Rasant und lehrreich durch den Wald
Kleine Kinder, das wissen Eltern aus leidvoller Erfahrung, betreten die Welt als völlig hemmungslose Egoisten – schließlich muss den Eltern ja erstmal rücksichtslos klargemacht werden, was man genau will. Freundlichkeit, Rücksichtnahme und Nächstenliebe - das kommt alles erst später, da hat ein Kind so einiges zu lernen. Die Kinderbuchfigur Rabe Socke verkörpert nun genau diese unbedarfte Art des Egoismus, der immerzu (und wie im echten Leben immer wieder) im Zaum gehalten werden muss.
„Der kleine Rabe Socke 2 – Das große Rennen“, der zweite Kinofilm über den Raben und seine Freunde, kommt sehr schnell zur Sache: Es ist Erntezeit und alle im Wald helfen fleißig mit – außer natürlich dem kleinen Raben. Der fährt nämlich lieber imaginäre Autorennen, aus denen er jedes Mal als „Waldmeister“ siegreich hervorgeht. Aber Socke ist - wie die meisten Kinder - ein unschuldiger Egoist, der niemals Böses will. Als die gesamten Wintervorräte der Waldtiere versehentlich im Fluss landen, möchte er wirklich helfen: Er nimmt an einem Autorennen teil, bei dem es genug Geld zu gewinnen gibt, um neues Essen für alle zu kaufen.
„Das große Rennen“ ist mit seinem Autorennen actionlastiger als der ruhigere erste Socke-Film. Da wird es erzählerisch auch schon mal hektisch, aber zwischendrin finden sich trotzdem immer wieder Momente ruhiger Schönheit: So zum Beispiel wenn Socke und sein größter Widersacher Rinaldo (mit dem er sich später anfreundet) gemeinsam in einer Höhle eingeschlossen sind und im Dunkeln auf einmal Glühwürmchen aufsteigen. Das ist dann ein verzaubertes Innehalten, wie es jeder Kinderfilm haben sollte.
Ist ein Sieg für sich oder für die Gemeinschaft schöner? Das ist die zentrale Frage im Film. Wem das zu belehrend klingt, den können wir aber beruhigen: "Der kleine Rabe Socke 2" ist kein trockenes Stück Erziehungskino, sondern ganz im Gegenteil zuallererst kurzweilige Unterhaltung – das Rennen läuft nämlich nicht brav nach den Regeln ab, die der Rennleiter-Biber (gesprochen von Sportmoderator Gerhard Delling) festlegt, sondern vielmehr als anarchische Aneinanderreihung völlig chaotischer Situationen. So wird es in den eh schon knappen 75 Minuten nie langweilig, obwohl der Film seinen jungen Zuschauern tatsächlich auch genügend Momente der Ruhe gönnt.
In diesen Kinos läuft „Der kleine Rabe Socke 2 - Das große Rennen“ am kommenden Wochenende.
Rochus Wolff, Jahrgang 1973, ist freier Journalist und lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern im Grundschulalter in Berlin. Sein Arbeitsschwerpunkt ist der Kinder- und Jugendfilm; seit Januar 2013 hält er in dem von ihm gegründeten Kinderfilmblog nach dem schönen, guten und wahren Kinderkino Ausschau.