Flüchtlingsfrage aus Kinderaugen
Es wäre ein Irrtum zu glauben, in Pferdeabenteuern ginge es meist hauptsächlich um Tiere. Natürlich kann Tierliebe ein zentraler Punkt des Films sein – etwa wenn ein Pferd vor dem Verkauf an einen niederträchtigen Züchter oder sogar vor dem Abdecker bewahrt werden soll. Aber dahinter werden in aller Regel auch noch universellere Themen verhandelt: Probleme in der Familie, die erste Liebe, das Erwachsenwerden – was jugendliche Herzen eben bewegt. Bei „Zafir – Der schwarze Hengst“ ist das nicht anders: Die zwölfjährige Anna (Rose Marie Hermannsen) verbringt viel Zeit auf dem Reiterhof und nimmt sogar an Turnieren teil. Am liebsten würde sie auf dem Hengst Zafir reiten, aber das Tier gilt als aufbrausend und unberechenbar. Annas große Schwester ist sogar bei einem Unfall mit Zafir ums Leben gekommen – auch deshalb soll er nun verkauft werden. Doch dann taucht auf einmal das Flüchtlingskind Sharbat (Katrine Schnoor) auf, das immer wieder aus seinem Heim abhaut, um bei den Pferden sein zu können. Dabei scheint Sharbat ein ganz besonderes Gespür für die Tiere zu besitzen, denn von ihm lässt sich Zafir problemlos betreuen..
Die Flüchtlingsfragen spielen in diesem dänischen Film von 2003, der jetzt erstmals in Deutschland auf DVD erscheint, nur im Hintergrund eine Rolle - von den aufgeheizten Diskussionen der Gegenwart ist noch nichts zu spüren. Trotzdem ist „Zafir“ alles andere als unpolitisch, wenn er sich bei der Begegnung der Kinder auf eine ganz persönliche Ebene fokussiert: Im Zentrum geht es darum, was Anna und Sharbat voneinander lernen können, welche unterschiedlichen Geschichten und Herangehensweisen sie mitbringen - und letztlich geht es auch um die Gemeinsamkeiten, also eben darum, dass beide sich eigentlich doch sehr ähnlich sind.
Hinter seiner einfachen, aber effektiven Abenteuergesichte legt es „Zafir“ gar nicht darauf an, hier die große Weltpolitik aufzurollen. Stattdessen wird die Ankunft eines Flüchtlingskindes auf die Perspektive eines anderen Kindes heruntergebrochen. Auch Anna sieht Sharbat erst einmal als Eindringling - aber dabei geht es eben nicht um seine Kultur, Hautfarbe oder Sprache, sondern nur um den Reiterhof. Die zunächst misstrauische Begegnung eröffnet neue Möglichkeiten, voneinander zu profitieren und dabei auch die Gemeinsamkeiten ganz konkret auszuloten – das ist doch schon ein lohnender politischer Blick, gerade in einem Film, der sich eher an Kinder als an Teenager richtet. Wir sind gar nicht so verschieden, sondern haben sogar oft gemeinsame Ziele – und sei es die Rettung eines schwarzen Hengstes.
Rochus Wolff, Jahrgang 1973, ist freier Journalist und lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern im Grundschulalter in Berlin. Sein Arbeitsschwerpunkt ist der Kinder- und Jugendfilm; seit Januar 2013 hält er in dem von ihm gegründeten Kinderfilmblog nach dem schönen, guten und wahren Kinderkino Ausschau.