„E.T.“ für die Smartphone-Generation
Drei Teenager, ein Sommerabenteuer, ein niedlicher Außerirdischer, der eigentlich nur nach Hause möchte, und eine entfesselte, rücksichtslose Staatsmacht, die sich nicht für solche Heimatgefühle interessiert... wer jetzt an Steven Spielbergs „E.T. – Der Außerirdische“ denkt, liegt natürlich nicht völlig daneben. Für das Science-Fiction-Abenteuer „Earth to Echo“ (seit Dezember auf DVD und Blu-ray erhältlich) hat sich Regisseur Dave Green eine Menge von dem Klassiker abgeschaut und das Ganze doch sehr zeitgenössisch aufgemacht. Meine eigenen Kinder sind noch zu jung (und vor allem ein wenig zu sensibel) für „E.T.“, die Flucht auf fliegenden Fahrrädern mit dem Außerirdischen im Korb gehört aber zu meinen frühesten Kinoerinnerungen – und was damals bei Spielberg funktioniert hat, geht auch jetzt nicht daneben. Ein paar eng befreundete Kinder, das Abenteuer in der Kleinstadt, fremde Mächte und am Ende der Sieg von Mut und Zusammenhalt gegen das, was sich da aus der Erwachsenenwelt aufdrängt – das ist der Stoff, aus dem solche Geschichten gemacht sind.
„Earth to Echo“ zeichnet sich außerdem dadurch aus, dass er ganz nah an der Lebenswirklichkeit seiner Hauptfiguren und damit der jungen Zuschauer bleibt. Die ersten Signale des kleinen (und sehr niedlichen) Außerirdischen empfangen die Jungs über ihre Handys: Sie sind alt genug und schon sehr versiert im Umgang mit den Elektroniksachen – und vermutlich ihren Eltern weit voraus. Und so ist einer von ihnen auch der eigentliche Erzähler: Aus den Bildern und Videos, die sie selbst auf ihren Smartphones und einer Videokamera aufnehmen, um ihre letzten gemeinsamen Stunden zu dokumentieren (ihr Vorort soll einer Schnellstraße weichen, alle ziehen fort), hat er vorgeblich den Film persönlich zusammengeschnitten.
Found Footage also für die Jüngsten: So nennt sich der Stil, der angeblich authentische Aufnahmen aneinanderschneidet. Der hauptsächliche Effekt ist dabei die besondere Nähe zu den Protagonisten, deren Erlebnisse man so auf Tuchfühlung miterlebt. Das funktioniert mal mehr, mal weniger gut; in „Earth to Echo“ aber, der nicht mit großen Effekten (und sicher auch nicht mit großem Budget) prahlt, passt sich der Stil besonders gut in die Lebenswelt ein und ist deshalb glaubwürdiger und konsistenter als in den meisten Horror- und Monsterfilmen, in denen einem Found Footage sonst oft begegnet.
Der Film ist auch, das wird manche Eltern beruhigen, ein sehr deutlicher Gegenentwurf zu Großbaustellen wie den „Transformers“-Blockbustern: Nicht nur, weil das Abenteuer seinen kleinstädtischen Fokus bewahrt und damit deutlich überschaubarer bleibt, und auch nicht primär wegen der kleineren, sympathischeren Spezialeffekte. Sondern vor allem, weil er menschlich bleibt, denn die drei Jungs Tuck, Munch und Alex sind zu jedem Zeitpunkt Herr ihrer eigenen Geschichte. Letztlich sind es ihre Entscheidungen – ethisch und vor allem emotional begründet –, die die Handlung zu ihrem Finale und (natürlich guten) Ende bringen. Das allein genügt schon, um gegen die oft mechanisch wirkenden Abenteuerfilme des „großen“ Hollywood-Kinos zu bestehen: „Earth to Echo“ ist ein Film mit Herz, und es schlägt für ein putziges Wesen, das blau leuchtet. So viel hat sich seit „E.T.“ eben doch nicht verändert.
Rochus Wolff, Jahrgang 1973, ist freier Journalist und lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern im Grundschulalter in Berlin. Sein Arbeitsschwerpunkt ist der Kinder- und Jugendfilm; seit Januar 2013 hält er in dem von ihm gegründeten Kinderfilmblog nach dem schönen, guten und wahren Kinderkino Ausschau.