George Lucas gelang das Kunststück, ein Hollywoodstudio davon zu überzeugen, einen Weltraumfilm mit Schwertern aus Licht und einem laufenden Hund als Co-Piloten zu finanzieren – und das zu einer Zeit, als kaum jemand ernsthaft glaubte, dass Kinozuschauer für so etwas Geld ausgeben würden. Glück für Lucas: Er hatte eine Mappe mit Konzeptbildern dabei, gemalt vom Designer und Futuristen Ralph McQuarrie – und die schindeten mächtig Eindruck. McQuarrie bestimmte, wie „Star Wars“ aussehen sollte und setzte so den Rahmen für seinen Nachfolger Doug Chiang. Der designte die visuellen Effekte für „Terminator 2“ und „Die Maske“, erhielt für „Der Tod steht ihr gut“ (1992) einen Oscar und zog anschließend in den Sternenkrieg: Von 1995 bis 2002 war er Design-Chef von Lucasfilm, definierte so den Look der Prequel-Trilogie – stets im Geiste von McQuarrie, aber auch mit deutlichen eigenen Akzenten. Für J.J. Abrams‘ „Star Wars - Episode VII: Das Erwachen der Macht“ (ab 15. April als digitaler Download verfügbar, ab 28. April auf DVD & Blu-ray) kehrte Chiang ein weiteres Mal in den Sternenkrieg zurück…
FILMSTARTS: Du bist ein wichtiger Teil von „Star Wars“ und hast eine Menge Erfahrung. Aber wie würdest du jemandem die Arbeit eines Konzeptdesigners erklären, der nicht so viel Ahnung hat von dem, was hinter der Filmkamera so alles passiert?
Doug Chiang: Die Arbeit entwickelt sich kontinuierlich. Am Anfang eines Films geht es darum, in Gesprächen bei der Entwicklung der Geschichte mitzuwirken. Das ist etwas, mit dem George Lucas schon sehr früh begann, mit den Designern Ralph McQuarrie und Joe Johnston, als er die Geschichte schrieb. Und als ich mit ihm arbeitete, damals 1995, war der Prozess ziemlich genau derselbe. Ich war dabei, als er die Geschichte schrieb. Konzeptdesigner helfen dabei, dem Autor und Regisseur Treibstoff zu liefern: Sie liefern Bilder, die dabei helfen, Diskussionen auszulösen. Wunderbar an der Arbeit an „Star Wars“ ist also, dass ich als Designer vom ersten Tag an dabei bin, den ganzen Prozess mitmache - Vorproduktion, Produktion und Post-Produktion. Das ist die Art, wie diese Filme geschaffen werden – und es ist ein sehr evolutionärer Prozess. Wenn das Skript nach den ersten Gesprächen steht, geht es zum Beispiel darum, Sets, Fahrzeuge und Figuren zu erschaffen, die wirklich umzusetzen sind. Wir sind dabei sehr aufs Budget, unsere Ressourcen und den Zeitplan bedacht. Wenn wir dann in Produktion gegangen sind, verstärkt sich der Druck noch. Ein Design, das man zu Beginn für sehr gut gehalten hat, kann sich verändern, sobald die Figuren am Set sind und gefilmt werden. Und wenn das Geld und die Ressourcen da sind, kann man auch in der Postproduktion nachjustieren, um die Vision des Regisseurs noch besser zu treffen.
FILMSTARTS: Kathleen Kennedy, die als Produzentin alle neuen Filme der Reihe aufeinander abstimmt, hat über deine Arbeit gesagt: „Wir gehen bei ihm auf die ‚Star Wars‘-Schule.“ Wo hast du selbst denn den Sternenkrieg gelernt?
Doug Chian: Ich bin immer noch dabei. (lacht) Aber ich habe auf der besten „Star Wars“-Schule angefangen, nämlich auf der von George Lucas, siebeneinhalb Jahre lang habe ich sie besucht. Ich lernte also beim Meister selbst. Er kennt diese Welt sehr gut, sowohl visuell als auch was die Geschichte und Figuren betrifft. Jetzt machen wir mit neuen Filmemachern weiter und entdecken Dinge, die wir weiterentwickeln können, während wir auf die Lektionen und Designs der Vergangenheit zurückgreifen. So stellen wir sicher, dass das „Star Wars“-Universum einheitlich bleibt.
FILMSTARTS: Für die Prequels hast du die Pod-Racer, die Droidekas und die N-1-Sternjäge designt, so hattest du also großen Einfluss darauf, wie die Episoden I-III aussehen. Verglichen mit der Originaltrilogie unterscheidet sich die Optik dieser Filme stark – „Das Erwachen der Macht“ dagegen sieht fast genauso aus wie die alten Filme, zumindest was das Design angeht: kantige Formen, vieles ist abgenutzt. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Doug Chian: Wenn man sich die gesamte Geschichte des Designs von „Star Wars“ anschaut, erkennt man, dass die Episoden IV, V und VI nur ein kleiner Teil davon sind. Und als ich 1995 mit George Lucas arbeitete, versuchten wir, die gesamte Design-Geschichte des „Star Wars“-Universums zu ergründen. Lucas sagte es selbst am besten, als er die „Star Wars“-Geschichte mit der unserer Welt verglich: IV, V und VI spielen dieser Analogie nach in den 1970ern und 1980ern – um das Design der Prequels zu definieren, mussten wir daher in unserer Geschichte zurückschauen, auf die 1920er und 1930er. Damals waren Designs viel eleganter, handgemachter, weniger fabriziert. Das war eine Zeit der Künstler, also sehen auch die Landspeeder, Fahrzeuge und Raumschiffe in „Star Wars“ so aus – eher wie Kunst. Das ergibt im „Star Wars“-Universum absolut Sinn, weil es in unserer Welt Sinn ergibt. Für die neue Trilogie haben wir uns an diese Richtlinie gehalten, uns also angeschaut, was gegenwärtig passiert. Das ist ziemlich interessant, denn VII, VIII und IX sind damit in Sachen Design ziemlich aktuell.
Für „Star Wars 7“ wollten uns ästhetisch an IV, V und VI orientieren, aber wir wussten, dass wir sie updaten mussten. Mit Blick auf den echten Zeitverlauf fragten wir uns also, wie sich die Herstellung und das Design von Technik seit den 1970ern und 1980ern weiterentwickelt haben: Die Fertigung hat sich verbessert, das Material auch. Eine weitere Frage war: Wie updaten wir die Sturmtruppler? Das ist so ein klassisches Design – wir wollten den Look nicht fundamental ändern, mussten uns aber fragen: Wie haben sie sich 30 Jahre nach „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ entwickelt? Und wir dachten uns: Vielleicht haben sie neue Materialien, vielleicht exotischere Materialien? In unserer Welt könnte das zum Beispiel Kevlar sein. Es sind Überlegungen wie diese, mit denen man das Design erdet und so dafür sorgen, dass sich der „Star Wars“-Look wesentlich echter anfühlt.
FILMSTARTS: Apropos „echt“ - ein Freund von mir meint, das Schiff von Bösewicht Kylo Ren sehe aus wie eine Fledermaus. War das die Inspiration?
Doug Chian: Nein. Teil der ursprünglichen Inspiration war das Schiff von Darth Vader. Aber wir dachten uns: Vielleicht sollte es nicht ganz so aussehen, vielleicht sollte es aggressiver sein. Als sagten wir im nächsten Schritt: Warum verschmelzen wir es nicht mit einem TIE-Jäger? Wir nahmen die H-Form eines TIE-Jägers und verlängerten die Flügel, die dann runtergelassen werden können, um wie die Flügel eines Tieres zu wirken. Wir wollten für Kylo Ren unbedingt ein ikonisches Shuttle schaffen.
FILMSTARTS: „Star Wars“-Schöpfer George Lucas ist in die neuen Filme nicht mehr involviert. 2015 hast du in einem Interview gesagt: „Der angsteinflößende Teil ist, dass wir George nicht mehr haben.” Wie unterscheidet sich denn die Arbeit mit George Lucas von der mit „Star Wars 7“-Regisseur J.J. Abrams?
Doug Chian: George hat dieses sehr reichhaltige, umfangreiche Universum kreiert. Was mich jetzt fasziniert: Wenn man visionäre Regisseure wie J.J. Abrams oder Gareth Edwards (macht „Rogue One“) dazu holt, dann bringen die ihre eigenen Sichtweisen mit ein und erzählen ihre eigenen Geschichten. Die Herausforderung für den Designer besteht dann darin, die Vision des jeweiligen Regisseurs zum Leben zu erwecken. Wundervoll daran: Die Welt ist so umfangreich und so kohärent und so durchdacht, dass die neuen Regisseure sehr genau sagen können, welches Design sie wollen. Es ist also dieselbe Spielwiese, aber man passt sie individuell an. Ich mag diese Herausforderung – das Design muss immer noch „Star Wars“ sein, aber zugleich auch zur neuen Geschichte passen.
FILMSTARTS: George Lucas befolgte einen Grundsatz, den er Drei-Sekunden-Regel nennt: Er schaute immer nur sehr kurz auf eine Design-Skizze und entschied dann sofort, ob er eine Idee mag oder nicht. Macht J.J. Abrams das auch so?
Doug Chian: Ja, machte er. Denn: Die Designs, die ich schaffe, müssen filmisch sein, sie müssen dem Film dienen. Wenn man sie das erste Mal in unter drei Sekunden sieht, muss man sofort verstehen, worum es geht. Ich glaube, das spricht für die Stärke der „Star Wars“-Designs. Sie sind sehr simpel, sehr anschaulich, sehr ikonisch. Manchmal denkt man sogar: Sie sind zu simpel, da hat es sich jemand zu einfach gemacht. Aber die Sache ist: Es mag einfach wirken, die simplen Lösung zu finden – aber tatsächlich ist das am schwersten. George Lucas ging es schon ganz am Anfang um die Frage: Wie würde das ein Kind zeichnen? Man denke an den Todesstern, die X-Wings, die TIE-Jäger. Wenn ein Kind diese Sachen zeichnen kann, ist das Design sehr anschaulich und stark. Das gilt für Designs, die in einem Kinofilm verwendet werden, aber auch für Designs an sich. Die simplen sind meistens die stärksten.