Platz 90: „Wie ein wilder Stier“
(Martin Scorsese, USA 1980)
„Wie ein wilder Stier“ ist ein filmischer Schlag ins Gesicht: Martin Scorseses Meisterwerk ist intensiv wie ein Rocky-Balboa-Fight und gleichzeitig auch eine brillante Charakterstudie der Box-Legende Jake „Raging Bull“ LaMotta. Größtenteils in intensiven Schwarz-Weiß-Bildern gehalten, bringt Martin Scorsese Aufstieg und Fall des ehemaligen Mittelgewichts-Weltmeisters Jake LaMotta auf die Leinwand. In gewisser Weise inszeniert Scorsese LaMotta als düsteren Gegenentwurf zu Sylvester Stallones strahlender Boxer-Ikone Rocky, die einige Jahre zuvor die Kinosäle eroberte. Dies kommt gerade in den schonungslosen Boxkämpfen zum Ausdruck, denn diese gestalten sich bei Scorsese als brutal-blutige Schlachtsequenzen, als Ausbruch roher Kraft, die gänzlich befreit vom typischen Sportler-Pathos bleiben. Gewalt wird in „Wie ein wilder Stier“ für den Zuschauer regelrecht körperlich spürbar, denn durch die subjektive Kameraführung und Klanggestaltung erfährt man die schmerzlichen Einschläge fast am eigenen Leib. Das Herzstück von Martin Scorseses Boxer-Drama ist dabei aber zweifelsohne der grandios aufspielende Robert De Niro, der sowohl als italienischer Kampfbulle Jake LaMotta, als auch als dessen ältere, aufgedunsene Version eine der besten Leistungen seiner Kariere abliefert.