Wer einen der legendärsten deutschen Nachkriegsklassiker anfasst und weiterführt, muss eine Menge Mumm besitzen – so ikonisch und herausragend ist der Ruf von Wolfgang Petersens sechs Mal für einen Oscar nominiertem Kriegsfilm „Das Boot“, der 1981 zum Welthit avancierte. Allein 3,8 Millionen Menschen pilgerten in die deutschen Kinos, wo die 149-minütige Leinwandfassung lief. Dem folgten 1985 noch die TV-Serien-Fassung (282 bzw. 308 Minuten, je nach Schnittversion) und der Director’s Cut, der mit einer Länge von 208 Minuten 1991 auch noch einmal im Kino gestartet ist. Lange Zeit wurde darüber spekuliert, ob die 26,5 Millionen Euro teure „Das Boot“-Serien-Neuauflage 37 Jahre nach dem Original nun ein Remake oder eine Fortsetzung wird. Um die Frage unmissverständlich zu klären: „Das Boot“ (2018) ist ein waschechtes Sequel!
Die Handlung setzt 1942 kurze Zeit nach dem Untergang der U-96 im Hafen von La Rochelle mit einem komplett neuen Cast und neuen Handlungssträngen ein. In den ersten beiden Folgen, die wir bisher sehen konnten und auf die sich diese Kritik bezieht, sind zwar Verweise auf Petersens „Das Boot“ vorhanden, aber nicht aufdringlich. Regisseur Andreas Prochaska, der alle Folgen selbst inszenierte, emanzipiert sich bewusst von dem Vorgänger – was angesichts der übermächtigen Größe des Originals der einzige sinnvolle Ansatz ist. Man sollte die „Das Boot“-Serien-Fortsetzung also am besten als etwas Eigenes sehen und beurteilen.
Mit zehn Minuten Action rein ins Geschehen
Die acht rund eine Stunde langen Folgen stammen aus der Feder der Autoren Johannes W. Betz („Die weiße Massai“), Tony Saint („Margaret Thatcher: The Long Walk To Finchley“), Simon Allen („Spotless“), Benedikt Roeskau („Nordwand“) und Laura Grace. Die Geschichten basieren auf Lothar-Günther Buchheims Bestsellern „Das Boot“ und „Die Festung“.
Der Auftakt sitzt! „Das Boot“ startet mit einer fulminanten, rund zehnminütigen Actionsequenz, die die Besatzung der U-612 in allerhöchste Not manövriert – bevor der sehr atmosphärisch gestaltete Serienvorspann das erste Mal über den Bildschirm flimmert und die Handlung zurückspringt in den Herbst 1942, wo die Vorbereitungen auf das Auslaufen der U-612 bereits in vollem Gange sind.
In den ersten beiden Episoden wird dem jungen Kapitänleutnant Klaus Hoffmann (Rick Okon) im französischen La Rochelle die Verantwortung für die fabrikneue U-612 übertragen. Als Sohn eines berühmten Vaters, der ebenfalls U-Boote befehligte, hat er es nicht leicht, sich Autorität zu verschaffen, was ihn sein (wesentlich erfahrenerer) Erster Wachoffizier, Oberstleutnant Karl Tennstedt (August Wittgenstein), auch immer wieder spüren lässt. Das Schicksal der Übersetzerin Simone Strasser (Vicky Krieps) ist ebenfalls eng mit der U-612 verknüpft. Ihr kleiner Bruder Frank (Leonard Scheicher) ist in den Morphiumhandel verwickelt und zieht seine Schwester mit hinein. Als er rekrutiert wird, als Funker an Bord des U-Boots zu arbeiten, muss sie für ihn bei einem Deal einspringen und gerät in Lebensgefahr. Auch die Widerstandskämpfer der französischen Resistance sind in den Rauschgiftschmuggel involviert, was die deutsche Geheimpolizei in Person des skrupellosen Kriminalrats Forster (Tom Wlaschiha) auf den Plan ruft.
U-612, Morphiumhandel und die Resistance
Die Handlung von „Das Boot“ teilt sich in zwei Hauptteile auf. Da ist zum einen der „Kaleu“-Frischling Hoffmann, der seine Mannschaft mit Drills und Härte hinter sich bringen will. Und eben die Geschichte der Übersetzerin Simone Strasser, der Resistance und der Gestapo-Ermittlung an Land. Das verleiht der Erzählung, die schließlich auf ein achtstündiges Serienformat angelegt ist, mehr Breite, wobei die beiden Stränge durch das Geschwisterpaar Strasser geschickt miteinander verbunden sind. Zudem vergrößert die Morphium-Jagd noch den Abstand zum Originalfilm, weil hier etwas völlig Neues erzählt wird.
Was auffällt: Der Look der U-Bootfahrer ist angenehm authentisch, selbst wenn die gesamte Optik der Szenen etwas mehr modernen Hochglanz ausstrahlt als Petersens rau-realistisches „Das Boot“. Auch von dem feinen Zynismus des Originals ist zumindest in den ersten beiden Episoden noch nicht viel zu spüren. Gut möglich, dass sich hier noch etwas entwickelt: Hoffmann und seine Crew werden schließlich auf ein Himmelfahrtskommando geschickt – allein im Monat vor dem Ablegen der U-612 sind zwölf deutsche U-Boote versenkt worden.
Hommage und moderne Inszenierung
Die Inszenierung wirkt so zwar glatter, aber keineswegs weichgespült. Die Sprüche der Seeleute sind ähnlich derb wie 1981: „40 Kerle, keine Dusche, ein Scheißhaus – willst du’s genauer wissen?“ Die berühmte Mundart-Vielfalt der unterschiedlichen deutschen Dialekte des Originals ist auch in der „Das Boot“-Serie authentisch getroffen. Die Storys der Figuren sind angelegt, das Interesse ist geweckt, jetzt gilt es, sie in den weiteren Folgen mit Hochspannung zu füllen. Die Grundlagen dafür sind da.
Fazit: Wenn Klaus Doldingers legendäre U-96-Musik auch im neuen Serienscore in den Opening Credits ertönt, sorgt das sofort für Gänsehautstimmung. Die von Andreas Prochaska in Szene gesetzte „Das Boot“-Fortsetzung im Serienformat ist auch eine Hommage an den Klassiker, vor allem aber eine selbstbewusste Weiterführung im modernen Gewand aktueller, hochwertig produzierter Qualitäts-Formate.
„Das Boot“ wird ab dem 23. November 2018 immer freitags ab 20.15 Uhr in Doppelfolgen auf Sky 1 HD ausgestrahlt. Zeitgleich sind alle acht Folgen der Drama-Serie für Sky-Abonnenten auf Abruf per Sky Ticket verfügbar.