Hongkongs Filmindustrie ist wütend: Grund ist Variety zufolge ein Urteil, das von den einigen als ungerecht, von anderen sogar als politisch motiviert bezeichnet wird. Fest stehe, dass der bekannte Requisiten-Macher Cheung Wai-chuen („Vengeance - Killer unter sich“) zusammen mit Law Yun-lam, einem Angestellten eines Logistikunternehmens, von einem Bezirksgericht in Hongkong zu vier Monaten Haft verurteilt wurde. Der Vorwurf? Besitz von Falschgeld.
Falschgeld für Gangster-Thriller
Nachdem das Urteil für zwei Jahre ausgesetzt wurde, ist es nun in Kraft getreten. Dass das betroffene Falschgeld auch wirklich Falschgeld ist, überrascht dabei kaum, schließlich sollen die britischen Pfund, chinesischen Yuan, US- und Hongkong-Dollar, die 2016 in Laws Auto vor einem Warenlager Cheungs gefunden wurden, für den im selben Jahr gedrehten Gangster-Thriller „Trivisa“ benutzt worden sein.
So seien die Banknoten sogar als Filmrequisiten gekennzeichnet gewesen, doch davon ließ sich die Richter bei ihrer Urteilsverkündung nicht beirren. So erklärte einer von ihnen dem Gericht, dass das Falschgeld zu echt aussehen würde und man nicht ausschließen könne, dass es gestohlen und als echtes Geld benutzt würde. So sei die Kennzeichnung nur bei einer sorgfältigen Begutachtung des Geldnoten erkennbar gewesen. Dabei seien existierende Regeln zur klaren Kennzeichnung von falschen Geldnoten als Filmrequisite nicht eingehalten worden. Das im Film verwendete Geld könnt ihr euch hier, oder auf dem Titelbild genauer anschauen. Beide Bilder sind Screenshots aus dem Trailer von „Trivisa“.
Hongkongs-Filmindustrie protestiert
Der Verband von Hongkongs Filmschaffenden zeigt sich aufgrund des Urteils empört und hat mittlerweile ein Statement veröffentlicht, in dem die Gerichtsentscheidung massiv kritisiert wird.
Dies ist gegen die Hingabe der Industrie zur Professionalität beim Filmemachen. Die Autoritäten nahmen einen Fall an, der ungerecht war. Die Mitglieder von Hongkongs Filmindustrie sind nicht nur enttäuscht und wütend, es sendet uns auch einen Schauder das Rückrat hinunter.
Außerdem würde solch eine Behandlung schlussendlich Hongkongs Filmindustrie zerstören. Auch die lokale Produzentin Katherine Lee („Black Night“) macht auf Facebook ihrem Ärger Luft:
Witz der Welt!! Hongkongs Regierung hat gerade einen Requisiten-Überwacher für den Besitz von Requisiten-Geld verhaftet!!! What the Fuck?
Dass sie an dieser Stelle Hongkongs Regierung ins Spiel bringt, ist kein Zufall, schließlich ist sie – wie Variety berichtete – nicht die einzige, die politische Gründe hinter dem Urteil vermutet.
Der Film "Trivisa" im Fadenkreuz der Politik?
Um die politischen Hintergründe des Falls zu verstehen, muss man sich nochmals den besonderen Status der Stadt Hongkong in Erinnerung rufen. Seit 1997 ist die ehemalige britische Kolonie eine Sonderverwaltungszone der Volksrepublik China. Das bedeutet, dass Hongkong zwar unter chinesische Hoheit fällt, ansonsten aber mit einer Reihe von autonomen Sonderrechten, wie der freien Marktwirtschaft, einem eigenen Justizsystem und unabhängigen Gerichten ausgestattet ist. Einige Vertreter der lokalen Filmindustrie vermuten hinter dem umstrittenen Urteilsspruch nun aber eine chinesische Einflussnahme. Denn schon „Trivisa“, der Film, für den das Requisiten-Geld schließlich benutzt worden sein soll, war der Regierung in China ein Dorn im Auge.
Der im Jahre 1997 angesiedelte Gangster-Thriller von HongKongs Jungregisseuren Frank Hui, Vicky Wong und Jevons Au folgt drei legendären Verbrechern, die kurz vor der britischen Übergabe der Stadt an China einen letzten großen Coup planen. In China wurde der Streifen landesweit verboten. Dies ging sogar so weit, dass selbst bei der Übertragung der Honk Kong Film Awards, wo „Trivisa“ unter anderem den Preis für den besten Film 2017 gewann, der Name des Films im chinesischen Fernsehen geschwärtzt wurde. Wie in einem Artikel der South China Morning Post beschrieben wird, soll man zum Beispiel den Namen des Schauspielers Ka Tung Lam gesehen haben, nicht aber, für welchen Film er denn nun als bester Schauspieler ausgezeichnet wurde.
Wobei die genauen Gründe für das Verbot von „Trivisa“ sehr unklar sind, wird teilweise vermutet, dass die Beteiligung eines der Regisseure (Jevons Au) am regimekritischen und ebenfalls verbotenen Episodenfilm „Ten Years“ ein Mitgrund dafür sein könnte, dass „Trivisa“ damals bei den chinesischen Zensoren in Ungnade fiel. Abgesehen vom historischen Setting ist „Trivisa“ eigentlich aber kein sonderlich kontroverser oder politischer Fim.
Weitere Stellungnahmen
Auch einige Filmkritiker haben zu dem Vorfall mittlerweile übrigens Stellung genommen und das durchaus überraschend. In der New York Times wird so Ross Chen vom Filmkritikverband mit der Aussage zitiert, dass er nicht glaube, dass der Prozess politisch motiviert sei. Trotzdem wundere er sich über die Schwere der Strafe. Ein weiterer Filmkritiker, Kevin Ma, macht den Verwaltungsappart in Hongkong verantwortlich. Seiner Meinung nach haben die Filmemacher zwar Regeln verletzt, es sei aber ein weiteres Beispiel dafür, wie Abkürzungen genommen werden, weil die Bürokratie so kompliziert und es den Machern oft unmöglich sei, alle Genehmigungen zu bekommen. Das Urteil sei daher scheinheilig.
Der Verurteilte Requisiten-Macher Cheung Wai-chuen wundert sich derweil vor allem darüber, warum es jetzt zu so einer Bestrafung kommt: „Ihr schaut die Filme doch seit Jahren“, fragte er so laut der New York Times im Anschluss an die Verhandlung. Niemand habe all die Jahre etwas dazu gesagt. Warum nun plötzlich?
Cheung Wai-chuen und Law Yun-lam sollen jetzt also erstmal ins Gefängnis. Welche weiteren Konsequenzen der Fall hat, ist aktuell schwer zu bewerten.