Katzen wissen alles. Und noch viel mehr.
Eine spannende Kriminalgeschichte so zu erzählen, dass sie Kindern keine Angst macht, aber trotzdem noch spannend bleibt, ist gar nicht so einfach. Astrid Lindgren hat das zum Beispiel mit Kalle Blomquist vorgeführt, immer dicht an der kindlichen Perspektive und mit Straftaten wie Übeltätern, die nie zu bedrohlich werden.
„Die geheimnisvolle Minusch“ geht einen etwas anderen Weg: Die Geschichte strahlt vor kleinen magischen Momenten und dampft zugleich die Welt ein auf die Größe eines sympathischen kleinen Städtchens in den Niederlanden. In Killendoorn kennt man sich, es ist eigentlich alles ganz unaufgeregt – aber hinter der Fassade brodelt es natürlich dennoch. Der Nachwuchsjournalist Tibbe freilich ist eigentlich viel zu schüchtern, um jemals hinter solche Dinge zu kommen. Schreiben kann er zwar, aber traut sich kaum, Fragen zu stellen – oder lässt sich von kaltschnäuzigeren Kollegen zur Seite drängen. Dann taucht auf einmal Minusch auf, eine junge Dame, die gerne Fisch ist, sich vorzugsweise über Hausdächer bewegt und nach jedem Zusammentreffen mit Hunden meist ein wenig verzweifelt auf einem Baum sitzt. Im Tausch gegen Kost und Logis in seiner kleinen Wohnung berichtet sie ihm die neuesten Geheimnisse der Stadt. Denn Minusch ist eigentlich eine Katze, die durch einen Unfall menschliche Gestalt angenommen hat – und von ihren Mitkatzen erfährt sie dann auch ein durchaus bedrohliches Geheimnis...
Regisseur Vincent Bal hat sich für „Die geheimnisvolle Minusch“ eine Erzählung der niederländischen Autorin Annie M.G. Schmidt vorgenommen (von der viel zu viele Bücher hierzulande immer noch viel zu wenig bekannt sind, aber das ist eine andere Geschichte). Sein Film ist zuallererst eine Geschichte davon, wie zwei eigentlich sehr scheue Wesen langsam Zutrauen zueinander fassen – mit solchen Erfahrungen können Kinder natürlich leicht sympathisieren, denn für sie erscheint die Welt meist nicht minder verwirrend und aggressiv als für den zurückhaltenden Tibbe.
Dann ist es aber auch eine wahrhaft beglückende und bezaubernde Geschichte. Nicht nur, weil sich Realität und Unwahrscheinliches (im Grunde Magie, die hier aber anders funktioniert) vermischen; nicht nur, weil die Welt der kleinen Stadt mit so viel Liebe zum Leben erweckt wurde. Alle Beteiligten hatten auch sichtbaren Spaß dabei; Carice van Houten als Minusch etwa bewegt sich außerordentlich kätzisch und ist zugleich ganz staunender Zweibeiner. Ich erinnere mich, wie mich „Die geheimnisvolle Minusch“ 2002 auf der Berlinale völlig begeistert hatte; danach war der Film trotz Kinostarts im selben Jahr lange nur mühsam erhältlich. Nun ist er gerade neu auf DVD und Blu-ray erschienen – ein perfekter Film für lange, feuchte Herbstnachmittage.
Rochus Wolff, Jahrgang 1973, ist freier Journalist und lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern im Grundschulalter in Berlin. Sein Arbeitsschwerpunkt ist der Kinder- und Jugendfilm; seit Januar 2013 hält er in dem von ihm gegründeten Kinderfilmblog nach dem schönen, guten und wahren Kinderkino Ausschau.