Wenn in den vergangenen Jahren die Oscarnominierten feststanden, konnte man meist schon sehr gut erahnen, wer dann am Ende den Goldjungen auch tatsächlich mit nach Hause nehmen durfte. Gerade in den Hauptkategorien gab es oft nur zwei Anwärter mit realistischen Chancen und vielleicht noch einen Außenseiter. Doch 2019 ist alles anders, was auch an der Zusammensetzung der Oscar-Wähler liegt.
Die für die Oscars zuständige Academy lud allein im Frühjahr 2018 satte 928 neue Mitglieder ein und strebte dabei wie schon bei der vorherigen Rekord-Zahl von 774 Einladungen im Jahr 2017 nach mehr Diversität. Es wurden mehr Filmschaffende aus allen Ecken der Welt eingeladen als jemals zuvor bei dem eigentlich US-dominierten Preis, darunter auch viele noch sehr junge Menschen und auch mehr Frauen als bislang. Nicht alle nahmen die Einladung an, aber die nun rund 8.000 Academy-Mitglieder und damit Oscar-Wähler sind jetzt so vielfältig wie noch nie in der Geschichte des Filmpreises.
Wichtig: Das Wahlsystem
Diese rund 8.000 Mitglieder müssen nun zwischen dem 12. und dem 19. Februar 2019 ihren Stimmzettel abgeben und so wählen, wer in den jeweiligen Kategorien den begehrten Goldjungen nach Hause nehmen darf. Bevor man die Chancen der acht Kandidaten in der Königskategorie „Bester Film“ einschätzt, sollte man aber erst einmal das Wahlsystem verstehen, die sich hier von allen anderen Kategorien unterscheidet. Denn jeder Abstimmende wählt nicht einfach seinen einen Favoriten, sondern er bringt alle (!) acht Filme in eine Reihenfolge. Bei der Auswertung wird dann aber doch erst einmal nur auf den ersten Platz geschaut.
Bildlich gesprochen (natürlich ist heute alles digital) werden quasi acht Stapel gebildet, einer für jeden Film. Auf jedem Stapel landen alle Zettel mit dem jeweiligen Film auf Platz eins. Hat ein Film nun schon mehr als 50% der Stimmen, ist er bereits der Oscargewinner. Im wahrscheinlichen Fall, dass dies nicht so ist, wird der Stapel mit den wenigsten Stimmen aufgelöst. Diese Zettel werden nun verteilt und zwar auf die Stapel des jeweils bei ihnen an zweiter Position gelisteten Films. Hat nun ein Beitrag 50% der gesamten Stimmen, ist er der Oscargewinner, wenn nicht, wird der nun niedrigste Stapel aufgelöst und die Stimmen von diesem verteilt. Bis ein Gewinner feststeht…
Mit diesem wichtigen Vorwissen über die Zusammensetzung der Wähler und das Wahlsystem gibt es nun unsere Einschätzung zu den Chancen der nominierten Filme.
"Black Panther": 1%
Dass „Black Panther“ sich unter den Nominierten als Bester Film befinden würde, war sicher. Alles andere wäre eine Sensation gewesen. Das war es dann aber auch schon. Es ist eigentlich komplett auszuschließen, dass Ryan Cooglers Superheldenfilm in der Königskategorie auch die Trophäe mit nach Hause nehmen wird. Dafür ist das restliche Feld zu stark.
So wird auch nur eine einzige Sache, die für „Black Panther“ spricht, ins Feld geführt. Ein paar Experten glauben, dass zumindest einige Academy-Wähler einfach den nun zum ersten Mal in seiner Karriere für einen Oscar nominierten Produzenten Kevin Feige für seine MCU-Gesamtleistung auszeichnen wollen und stellvertretend „Black Panther“ auf ihrem Zettel hoch platzieren. Schließlich bekam Peter Jackson einst die Doppel-Auszeichnung Regisseur / Bester Film für „Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs“ wahrscheinlich auch stellvertretend für die gesamte Trilogie. Doch es werden viel zu wenige Wähler sein, die „Black Panther“ deswegen auf den ersten Platz packen.
"Vice": 4%
Adam McKays „Vice – Der zweite Mann“ ist ein klassischer Oscarfilm und obwohl Christian Bale der Top-Favorit in der Hauptdarstellerkategorie ist, glauben wir nicht daran, dass es für die Krönung als Bester Film reichen wird. Schon der Vorgänger „The Big Short“ musste sich 2016 dem dann doch klassischeren „Spotlight“ geschlagen geben. Hier kommt dazu, dass „Vice“, wie wir in unserer FILMSTARTS-Kritik auch ausführlich erläutern, das Publikum spaltet. Und das dürfte gerade bei einem engen Oscarrennen und dem oben erwähnten Wahlsystem zum Problem für die Satire werden.
"Bohemian Rhapsody": 5%
Viele Oscarwähler lieben Musik-Biopics, die auch noch die Massen begeistern, und „Bohemian Rhapsody“ ist genau das. Die Nominierung war daher nicht wirklich überraschend, dürfte aber das Ende der Fahnenstange sein – und das nicht nur wegen der ganzen Kontroversen um Regisseur Bryan Singer, der vor Drehende dem Set fernblieb und gefeuert wurde und aktuell wieder mit neuen Vergewaltigungsvorwürfen konfrontiert wird. Die Konkurrenz ist einfach deutlich besser, die inhaltliche Kritik an Teilen des Films zu groß.
Da hat Rami Malek schon eher die Chance, in der Hauptdarstellerkategorie eine Überraschung gegen Christian Bale zu landen.
"A Star Is Born": 14%
Beim Thema Musik sind wir bei „A Star Is Born“. Vor ein paar Monaten galt Bradley Coopers Regie-Debüt noch als der klare Oscarfavorit. Auch wenn er in seinem Remake die Geschichte von der Film- in die Musikindustrie verlegt, ist sein Film auch ein Stück weit noch die Nabelschau, die man in Hollywood liebt. Doch trotz satter acht Nominierungen scheint „A Star Is Born“ ein wenig die Puste auszugehen. Dass Bradley Cooper als Bester Regisseur nicht einmal nominiert wurde, gilt vielen als erstes Indiz, dass „A Star Is Born“ aus dem Rennen ist.
So vorschnell sollte man aber nicht sein. Dass Schauspieler, die zu Regisseuren werden, erst einmal mit Skepsis aufgenommen werden, zeigte sich schon in der Vergangenheit. Coopers Kollege Ben Affleck kann ein Lied davon singen. Als er für „Argo“ nicht als Bester Regisseur nominiert wurde, unkten einige schon, dass damit die Oscarchancen dahin seien. Am Ende triumphierte „Argo“ trotzdem. Und Comeback-Geschichten sind im Oscarrennen keine Seltenheit.
„A Star Is Born“ gehört so zu den fünf Kandidaten, die unserer Meinung nach eine realistische Chance haben, den Oscar als Bester Film zu gewinnen. Was für und gegen die anderen vier Filme spricht und warum gerade „BlackKklansman“ das Rennen machen könnte, erfahrt ihr auf der nächsten Seite.