„Carlos - Der Schakal“ (Olivier Assayas, 2010)
Die historische Geschichte: In seinem Thriller-Biopic „Carlos - Der Schakal“ erzählt Filmemacher Olivier Assayas auf atemlose Art und Weise von Ilich Ramírez Sánchez, Kampfname Carlos. Die historische Figur, ein Terrorist und Mörder vieler Menschen, begann sein Leben als Idealist, wurde schon vom Vater nach Wladimir Iljitsch Lenin, dem Begründer der Sowjetunion benannt. Zunächst griff der fehlgeleitete Weltrevolutionär – wie andere seiner Generation – zu nihilistisch-destruktiver Gewalt, um sich dann von Schurkenstaaten und Diktatoren wie Saddam Hussein und Muammar al-Gaddafi gegen Bezahlung für einen Kampf gegen Israel und die Destabilisierung der westlichen Welt instrumentalisieren zu lassen…
Die großartige filmische Umsetzung: Olivier Assayas legt in seinem epischen, in einer fünfeinhalbstündigen sowie dreistündigen Version vorliegenden Biopic ein unglaublich straffes, immer vorwärts treibendes Tempo vor, wobei das Charakterbild des Protagonisten von Minute zu Minute verdichtet wird, bis am Ende ein millimetergenaues Porträt eines Phantoms entsteht. So findet das ausschweifende, oft an einen Playboy erinnernde Leben des Ilich Ramírez Sánchez sein filmisches Äquivalent auf der Leinwand, die Zuschauer werden förmlich in den Film hineingesogen.
Der Terrorist ist ein Intellektueller, der neben Spanisch fließend Englisch, Französisch, Deutsch, Russisch und Arabisch spricht. Er ist arrogant, brutal, bis ins Mark von sich selbst überzeugt, ohne den Blick für die Realitäten zu verlieren. Der einstige Überzeugungstäter passt sich den Gegebenheiten des Kapitalismus an, was ihn zur Nummer eins im Terror-Business aufsteigen lässt. Der Venezolaner Édgar Ramírez („Das Bourne Ultimatum", „Che") gibt in einer begeisternden, charismatischen Vorstellung einen vielschichtigen und ambivalenten Carlos.