+++ MEINUNG +++
Das nennt man dann wohl Coitus interruptus. Knapp zwei Minuten lang berührt einen das Schicksal des hilflos und allein durchs All schwebenden Tony Stark so sehr, dass zahlreiche Fans bereits die NASA um Hilfe angefunkt haben. Thanos hat auf Landwirt umgeschult und verwendet seine Rüstung inzwischen als Vogelscheuche. Captain America kullert eine einzelne Träne über die Wange, Bruce Banner hält sich verzweifelt die Hand vors Gesicht. Hawkeye ist jetzt Ronin. Wenn sich dann ab 1:42 langsam das „Avengers 4“-Logo aus Meteoriten-Trümmern zusammensetzt, ist der Höhepunkt fast erreicht. Doch dann... wird der Titel enthüllt: „Endgame“. Und auf dieses generische Nichts haben wir jetzt mehr als ein halbes Jahr gewartet? Luft raus! Gähn!
Immer wieder wurden wir hingehalten. Der Titel würde zu viel spoilern, deshalb dürfe er auf keinen Fall vor „Avengers: Infinity War“ und womöglich nicht mal vor „Captain Marvel“ veröffentlicht werden. Aber mal ganz ehrlich: Der Titel spoilert exakt gar nichts! Klar, „Endgame“ bezieht sich auf ein Zitat von Dr. Stange in „Infinity War“. Na und? Und es gibt auch einen „Avengers“-Comic mit dem Titel. Aber das ist wohl auch nur bloßer Zufall. Für mich bleibt es dabei: „Endgame“ ist ein passender Titel für den vierten Teil einer Direct-to-DVD-Action-Reihe wie „The Marine“ oder „Sniper“. Aber für das Comic-Blockbuster-Megaereignis schlechthin? Da hätte man lieber die Eier haben und den Film einfach „Avengers 4“ oder „Infinity War - Teil 2“ nennen sollen.
Und offenbar sind die Marvel-Macher auch noch richtig stolz auf dieses Nichts von einem Titel: Immerhin wurde in den Ankündigungen zum Trailer – von Pressemitteilungen bis zum YouTube-Titel – konsequent darauf geachtet, das Wort „Endgame“ nicht zu verwenden. Selbst auf das Marketing-Lieblingswerkzeug eines mitgereichten Hashtags wurde verzichtet, um die Zuschauer nicht zu spoilern. Was haben die sich nur gedacht: Noch total mitgenommen vom Iron-Man-Schicksal springen die Fans vor ihren Computern oder Handys voller Begeisterung auf, sobald der Titel „Endgame“ auf dem Bildschirm erscheint? WTF? Alter Schwede, da haben die einfach nur verdammt Schwein gehabt, dass der Trailer so sehr rockt, dass dieser Nichts-Titel im ersten Moment gar nicht weiter negativ auffällt...
Eine Verschwörungstheorie
Ich glaube ja aber an das Gute im Menschen. Also im kreativen Menschen, so wie Kevin Feige einer ist. Und nicht im Marketing-Menschen, der sowieso eher wie das Rädchen in einer Maschine funktioniert. Deshalb gehe ich davon aus, dass da sehr wohl noch ein oder sogar zwei andere mögliche Titel in der Verlosung waren, die sehr viel mehr und offensichtlicher gespoilert hätten. Aber die Marktforschung hat diesen Plänen dann einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich meine, wenn man eine Gruppe Leute an einem Samstagmorgen in einer Shopping Mall befragt, ob sie „Endgame“ für ein Action-Abenteuer passend finden, dann sagen sie halt Ja. Bei sowas kommt halt immer der kleinste gemeinsame Nenner raus. Und „Endgame“ ist nun mal der Inbegriff eines kleinsten gemeinsamen Nenners.
Eine Gegen-Theorie
Mein Kollege Björn Becher ist übrigens anderer Meinung und glaubt, dass der Titel „Endgame“ schon sehr lange feststeht und die Verantwortlichen ihn vor „Infinity War“ nicht nur wegen des Mini-Spoilers hinsichtlich der Aussage von Doctor Strange, sondern auch deshalb nicht verraten haben, weil sie nicht wollten, dass alle Welt schon über „Avengers 4“ statt erst mal über „Avengers 3“ diskutiert. Aber dann hat das Rätselraten speziell im Netz solche gigantischen Ausmaße angenommen, dass sie es lieber noch weiter befeuern wollten (etwa mit einem kryptischen Bild der Russo-Brüder), statt den werbewirksamen Diskussionen mit der Veröffentlichung direkt wieder den Wind aus den Segeln zu nehmen. Am Ende hat man sich bei Marvel womöglich vor allem darüber amüsiert, was für Ausmaße die Diskussion über so etwas Unwichtiges wie einen Filmtitel angenommen hat.
„Avengers 4: Endgame“ startet am 25. April 2019 in den deutschen Kinos. Aber bevor es soweit ist, bekommt das MCU am 7. März 2019 mit „Captain Marvel“ erst noch seine erste weibliche Solo-Superheldin: