Mehr als 60 Schnitte in einer rund zweiminütigen Dialogszene hören sich viel an? Das ist tatsächlich viel – und trotzdem findet sich genau so eine Szene im Queen- bzw. Freddie-Mercury-Biopic „Bohemian Rhapsody“, das bei der diesjährigen Oscarverleihung mit dem Preis für den Besten Schnitt ausgezeichnet wurde. Und wo ein solches Bilder-Stakkato im Kino vielleicht gar nicht auffällt bzw. man es nach Verlassen des Saals bereits wieder vergessen hat, ist das Internet gnadenlos: Schnell landete nämlich eben jene Szene, in der die Bandmitglieder mit Manager John Reid (Aidan Gillen) an einem Tisch sitzen und einfach nur reden, im Netz, machte dann nochmal so richtig die Runde, als „Bohemian Rhapsody“ den Schnitt-Oscar gewann und wurde millionenfach mit Häme überschüttet. Falls ihr zu denjenigen gehört, die das Video noch nicht gesehen haben, könnt ihr es hier nachholen:
Cutter schämt sich
John Ottman, der für den Schnitt des Biopics verantwortlich war, hatte von der unrühmlichen Bekanntheit besagter Szene jedoch bis vor kurzem gar nichts mitbekommen. Doch dann sprach er mit The Washington Post über seine Arbeit an „Bohemian Rhapsody“ und wurde mit dem Video konfrontiert. Er antwortete: „Wow, ich wusste nichts davon, aber ich weiß, warum es existiert.“ Und so ganz wohl fühlt er sich mit diesem neuerlangten Wissen nicht: „Wenn ich das sehe, will ich eine Tüte über meinen Kopf ziehen. Das ist nämlich nicht meine Ästhetik. Wenn es irgendwann eine Extendend Version des Films geben sollte, für die ich ein paar Szenen ändern kann, dann werde ich diese Szene neu schneiden!“
Chaos hinter den Kulissen ist Schuld
John Ottman hat allerdings auch eine gute Erklärung, warum die Szene so geworden ist. Und zwar sei dies eine der wenigen Sequenzen, die gedreht wurden, nachdem der eigentliche Regisseur Bryan Singer gefeuert und Dexter Fletcher („Eddie The Eagle“) als Ersatz an Bord geholt wurde. Dieser soll nämlich die Szenenreihenfolge des Films und damit dessen Dramaturgie geändert haben und die ursprünglich gefilmte Szene habe daher keinen Sinn mehr ergeben. Da zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits die Zeit knapp wurde und er zu sehr damit beschäftigt gewesen sei, die Szenen des ersten Akts zu entschlacken, weil das Testpublikum mehr von der frühen Bandphase sehen wollte, habe Ottman es ganz einfach nicht mehr geschafft, die Meeting-Sequenz sauber zu schneiden.