen Tagen von Eindringlingen die Flagge der Föderierten mitten im amerikanischen Kongress gehisst wurde...
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