Platz 2
David Chase, USA 1999-2007
Wenn es um die Wahrnehmung des Mediums „Serie“ als neue erzählerische Sperrspitze geht, ist David Chases Mafia/Drama/Gesellschaftssatire/Sittenbild ohne Zweifel die wichtigste Zäsur der jüngeren Vergangenheit. Die Geschichte der TV-Serie teilt sich auf in eine Ägide vor und die Zeit nach der ersten Staffel um den Alltag einer spleenigen Mafia-Sippe im Garden State von New Jersey und die Lebenskrisen des ausgebrannten Provinzpaten Tony Soprano (James Gandolfini). Mit einem brillanten Cast, der sich aus New Yorker Charaktergesichtern, Theaterschauspielern und Nebenrollenheroen aus den üblichen Genre-Produktionen von „Der Pate“ bis „GoodFellas“, der Creme der aktiven Fernsehautoren (zu denen mit Terence „Boardwalk Empire“ Winter und Matthew „Mad Men“ Weiner selbst spätere Showrunner zählten) und einer bis dato nicht im Fernsehen gesehenen inszenatorischen Klarheit und Dichte wurde von 1999 bis 2007 Fernsehgeschichte geschrieben.
Das von Anfang an Bemerkenswerte und für viele Überraschende war dabei, dass Creator Chase die eigentlich recht humorige Ausgangssituation vom Mafiaboss (Gandolfini) auf der Couch einer Psychiaterin (Lorraine Bracco) nicht als Aufhänger für eine Komödie nutzte, sondern mit größtmöglicher Ernsthaftigkeit nach den Krisen und Ängsten im modernen Mann forschte. „Die Sopranos“ ist eine bittere Abrechnung mit der „Generation Burn Out“ und ihren verzweifelten Versuchen, in einer Welt zu funktionieren, die ihnen gleichzeitig als nicht sehr lebenswert erscheint. Spätestens mit der vierten Staffel (der ersten Post-9/11-Season) entwickelte sich die Reihe dann endgültig zu einem Requiem auf die Neurosen des Gegenwartsamerikas und seiner selbstzerstörerischen Anwandlungen. Ein düsterer Gesellschaftsroman der Güteklasse A.