Pete Docter hat für Pixar nicht nur die oscarprämierten Mega-Erfolge „Die Monster AG“, „Oben“ und „Alles steht Kopf“ inszeniert, sondern ist seit 2018 auch Chief Creative Officer des Studios. Nun hat er mit „Soul“ seinen vierten Langfilm für die Animationsschmiede auf die Beine gestellt – und liefert damit eine Art spirituellen Nachfolger von „Alles steht Kopf“. Denn einmal mehr macht Docter Unsichtbares sichtbar – waren es damals Emotionen, schaltet er diesmal noch einen Gang höher und nimmt sich mit der menschlichen Seele eines geradezu existenziellen Themas an.
Wir haben die ersten 35 Minuten von „Soul“ gesehen und anschließend mit Pete Docter, Produzentin Dana Murray und Mitgliedern des Story- und Animations-Teams gesprochen. Und was wir gesehen und gehört haben, lässt uns wirklich Großes erwarten:
Das erste Drittel von „Soul“ gibt einen beeindruckenden Einblick in die fantastischen visuellen Welten, die Pixar auch diesmal wieder nahezu perfekt erschaffen hat, und beweist, dass ein Familienfilm auch mit einem anspruchsvollen Thema funktionieren kann.
"Soul": Große Ideen und kreative Lösungen
In „Soul“ arbeitet Joe (Stimme im Original: Jamie Foxx) als Musiklehrer und versucht Tag für Tag, größtenteils gelangweilten Kids die Faszination von Musik näherzubringen. Schon immer hat Joe von einer Karriere als Jazz-Musiker geträumt – und nach vielen Jahren im Schuldienst sieht es endlich so aus, als könnte er seine große Chance bekommen!
Doch dann passiert ein Unfall und Joe landet im Krankenhaus – seine Seele ist fast schon auf dem Weg ins Jenseits, da landet sie über Umwege im Davorseits: an jenem Ort, an dem Seelen ihre Persönlichkeit bekommen, bevor sie auf der Erde landen. Joe versucht alles, um wieder in seinen Körper zu gelangen, und bekommt dabei Hilfe von 22 (Tina Fey) – einer Seele, die so absolut gar keine Lust auf ein Erdendasein hat.
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So abgefahren, wie die Idee von Seelen in einem Davorseits klingt, so fantastisch wird sie in „Soul“ auch umgesetzt. Die anfänglichen Szenen mit Joe in seiner Heimatstadt New York sind schon perfekt animiert, aber sobald Joe die jenseitigen Welten betritt, kommt auch noch der Erfindungsreichtum der „Soul“-Macher dazu. Wie uns Animation Supervisor Bobby Podesta erklärt hat, ließ man sich zum Beispiel für die Textur der animierten Seelen von dem sogenannten Aerogel inspirieren, dem leichtesten Festkörper der Welt, der auch in der Raumfahrt verwendet wird.
Pixar bietet mal wieder innovatives Design
Doch nicht nur praktische Fragen mussten geklärt werden, wie etwa „Wie animiert man eine Seele?“, sondern das ganze Konzept von Jenseits und Diesseits erforderte umfangreiche Beschäftigung mit verschiedenen Religionen und Philosophien, so Regisseur Pete Docter.
Besonders beeindruckend sind das Design und die Bewegungen der himmlischen Ratgeber, die alle nur „Jerry“ genannt werden – wenn ihr immer schon mal wissen wolltet, wie etwas gleichzeitig wie 2D und 3D aussehen und ständig seine Form wandeln kann, dann wartet’s nur ab, ihr werdet es in „Soul“ erleben.
Natürlich sind die Erwartungen an neue Pixar-Filme immer enorm hoch, gerade bei einem Meister wie Pete Docter – und der hat mit seiner Visualisierung der Gefühlswelt von Riley in „Alles steht Kopf“ die Latte eben auch sehr hoch gelegt. Dagegen wirkt das Davorseits vielleicht nicht ganz so einfallsreich und vor Ideen überbordend – aber wir haben schließlich auch noch nicht alles gesehen.
Tatsächlich kommt „Soul“ auch nicht ganz so spielerisch daher wie Docters bisherige Werke, der Ton ist etwas ernster. Zu lachen und schmunzeln gibt es zwar viel, aber Themen wie die Seele, das Jenseits, was passiert vor unserer Geburt und was ist es, das ein Leben lebenswert macht, lassen sich nicht nur mit lauter Augenzwinkern behandeln.
Vielleicht mag das ein oder andere Kind da etwas den Anschluss verlieren, aber das „Soul“-Team ist überzeugt: Kindern ist viel mehr zuzutrauen, als wir vielleicht denken.
Zwei Soundtracks für zwei Welten
Verschreckt werden die Kleinen aber sicherlich nicht: „Soul“ geht sein großes Thema ganz behutsam und spielerisch an, und stellt die Lust am Leben ganz klar in den Vordergrund. Sogar mehr noch als ein Film über die Seele ist „Soul“ ein Film über Musik und insbesondere Jazz – der Titel ist daher auch doppeldeutig.
Joe, die erste Schwarze Hauptfigur in einem Pixar-Film überhaupt, lebt mit ganzem Herzen für seine Musik. Diese große Leidenschaft zieht sich durch den Film wie ein roter Faden, begleitet von den fantastischen Klängen von Jazz-Musiker Jon Batiste.
Im Kontrast dazu steht die Musik, die extra für die Szenen im Davorseits komponiert wurden: Für die eher sphärischen Klänge zeichneten Atticus Ross und Trent Reznor verantwortlich, die für ihren Score zu „The Social Network“ mit dem Oscar ausgezeichnet wurden. Tatsächlich bekommt „Soul“ dann auch zwei Soundtracks – einen von Batiste, einen von Ross & Reznor.
Alles in allem hat uns der vielversprechende Auftakt des Films nun wirklich endgültig neugierig auf „Soul“ gemacht und lässt auf einen großen Pixar-Wurf hoffen!
Ob die Geschichte bis zum Ende so leichtfüßig durcherzählt werden kann, ohne zu verkopft zu werden, bleibt abzuwarten, aber ein visuell brillantes Erlebnis erwartet uns auf jeden Fall, das steht jetzt schon fest – hoffentlich mit noch mehr verrückten Einfällen, für die wir Pixar so lieben! Wenn die Musik dann auch noch im Rest des Films so mitreißt wie zu Beginn, dann kann sich „Soul“ absolut mühelos in die Erfolgsgeschichte von Pete Docter einreihen.
„Soul“ läuft ab dem 25. Dezember 2020 auf dem Streamingdienst Disney+. Zum Start veröffentlichen wir dann auch noch weitere Interviews mit den kreativen Köpfen hinter dem Pixar-Film.
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