Ein braver Hund in der weiten Würstchenwelt
Solche urbanen Legenden gibt es in vielen Großstädten: In der menschenleeren Kanalisation sollen sich all die verlassenen Haustiere tummeln, die einst von ihren Besitzern ausgesetzt wurden – besonders Krokodile kommen in solchen Geschichten oft vor, aber auch Spinnen, Schlangen und Kaninchen. Doch selbst wenn das alles Quatsch sein mag, taugen diese Legenden doch als perfekte Prämisse für einen Animationsfilm: In der Welt von „Pets“ (von den Machern der Minions, die im Vorfilm „Rasenmäher Minions“als Vorgartenpfleger auftreten) führen Haustiere ein geheimes Leben, sobald Herrchen und Frauchen die Wohnung verlassen.
Da legt dann der gesittete Pudel erst mal in voller Lautstärke Heavy-Metal-Musik auf, ein Kanarienvogel träumt vor dem Ventilator von wilden Flügen durch windige Canyons – nur der anhängliche Hund Max sitzt den ganzen Tag vor der Tür und wartet auf die Heimkehr seines Frauchens. Der Terrier ist also nicht gerade das abenteuerlustigste Tier, doch dann bringt seine Besitzerin eines Abends den großen, haarigen Streuner Duke mit nach Hause – und Max wird von Eifersucht übermannt. Beim nächsten Ausflug eskaliert der Streit zwischen den beiden, die so schließlich bei der Bande von Snowball landen, einem psychotischen Kaninchen, das die herrenlosen Haustiere von New York anführt („So eine Art Club, nur mit Beißen und Kratzen.“). Während sich die beiden verlorenen Hunde in der Unterwelt herumschlagen, trommelt die heimlich in Max verschossene Zwergspitzdame Gidget alle Freunde zusammen und organisiert einen Suchtrupp…
Die Geschichte von „Pets“ erinnert durchaus an die des Pixar-Klassikers „Toy Story“ – gerade die (unfreiwillige) Beziehung zwischen Max und Duke ist der zwischen Buzz und Woody sicher nicht unähnlich. Aber ein Plagiat ist „Pets“ trotzdem nie, dafür haben die Regisseure Yarrow Cheney und Chris Renaud viel zu viele eigene Ideen: Die charakterlichen Eigenheiten der Tiere (Hunde sind treudoof, Katzen arrogant) werden geschickt gegeneinander ausgespielt, es gibt abenteuerliche Jagdszenen und ruhige, atemberaubende Kamerafahrten über und durch das großartig animierte New York.
Das ist gelegentlich frech, manchmal milde beängstigend, aber immer unbedingt kindertauglich und für junge Zuschauer unglaublich lustig. Und für die Erwachsenen gibt es trotzdem auch genug zu lachen: So driftet „Pets“ zum Beispiel, als Max und Duke ausgerechnet in einer Wurstfabrik nach Zuflucht und Nahrung suchen, in eine surreale Montage ab - irgendwo zwischen Schlaraffenland und „The Big Lebowski“; mit singenden, tanzenden Würstchen und zwei sehr, sehr glücklichen Hunden.
In diesen Kinos läuft „Pets“ am kommenden Wochenende.
Rochus Wolff, Jahrgang 1973, ist freier Journalist und lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern im Grundschulalter in Berlin. Sein Arbeitsschwerpunkt ist der Kinder- und Jugendfilm; seit Januar 2013 hält er in dem von ihm gegründeten Kinderfilmblog nach dem schönen, guten und wahren Kinderkino Ausschau.