Wir müssen mal über den Tod sprechen
Wir wohnen seit mittlerweile sieben Jahren zufälligerweise immer unmittelbar neben einem Friedhof – drei Stück in zwei Städten. Und wenn man mit seinen Kindern täglich auf Gräber schaut, jede Woche auf dem Weg zur Schule an mindestens einem Begräbnis vorbeikommt, dann führt das automatisch zu interessanten Gesprächen über Leben, Tod, Sterben und das Jenseits. Schönsten Diskussionsstoff in diese Richtung bietet nun auch der Animationsfilm „Manolo und das Buch des Lebens“, der ein ganz und gar mexikanisch geprägtes Weltbild zur Basis seiner Geschichte macht – inklusive eines (da täuscht der Titel ein wenig) Ausflugs des Protagonisten ins Reich der Toten. Trotzdem ist der Film aber vor allem eine Feier des Lebens, der Liebe, der Familie: eine kindergerechte, manchmal brüllend komische, immer knallbunte Geschichte voll mit „erwachsenen“ Themen.
Manolo und Joaquin sind schon als kleine Jungen beste Freunde – und beide sind in Maria verschossen, die zum Studium von ihrem Vater nach Europa geschickt wird. Als sie zurückkehrt, sind die drei erwachsen – und Manolo, der lieber Musiker wäre als Torero wie sein Vater, will ihr ebenso einen Antrag machen wie der stierkämpfende Lokalheld Joaquin. Eine klassische Dreiecksgeschichte also, zumindest bis zwei Geister auftauchen, die – Goethes „Faust“ lässt grüßen – am Tag der Toten eine Wette darauf abschließen, welcher der beiden wohl Marias Herz gewinnen wird. Aber die Geister spielen beide nicht mit sauberen Mitteln und so landet Manolo schließlich im Reich der Toten – wild entschlossen, seine Geliebte trotz aller Widrigkeiten irgendwann in die Arme zu schließen. Das schmeckt natürlich mehr als nur ein bisschen nach einer Geschichte, die man in Europa von „Orpheus und Eurydike“ kennt...
Diese Totenreise könnte schwermütig oder traurig daherkommen, aber „Manolo und das Buch des Lebens“ ist eine herzhafte, strahlende Bejahung des Lebens mit der womöglich tröstlichsten und zugleich am wenigsten kitschigen Jenseitsphantasie, die das Kino hervorgebracht hat. Da wird gelacht, getanzt, getrunken und vor allem geliebt, dass die Skelettknochen nur so krachen. Kindertauglich ist das trotzdem allemal: Denn zum Glück nimmt sich der Film selbst nie besonders ernst – dafür sorgen schon die immer wieder auftauchenden ironischen Brechungen.
Hinzu kommt die mehrfach verschachtelte Erzählung – die Geschichte von Maria, Manolo und Joaquin wird im Film als Story aus dem „Buch des Lebens“ erzählt, und die Figuren haben dazu passend die Anmutung von beweglichen Holzpuppen (beziehungsweise im Reich der Toten von Skeletten). Die Animation zielt also überhaupt nicht auf Lebensnähe, sondern unterstreicht das Theaterhafte, das Unwirkliche des Films: Eine Einladung ins große Marionettentheater der Welt, in dem wir unser Leben und unser Sterben immer nur teilweise selbst im Griff haben. Ob es dann wie hier Geister oder doch eher Götter, Magie oder das Schicksal sind, die unsere Wege leiten, das muss man dann halt anschließend mit den Kindern ausdiskutieren. Aber besser so, als dass man sich nach dem Kinobesuch gar nichts zu sagen hätte.
In diesen Kinos läuft "Manolo und das Buch des Lebens" am kommenden Wochenende!
Rochus Wolff, Jahrgang 1973, ist freier Journalist und lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern im Grundschulalter in Berlin. Sein Arbeitsschwerpunkt ist der Kinder- und Jugendfilm; seit Januar 2013 hält er in dem von ihm gegründeten Kinderfilmblog nach dem schönen, guten und wahren Kinderkino Ausschau.