50 Jahre nach dem Ende der Sci-Fi-Serie „Verschollen zwischen fremden Welten“ (Originaltitel: „Lost In Space“) hat sich nun der Streaming-Gigant Netflix an ein modernes Remake des TV-Klassikers gewagt. An der Prämisse hat sich seit den 1960er Jahren nicht viel geändert – noch immer strandet eine Raumfahrer-Familie auf einem fremden Planeten. Dass die Serie ansonsten aber trotzdem vieles anders macht, verraten uns Molly Parker („House Of Cards“) und Toby Stephens („Black Sails“), die im neuen „Lost In Space“ die Eltern Maureen und John Robinson verkörpern. Besonders in Sachen Komplexität und Geschlechterrollen sah man nämlich offenbar großes Verbesserungspotential...
FILMSTARTS: Was sind die größten Unterschiede im Vergleich zur Original-Serie aus den 60ern?
Molly Parker: In den 60ern gab es so viele amerikanische Serien, in denen Familien als perfekte Kleinfamilien porträtiert wurden: idealisiert, klassisch und der Vater wusste alles immer am besten. Das mussten wir zweifelsohne hinter uns lassen. Im Original hat Maureen Robinson – selbst inmitten von Außerirdischen – oft nur gefragt: „Kann ich euch ein Sandwich machen?“ Sie hatte außerdem diese Maschine, die die Wäsche für sie wusch – das war damals die Vorstellung einer tollen Zukunft.
Unsere Serie spielt 30 Jahre in der Zukunft und den Autoren war es wichtig, eine Welt zu entwerfen, in der die Frauen nicht nur fähige starke Frauen sind, die jeden Job machen können, den auch Männer machen, sondern in der darüber auch gar nicht mehr geredet wird, es ist selbstverständlich. Wir leben jetzt noch in einer Zeit, in der es Diskussionen darüber gibt und geben muss. Aber in 30 Jahren gehört das hoffentlich der Vergangenheit an.
Toby Stephens: Ich denke, dass sich auch unsere Einstellung zum Weltraum verändert hat. Der Wettlauf ins All, der in den 50ern und 60ern stattfand, war damals noch sehr neu und die Ideen, was Menschen alles im All machen könnten, waren geprägt von einer großen Unschuld und Naivität. Aber heutzutage sind wir wesentlich aufgeklärter: Die damalige Haltung war, dass wir einfach, sobald wir mit der Erde fertig sind, zum nächsten Planeten weiterziehen und den zerstören.
Statt einer solchen naiven Einstellung vermittelt die neue Serie eher eine Warnung: Wenn wir nicht vorsichtig sind, ist es das, was passieren wird. Und die Idee, einfach loszuziehen und einen anderen Planeten zu bevölkern, ist zwar ganz nett, aber in der Realität wäre es sicherlich ziemlich schrecklich. Was wäre zum Beispiel, wenn man den ganzen Weg reisen würde, nur um am Ende festzustellen, dass dort entweder schon jemand anderes lebt oder die Welt generell einfach unbewohnbar ist? Unsere Version hat einen wissenschaftlichen Unterbau, der hoffentlich belastbarer ist als der des Originals.
Düstere Familienserie
FILMSTARTS: Das neue „Lost In Space“ wirkt ein wenig wie eine Kombination aus den düsteren und den familienfreundlichen Netflix-Serien. Wer ist in euren Augen das Zielpublikum?
Molly Parker: Das ist eine gute Frage, die ich mir tatsächlich auch selbst gestellt habe, als ich das erste Mal auf die Serie angesprochen wurde. Es war mir zunächst nicht ganz klar. Es ist zwar keine Kinderserie, aber durchaus eine Familienserie – und zwar in dem Sinne, dass ich sie mit meinem elfjährigen Sohn schauen könnte, sie aber auch für Erwachsene funktioniert, weil die Beziehungen komplex sind und sich hoffentlich jeder in dieser Art von modernen, fehlerbehafteten und etwas dysfunktionalen Familien an der einen oder anderen Stelle wiedererkennt. Als Elternteil finde ich, dass es nicht viele Serien gibt, die man als Erwachsener wirklich mit seinen Kindern schauen will. Man macht es natürlich, um mit ihnen Zeit zu verbringen. Aber unsere Serie hat etwas für jeden.
Toby Stephens: Wir leben in besorgniserregenden Zeiten, in denen beunruhigende Dinge passieren, und dann machst du den Fernseher an und hast diese ganzen dystopischen, wirklich deprimierenden Serien – von denen zwar viele brillant sind, aber man bekommt ständig nur das Gefühl, dass die Welt schrecklich ist. „Lost In Space“ ist da wesentlich lebensbejahender. Ich mag zum Beispiel auch, dass die Kinder in der Serie unfassbar begabt sind und durch all die Belastungen letztendlich zu Leistungen inspiriert werden, die sie womöglich nicht erreicht hätten, wenn sie nicht in dieser existenziellen Lage wären. Wenn ich ein Kind wäre und mir das anschauen würde, wäre ich danach auch gerne wie diese Geschwister, die wirklich clever sind und echt was drauf haben.
FILMSTARTS: Was denkt ihr, warum Remakes so populär sind - und was haltet ihr generell von dem Trend?
Molly Parker: Die Leute widmen sich eben Geschichten, von denen sie wissen, dass sie funktionieren. In unserem Fall ist sogar schon das Original eine Art Remake, da es lose auf dem Abenteuerroman „Der Schweizerische Robinson“ basiert, der wiederrum eine Neuinterpretation von „Robinson Crusoe“ ist. Es ist eine universelle Geschichte, die zufällig im Weltall spielt.
Toby Stephens: Ein Remake kann etwas unglaublich Faules sein, wenn man sich einfach nur denkt: „Wir haben keine anderen Ideen, also lasst uns einfach etwas tun, was wir schon mal gemacht haben.“ Solche faulen Neuauflagen erkennt man beim Schauen aber schnell, da sie nichts Neues zu bieten haben, sondern nur ein schlichter Aufguss des Originals sind. Bei uns spüren die Zuschauer aber hoffentlich, dass wir das vorher schon Dagewesene weiterspinnen: Es startet wieder mit einer herkömmlichen häuslichen Situation an einem außergewöhnlichen Ort – das war schon die Stärke von „Der Schweizerische Robinson“, weshalb die Geschichte als „Lost In Space“ neu aufgelegt wurde und weshalb wir es nun auch noch einmal aufgreifen. Aber die Familie in unserer Geschichte ist völlig anders als die in der Version aus den 60ern. Daher ist es nicht bloß ein Reboot, sondern eine völlig neue Dynamik, auch wenn es im Kern trotzdem noch um eine Familie geht, die in einer gefährlichen Lage zurechtkommen muss...
Molly Parker: ... und um einen Roboter!
Toby Stephens: Ja, und um einen Roboter.
FILMSTARTS: Habt ihr das Original als Ausgangspunkt für die Entwicklung eurer Figuren genutzt?
Toby Stephens: Nein, wir hatten es beide gar nicht gesehen. Wir wussten lediglich, dass es existiert. Ich kann mich daran erinnern, als Kind kurze Ausschnitte daraus gesehen zu haben. Als sie sagten, dass sie ein Remake machen, war ich daher zunächst etwas skeptisch. Aber als ich dann das Skript gelesen habe, war das, was uns beiden ins Auge sprang, wie viel nuancierter das Ganze ist…
Molly Parker: ... und wie unheimlich! ich dachte zunächst auch, dass es vielleicht keine so gute Idee wäre. Es war für mich keine offensichtlichtliche Entscheidung, ich habe mir nicht gesagt: „Ja, ich will jetzt unbedingt eine Sci-Fi-Serie machen.“ Aber als ich beim Lesen an die Stelle in der ersten Folge kam, wo die älteste Tochter der Robinsons in Gefahr gerät, war ich wirklich bewegt, was mich total überrascht hat. Und wenn ich mir anschaue, wie wir versuchen, sie zu retten, ist das als Mutter einfach furchtbar beklemmend. Ich mag einfach, dass es zwar nicht auf eine „Black Mirror“-Art abgründig (lacht), aber trotzdem unheimlich ist.
FILMSTARTS: Was ist der größte Unterschied zwischen Großproduktionen wie dieser hier und kleinen Indie-Produktionen?
Molly Parker: Die Zeit! Mit einem größeren Budget kommt auch mehr Zeit, um etwas zu machen. Die ersten zehn bis 15 Jahre meiner Karriere habe ich nur Indie-Filme gemacht, also bin ich daran gewöhnt. Es ist zwar eine Weile her, seit ich etwas wirklich Kleines gedreht habe, aber ich liebe solche Filme, ich habe in meinem Herzen immer einen Platz für diese Art von Arbeit, da man den Leuten, mit denen man arbeitet, einfach so nahe kommt. Trotzdem genieße ich das Mehr an Zeit, die man bei Serien dieser Größenordnung hat – und viele der Macher von Indie-Filmen aus den 90ern sind inzwischen auch in diesem Bereich gelandet. Ich treffe dauernd Regisseure, mit denen ich damals an Indie-Filmen gearbeitet habe. Zudem sind solche Serien zu dem Ort geworden, an dem die wirklich guten Rollen für Frauen zu finden sind.
Zwei Volltrottel am Set
FILMSTARTS: Wie habt ihr gelernt, auf Dinge richtig zu reagieren, die eigentlich gar nicht da waren, sondern erst später per Computer eingefügt wurden?
Toby Stephens: Man muss sich einfach nach den Kindern richten, weil sie von Natur aus großartig mit solchem Kram sind.
Molly Parker: Sie spielen die ganze Zeit herum und schreien „uaahhh!“ und man selbst fühlt sich wie…
Toby Stephens: ... ein Volltrottel!
Molly Parker: Ja (lacht), einfach wie ein unglaublicher Trottel. Es fühlt sich ziemlich albern an.
Toby Stephens: Man muss darauf vertrauen, dass es am Ende fantastisch aussehen wird – das ist ein ziemlicher Vertrauensvorschuss.
Molly Parker: Die meiste Zeit dachten wir uns nach dem Dreh einzelner Szenen: „Ich weiß ja nicht, das war bestimmt furchtbar.“
Toby Stephens: „Ich weiß einfach nicht, was ich gerade getan habe. Oh Mann, worum ging es da gerade überhaupt?“ (beide lachen) Du fühlst dich so, als wärst du gerade ausgenommen wurden.
Molly Parker: Das war bei mir auch so. Aber ein großer Teil der Schauspielerei ist einfach, sich in der Öffentlichkeit zu blamieren, also sind wir halbwegs dran gewöhnt. Die Postproduktion dauerte länger als die eigentlichen Dreharbeiten - und wenn man es dann fertig sieht, sind vor allem die Ausmaße überwältigend. Es war nämlich oft so, dass wir eine Szene gedreht haben und uns dann anschließend erklärt wurde: „Ach, haben wir euch übrigens schon gezeigt, dass das Schiff, auf das ihr gerade schaut, eigentlich so aussieht?“ Und dann stellst du fest, dass du zwar hier unten gespielt hast, aber eigentlich alles Wesentliche dort oben passiert ist. Es fühlt sich tatsächlich albern an...
FILMSTARTS: Es scheint so, als hättet ihr viel Spaß beim Drehen gehabt...
Molly Parker: Nun ja, es macht zwar Spaß, sich die Serie anzuschauen, aber die Eltern müssen vor allem andauernd ihre Kinder vor dem sicheren Tod bewahren, was jetzt nicht so spaßig ist. „Aaaahhh!“, beschreibt es glaube ich besser....
Toby Stephens: ... und zudem müssen sie sich auch noch mit ihrer kriselnden Ehe herumschlagen...
Molly Parker: ... und das alles in Raumanzügen! Das Knifflige war, das Wahrhaftige an dieser Beziehung zu finden. Wir spielen kein Paar, das nicht mehr miteinander auskommt, nur weil es etwas zu viel streitet. Es ging darum zu zeigen, dass da grundlegend etwas falsch und zerbrochen ist, ohne dass es deshalb gleich zu schwer würde. Es ist nicht von vornherein diese idealisierte Version einer Ehe – und gerade darin steckt auch noch eine Menge Potential. Viele junge Zuschauer haben ja ebenfalls Eltern, die entfremdet oder geschieden sind - und es ist positiv für solche Kinder, eine solche Form von Familie ebenfalls repräsentiert zu sehen.
Weltraum-Aale als großer Trumpf
FILMSTARTS: Hattet ihr eine Sci-Fi-Lieblingsserie als Teenager?
Toby Stephens: Oh ja, ich habe „Star Trek“ geliebt und die verschiedenen Spin-offs, auch die neueren.
Molly Parker: Ich konnte damit nicht so viel anfangen. Es wirkte alles so... unecht?
Toby Stephens: Das war einer der Gründe, warum ich es so ansprechend fand. Ich mochte, dass es so losgelöst von der realen Welt war. Es war wahrer Eskapismus. Es war – wie etwa auch „Star Wars“ – diese Weltraum-Oper mit Figuren, die an Orten unterwegs waren, die soweit weg sind von all dem, was wir hier auf der Erde kennen. Und es war sehr episodisch, jede Folge hatte eine andere Story, während die Geschichten, die wir nun erzählen, meist große Handlungsbögen haben, die sich über eine ganze Staffel erstrecken. Das ist ebenfalls eine Art Eskapismus, aber es fühlt sich einfach anders an...
Molly Parker: ... dafür gibt es bei uns Weltraum-Aale!
Alle zehn Folgen der ersten „Lost In Space“-Staffel werden am 13. April 2018 auf Deutsch und Englisch bei Netflix veröffentlicht.