Zauberei mit kleinen Macken
Von den Qualitäten der niederländischen Filmproduktion bekommt man hierzulande für gewöhnlich nicht sonderlich viel mit, selbst wenn immer mal wieder ganz herausragende Filme aus dem kleinen Land am Meer kommen. Besonders bemerkenswert ist dabei der kontinuierliche Ausstoß von sehenswerten Kinder- und Jugendfilmen: leichtfüßige, alberne Komödien, kleine Abenteuerfilme, nachdenkliche Dramen – in den allermeisten Fällen auf Augenhöhe mit den jungen Zuschauern, ohne jemals herablassend zu wirken, wie das bei vergleichbaren deutschen Produktionen leider viel zu oft der Fall ist. Dass „Der wunderbare Wiplala“ in Deutschland nun direkt auf DVD erscheint, liegt wohl vor allem daran, dass der zugrundeliegende Kinderbuchklassiker von Annie M.G. Schmidt hierzulande nicht so bekannt ist. Die von Regisseur Tim Oliehoek inszenierte Geschichte von dem kleinen Wiplala, der „tinkeln“ (manche Leute würden es unpräzise mit „zaubern“ übersetzen) kann, hätte allerdings definitiv das Format für eine Kinoauswertung gehabt.
Johannes (Sasha Mylanus), der seit dem Tod seiner Mutter allein mit seinem zerstreuten Vater (Peter Paul Muller) und seiner großen Schwester Nella Della (Kee Ketelaar) zusammenlebt, stößt eines Nachts in der Küche auf den Wiplala (Geza Weisz), ein Wesen kaum größer als eine Tasse. Der Wiplala hat gerade vor Schreck die Hauskatze Fliege zu Stein verwandelt – und weil er zwar tinkeln, allerdings nicht so gut zurücktinkeln kann, muss Fliege vorerst starr bleiben. Ähnlich ergeht es auch dem besten Freund des Vaters, einem stadtbekannten Dichter, der plötzlich als steinerne Statue vor der Wohnungstür steht…
Das ist erst der Beginn eines aufregenden Abenteuers, in dessen Verlauf Johannes und seine Familie auf Wiplalas Größe schrumpfen, auf dem Rücken einer Taube fliegen, mit dem Personal eines edlen Restaurants Ärger bekommen und schließlich und endlich Wiplala helfen, seine Furcht vor dem eigenen Versagen in den Griff zu bekommen. Das ist alles schön schnörkellos und geradlinig erzählt, mit hübschen, aber nicht überkandidelten Spezialeffekten, vielen spannenden Momenten – und zwischendrin auch allen Elementen eines ernsten Dramas, ohne sich selbst dabei besonders ernst zu nehmen. Hey, es ist ein Kinderfilm.
Allerdings eben einer, der sein junges Publikum nicht nur platt unterhalten will, sondern auch eine Geschichte zu erzählen hat. So sind die Figuren dann auch durchweg – trotz aller gelegentlichen Albernheiten – konsistent und glaubwürdig. Als Wiplala versehentlich die große Atlasstatue auf dem Rathausdach lebendig tinkelt, legt der Mann erst einmal erschöpft und erleichtert seufzend die Erdkugel ab: Glaubwürdiger kann ein phantastischer Film nicht sein.
Rochus Wolff, Jahrgang 1973, ist freier Journalist und lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern im Grundschulalter in Berlin. Sein Arbeitsschwerpunkt ist der Kinder- und Jugendfilm; seit Januar 2013 hält er in dem von ihm gegründeten Kinderfilmblog nach dem schönen, guten und wahren Kinderkino Ausschau.